Profi- und Leistungssport mit Typ-1-Diabetes?

Profi-Fußballerin Sandra Starke und Diabetesberaterin Ulrike Thurm berichten, wie Spitzensport und Diabetes miteinander vereinbar sind, worauf zu achten ist und wie CGM helfen kann.

Interview mit Sandra Starke und Ulrike Thurm 

Kontinuierliches Glukose-Monitoring macht Profisport für Menschen mit Diabetes möglich

In dem Forschungsprojekt "Challenge D" der Universität Bayreuth ist Ulrike Thurm als Diabetesberaterin für Profi- und Leistungssportler tätig. Dieses telemedizinisches Projekt untersucht kontinuierlich die Glukosedaten der Sportlerinnen und Sportler. In regelmäßigen Telefonaten wird anhand der Daten der Studienteilnehmer mit Beratern besprochen, wie die Therapie kontinuierlich optimiert werden kann. 

Gerade der Bereich des Profisports wird in der Regel nicht in einem Atemzug mit Typ-1-Diabetes genannt. Durch jüngste technische Messentwicklungen ist es aber möglich, trotz einer potenziellen Beeinträchtigung durch T1-Diabetes auch im Spitzensport tätig zu sein. Kontinuierliche Mess-Systeme erleichtern die sportliche Tätigkeit, auch auf Profi-Niveau. Durch neue Messtechniken kann der Blutzuckerspiegel nicht nur vor oder nach der körperlichen Belastung eingesehen werden, sondern auch während der sportlichen Betätigung.

Die betreuenden Diabetes-Teams können mit den zahlreichen CGM-Daten die Therapie viel besser anpassen, je nachdem, wie sich der Diabetes entwickelt. Auch in Abhängigkeit von der körperlichen Tätigkeit (z.B. Spiel- oder Trainingssituation) kann die Therapie spezifisch modifiziert werden. 

Sandra Starke: Nationalspielerin trotz Diabetes-Typ-1

Sandra Starke, Fußballspielerin bei RB Leipzig und Mitglied der deutschen Nationalmannschaft, wurde vor fünfeinhalb Jahren mit Diabetes Typ 1 diagnostiziert. Zum Zeitpunkt der überraschenden Diagnose war sie bereits Profi-Fußballerin. Nach anfänglicher Unsicherheit war es aber sicher: Die Profi-Karriere kann weitergehen - dank engmaschiger medizinischer Betreuung und kontinuierlicher Glukosemessung.  

Dank der kontinuierlichen Datenmessung und der persönlichen Beratung durch Thurm kann Sandra Starke weiterhin ihre gewohnte Leistung abrufen und neben den Fußballspielen auch Trainings und das viele Reisen absolvieren. Durch die telemedizinische Betreuung fühlt sie sich "gut aufgehoben" und ist glücklich über die damit einhergehende Erleichterung. 

Ulrike Thurm berichtet beispielhaft von Sandra Starkes Einsatz bei den Chicago Red Stars, der aufgrund von Zeitverschiebung und körperbetonterem Fußball als in Deutschland einer entsprechenden Insulinanpassung bedurfte. 

Wie sehr belastet eine Diabetes-Diagnose im Profisport? 

Im Vergleich zu ihren Mitspielerinnen sieht Sandra Starke keine Einschränkungen in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit. 

"Der einzige Unterschied ist, dass ich schaue, was ich esse und vor allem, wann ich es esse.[...] Das zeigt, dass wirklich alles geht und dass es machbar ist." 

Dadurch könne auch ein Zeichen gesetzt werden und Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass auch eine Profisportkarriere mit Diabetes Typ 1 möglich ist. Außerdem darf nicht vergessen werden, so Starke, "wie gut der Profisport dem Diabetes auch tut." Auf diese Weise könnten Spitzensportler und - sportlerinnen auch als Vorbilder für die Allgemeinbevölkerung fungieren. Denn sicherlich muss der Alltag geplanter stattfinden als ohne chronische Erkrankung und beispielsweise auch die Ernährung und die körperliche Aktivität angepasst werden, "aber wenn ich das tue und den Diabetes in mein Leben integriere, ist weiterhin alles möglich", so Ulrike Thurm, die für ihr großes Engagement bereits das Bundesverdienstkreuz erhalten hat. 

Challenge D wird ausgeweitet

Aktuell sind zwischen 30 und 40 Profisportler und Profisportlerinnen innerhalb des Universitätsprojekts in Betreuung. Die Intensität der Betreuung hängt von den persönlichen Zielen der jeweiligen Teilnehmenden ab. Ob das nun auf die breite Bevölkerung auszuweiten ist? Nur teilweise, so Ulrike Thurm. Denn Spitzensportler legen allgemein eine andere Art der Disziplin an den Tag als Menschen, die andere Berufe gewählt haben. Da die Motivation und Adhärenz so hoch ist, klappt die Implementierung einer Diabetes-Therapie in den Alltag von Profisportlern zumeist reibungslos, da der Alltag ohnehin bereits sehr strukturiert ist. Ulrike Thurm fasst zusammen: 

"Diese Role-Model-Funktion ist auch für uns Diabetes-Teams unschätzbar, gerade wenn Eltern, frisch manifestiert, mit kleinen Kindern da sitzen. Dann denken die auch, das Leben meines Kindes ist zu Ende. Wenn man dann zeigt, auch mit einem Typ-1-Diabetes kann man eine Goldmedaille gewinnen oder in der Nationalmannschaft spielen, das unterstützt gerade in solchen Situationen psychologisch enorm und motiviert."

Biographien von Sandra Starke und Ulrike Thurm 

Sandra Starke ist Profi-Fußballerin. Seit 2019 ist sie Teil der A-Nationalmannschaft, seit dem 1. Juli 2023 spielt sie für den Bundesligisten RB Leipzig. 

Ulrike Thurm ist Sportlehrerin und Diabetesberaterin, außerdem Mitautorin der Diabetes- und Sport-Fibel, der CGM- und Insulinpumpenfibel und des CGM-Schulungsprogramms Spectrum. Seit Jahren engagiert sie sich rund um die Themen Diabetes und Sport und erhielt dafür das Bundesverdienstkreuz.

Diabetes Herbsttagung 2023: Appetit auf Gesundheit

Die Diabetes Herbsttagung findet vom 17. bis zum 18. November in Leipzig statt und legt den Fokus auf die Verbindung zwischen Diabetes und Ernährung. Die Veranstalter Deutsche Diabetes Gesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin stellen mit ihrem Programm die Bedeutung einer ganzheitlichen Herangehensweise in den Mittelpunkt. esanum berichtet von der DDG Herbsttagung. Hier finden Sie die aktuelle Berichterstattung.