TikTok in der Adoleszenz: Einfluss auf die Gesundheit kommender Generationen?

Derzeit herrscht eine Kontroverse über den Einfluss und die Nutzung sozialer Medien bei Kindern und Jugendlichen. Was sind die größten Gefahren und Chancen?

Zwischenmenschliche Kontakte: nur noch gefiltert über Screens?

Immer wieder sieht man Kleinkinder, die ein Mobiltelefon oder ein Tablet als Beschäftigung vor sich haben – die Eltern selbst starren meist auch gebannt auf den kleinen Bildschirm ihres Mobiltelefons. Man könnte meinen, der moderne Erziehungsstil vollzieht sich nur noch über den Konsum von digitalem Inhalt. Welche Auswirkungen das bereits auf unsere Gesellschaft hat, merkt man, wenn man in unterschiedlichen Bereichen des alltäglichen Lebens. Fußgänger überqueren die Straße, ohne ihren Blick vom Smartphone abzuwenden. Mitmenschen werden kaum noch wahrgenommen. Alles wirkt gekünstelt und muss in eine Instagram-Story passen. Man hat das Gefühl, die Gesellschaft verroht langsam und zwischenmenschliche Kontakte verlaufen nur noch gefiltert über Screens. Welche langfristigen Folgen dieser moderne Erziehungsstil auf die kommenden Generationen haben wird, wird sich erst mit der Zeit zeigen. 

TikTok als Kommunikationskanal für das öffentliche Gesundheitswesen

TikTok ist eine der weltweit am schnellsten wachsenden Social-Media-Plattformen unter Kindern und Jugendlichen. Bisher wurde die Verwendung dieser App von Seiten der Psychologie und Psychiatrie her nur wenig erforscht. Eine Forschungsgruppe aus Irland wollte der Social-Media-Plattform TikTok etwas Positives abgewinnen und hat in einer systematischen Überprüfung von Studien untersucht, ob sich diese Plattform als Kommunikationskanal für das öffentliche Gesundheitswesen nutzen lässt. An sich stellt die allgegenwärtige Nutzung sozialer Medien auf der ganzen Welt eine ideale Plattform für die Verbreitung von Informationen über die öffentliche und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen dar. Unter Kindern und Jugendlichen stellen die derzeit beliebten sozialen Netzwerke eine immens wichtige digitale Gesundheitsressource dar. Die sonst schwer zu erreichenden 13- bis 29-Jährigen können so direkt in ihrem digitalen Element über Gesundheitsthemen aufgeklärt werden.2

Was ist eigentlich TikTok?

TikTok ist eine videobasierte Social-Media-App, die es ihren Nutzern ermöglicht kurze Videos (Länge ca. 15-60 Sekunden) zu konsumieren oder auch selbst zu erstellen. Hierbei kommen vielfältige Filter, Musik und sogar Lippensynchronisationsvorlagen zum Einsatz. Die Nutzer erhalten ihren digitalen Input algorithmusgesteuert. Der Algorithmus orientiert sich an den angegebenen Vorlieben und zuvor gemochten Inhalten. Weltweit betrachtet befindet sich der Großteil der TikTok-Nutzer in der Adoleszenz.2 Eine Gefahr des algorithmusgesteuerten Konsums ist die Bestätigung von Meinungen und ein das Abdriften in ein Rabbit Hole. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie schnell das auch bei bestimmten Gruppen von Erwachsenen via Telegram passieren kann. Meinungen werden über wissenschaftliche Daten gestellt, da Chatgruppen-Mitglieder oder im Fall von TikTok der Algorithmus diese untermauert.

Wie können Kinder und Jugendliche über TikTok erreichet werden?

Die irische Forschungsgruppe hat sich Gedanken über die positive Nutzung von TikTok gemacht: Eine gezielte Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen wäre z. B. über die Verknüpfung von Gesundheitsthemen via kurzer Videosequenz und dem passenden Hashtag möglich. Es gab bereits Informationswellen auf TikTok zu den Themen COVID-19, psychische Gesundheit, Essstörungen, Entwicklungsprobleme und Gesundheit. Die Psychologin Dr. Julie Smith nutzt bereits TikTok als Plattform, um psychoedukative Inhalte zu verbreiten, und das nicht ohne Erfolg: Ihr TikTok-Profil besitzt stolze 33,4 Millionen Likes und über 2,9 Millionen Follower. Gerade in Zeiten eines Mangels an Psychologiefachleuten bei gleichzeitiger Zunahme an psychischen Erkrankungen bei krisengeplagten Kindern und Jugendlichen kann diese Möglichkeit des digitalen Informationsaustausches Leben retten – in ihren Videos spricht sie auch Themen wie Angst und Suizidalität an.2 Kinder und Jugendliche haben im Rahmen der Corona-Pandemie lediglich ihr Smartphone zur sozialen Interaktion mit gleichaltrigen Mitmenschen nutzen können. Während dieser Pandemie hat der Anteil an psychischen Erkrankungen zugenommen.

Das Suchtpotential der videobasierte Social-Media-App ist real

Eine erst kürzlich publizierte Studie zeigt die Schattenseiten der Nutzung der TikTok-App auf. Die Studie hat einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Kurzvideoanwendungen und psychosozialen Faktoren bei insgesamt 1.346 Jugendlichen untersucht. Der Großteil der Studienteilnehmer war weiblich (51,8 %). Von den 1.346 Studienteilnehmern waren 686 moderate Nutzer, 461 süchtige Nutzer und 199 Nichtkonsumenten. Unter den süchtigen Nutzern zeigte sich ein insgesamt schlechterer psychischer Gesundheitszustand – verglichen mit den Personen, die kein TikTok nutzten. Der psychische Gesundheitszustand bei süchtigen Nutzern war geprägt durch:

Bei den süchtigen Nutzern lag ein höherer schulischer Stress mit schlechteren schulischen Leistungen vor. Oft waren sie Opfer von Mobbing und hatten schlechtere elterliche Beziehungen. Auch lagen ein negativer Erziehungsstil und ein niedrigeres elterliches Bildungsniveau bei süchtigen Nutzern vor. Moderate Konsumenten zeigten keine Unterschiede bezüglich der psychischen Gesundheit oder den schulischen Leistungen im Vergleich zu Nichtkonsumenten der TikTok-App.3

Referenzen:
  1. Flynn HC. et al. (2022). Social Media and Adolescent Mental Health: Sounding the Alarm. NASN Sch Nurse. 2022 Sep;37(5):271-276. 
  2. McCashin D. et al. (2023). Using TikTok for public and youth mental health - A systematic review and content analysis. Clin Child Psychol Psychiatry. 2023 Jan;28(1):279-306. 
  3. Chao M. et al. (2023). TikTok use and psychosocial factors among adolescents: Comparisons of non-users, moderate users, and addictive users. Psychiatry Res. 2023 Jul;325:115247. 
  4. Zheluk AA. et al. (2022). Adolescent Anxiety and TikTok: An Exploratory Study. Cureus. 2022 Dec 14;14(12):e32530.