Menstruationszyklus bei Diabetikerinnen anders

Interview mit Professor Bühling über den Einfluss des Menstruationszyklus auf die Insulinempfindlichkeit von Diabetikerinnen.

Interview mit Professor Bühling über den Einfluss des Menstruationszyklus auf die Insulinempfindlichkeit von Diabetikerinnen.

Die Deutsche Diabetes Hilfe machte kürzlich darauf aufmerksam, dass der Menstruationszyklus die Insulinempfindlichkeit und somit auch die Stoffwechsellage von Mädchen und Frauen mit Diabetes beeinflusst. Studien (DOI: //dx.doi.org/10.2337/diacare.26.4.1016; Doi: 10.4093/dmj.2011.35.4.384) dokumentieren  den Zusammenhang zwischen Diabetes und Menstruationsbeschwerden, darunter vor allem ein längerer Zyklus, eine längere und intensivere Menstruation und stärkeren Strapazen. Trotz existierender Studien scheint dieses Wissen zu den Ärzten noch nicht durchgedrungen zu sein. Prof. Dr. med. Kai Joachim Bühling, aus dem Bereich der Gynäkologie, im esanum-Interview über die Insulinempfindlichkeit von Frauen im Rahmen ihres Menstruationszyklus.

esanum: Herr Bühling, dass der Menstruationszyklus die Insulinempfindlichkeit von Diabetes-Patientinnen beeinflusst, sollte unter Medizinern hinreichend bekannt sein. Viele Patientinnen sind sich dessen allerdings nicht bewusst. Weshalb vernachlässigen Ärzte diese Aufklärung?

Bühling: Vielen Ärzten ist gar nicht bewusst, dass es monatlich zu zyklusabhängigen Schwankungen der Glukosekonzentrationen kommt. Dies hat vermutlich zwei Gründe: Zum Einen wird die Insulinsensitivität in der Lutealphase, also der zweiten Zyklushälfte, verschlechtert, zum Anderen ist in dieser Phase auch der Appetit gesteigert. Hierdurch sind in der zweiten Zyklushälfte die Blutzuckerwerte etwas höher. Andererseits muss man sagen, dass die Schwankungen zumeist keine wirklich signifikante Dimension erreichen. Dennoch macht es Sinn, die Patientinnen mit Diabetes darüber aufzuklären, damit sie ihre Messungen jeweils besser einordnen können.

esanum: Wie gefährlich können Blutzuckerschwankungen im Rahmen des Menstruationszyklus sein?

Bühling: Die Schwankungen sind eher gering, Hypoglykämien glücklicherweise eher selten.

esanum: Diabetes-Patientinnen haben häufig mit besonders starken Menstruationsbeschwerden zu kämpfen. Können diese Beschwerden abgeschwächt werden, wenn zum Beispiel die Insulingabe dem Menstruationszyklus angepasst wird?

Bühling: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Menstruationsbeschwerden und der Einstellung des Diabetes. Patientinnen mit Diabetes können natürlich dieselben Erkrankungen erleiden, die zu Dysmenorrhoen führen, z.B. Endometriose, Adenomyosis uteri usw. Diese sollten natürlich abgeklärt werden.

esanum: Beeinflusst der Menstruationszyklus auch den Blutzuckerspiegel von Nicht-Diabetikerinnen, oder ist das nur ein Phänomen des Diabetes?

Bühling: Auch bei gesunden Frauen sind Schwankungen der Blutzuckerspiegel mit etwas höheren Werten in der zweiten Zyklushälfte nachgewiesen. Auch hier ist es vermutlich das Progesteron, das diesen Effekt hervorruft und im Übrigen wohl auch in der Schwangerschaft mit für die zunehmende Insulinresistenz verantwortlich ist.

esanum: Würden Sie soweit gehen und sagen, dass unverhältnismäßige Zustände wie ein lang andauernder Zyklus, intensivere Blutungsphasen und stärkere Menstruationsbeschwerden auf einen Prä- oder sogar manifesten Diabetes hinweisen können?

Bühling: Nein, dies als Symptom anzusehen wäre sicher nicht richtig und würde verunsichern. Auf der anderen Seite ist natürlich das PCO-Syndrom, das ja ebenfalls mit einer verminderten Insulinresistenz und einem etwas erhöhten Risiko für einen Typ-2-Diabetes mellitus einhergeht, häufig durch verlängerte Zyklen gekennzeichnet. Daher gehört zur Abklärung des PCO-Syndroms auch die Durchführung eines Zuckerbelastungstests mit Insulinbestimmung.

esanum: Als Therapiemaßnahme schlagen Sie eine Anpassung der Insulingabe oder auch der Zusammensetzung des Insulins vor. Was halten Sie von dem Einsatz einer Insulinpumpe?

Bühling: Die Insulingaben können einfach “Pi mal Daumen” angepasst werden, eine Pumpe ist aus diesem Grund sicher nicht indiziert.

esanum: Können Sport und regelmäßige Bewegung den zyklusbedingten Schwankungen entgegenwirken?

Bühling: Grundsätzlich verbessert Sport die Insulinwirkung, daher sinkt der Insulinbedarf. Da dies aber alle Phasen des Menstruationszyklus betrifft, ist dieser Effekt vermutlich nicht therapeutisch zu nutzen.