Neue Erkenntnisse: Unterkieferfraktur bei Diabetikern

Eine Studie deckt nun Neuheiten bei Diabetikern infolge einer Unterkieferfraktur auf. Unterkieferfrakturen gehören zu den häufigsten Frakturen im Bereich des Gesichtsschädels, die in traumatologischen Zentren versorgt werden.

Eine Studie deckt nun Neuheiten bei Diabetikern infolge einer Unterkieferfraktur auf.

Unterkieferfrakturen gehören zu den häufigsten Frakturen im Bereich des Gesichtsschädels, die in traumatologischen Zentren versorgt werden. Aufgrund seiner anatomischen Lage ist die Mandibula häufig Gegenstand von Gesichtsfrakturen durch ganz verschiedene Verletzungsmechanismen, zumeist im Rahmen von Verkehrsunfällen, Körperverletzungen und Stürzen. Bei der Behandlung dieser Frakturen ist besondere Sorgfalt geboten, da Mandiublafrakturen im Vergleich zu anderen kraniofazialen Frakturen besonders anfällig für Komplikationen sind. Während der Fokus bislang veröffentlichter Studien zu der Thematik eher auf dem Outcome von Unterkieferfrakturen bei immunsupprimierten Patienten infolge von HIV-Infektion oder Drogenmissbrauch lag, haben Norman H. Ward III et al. von der medizinischen Hochschule in Texas, Diabetespatienten mit Unterkieferfrakturen untersucht. Mit der wachsenden Zahl an Diabetikern in den USA ist es von besonderer Wichtigkeit, dass Mediziner sich über die spezifischen Anforderungen der Behandlung  dieser Patientengruppe sowie die damit einhergehenden Komplikationen bewusst werden – ganz besonders im Rahmen der operativen Therapie. Diabetiker sind nach einer invasiven Therapie anfällig für eine Vielzahl medizinischer Herausforderungen – ganz unabhängig von der Lokalisation der Fraktur.

Sorgfältige Selektion im Rahmen der Studienkriterien

In die Studie wurden Patienten eingeschlossen, die zum Verletzungszeitpunkt 18 Jahre oder älter waren und in deren individuellen Anamnese ein Diabetes mellitus bekannt war – der Typus war hier nicht von Relevanz. Außerdem musste die Unterkieferfraktur operativ versorgt worden sein. Patienten, die erst drei Monate oder später nach der Fraktur operiert worden waren und Patienten mit Mandibulafrakturen nach Schusswunden, wurden ausgeschlossen. Die medizinische Dokumentation zu den Patientenfällen umfasste demographische Angaben zu Geschlecht, ethnischem Hintergrund, medizinscher Anamnese, Verletzungsmechanismus, Krankheitsverlauf einschließlich Therapie des Diabetes sowie durch den Diabetes verursachte Komorbiditäten. Darüber hinaus wurden Informationen zur operativen Behandlungsmethode, antibiotischer Therapie, Dauer des stationären Klinikaufenthaltes und HbA1c-Level verwertet. Die operative Versorgung der Frakturen bestand entweder in einer geschlossenen Reposition mit intermaxillärer Fixation oder in einer offenen Reposition mit internaler Fixation. Zur Evaluation des Schweregrades und des Risikos für Komplikationen, wurden radiologische Bildgebungen und Operationsberichte genutzt, um den sogenannten Mandibular Injury Severity Score (MISS) zu errechnen. In diesen Score gingen der Frakturtyp, die exakte Frakturlokalisation, die Okklusion, die Weichteilbeteiligung, Infektionen und Dislokationen mit ein. Darüber hinaus wurde für jeden Patienten das Auftreten folgender Komplikationen dokumentiert: Infektionen (mit Unterscheidung zwischen Infektionen der Operationswunde, Abszessen, Infiltraten und Osteomyelitis), frustran verlaufene Repositionen, Nervenschädigungen, Wunddehiszenzen, und Knochenexposition sowie fehlerhafte Okklusion.

Prävalenzen können bei Alkohol- und Drogenmissbrauch steigen, sowie bei einer HIV-Infektion

Ziel der Studie war es, Verletzungsmechanismen, Behandlungscharakteristika und das potentielle Outcome bei einer Patientenpopulation zu evaluieren, für die häufig erhöhte Komplikationsraten beschrieben werden, wobei es an umfassenden Analysen in der Literatur mangelt. Mandibulafrakturen können sehr komplex und häufig mehrfragmentär sein, was den Patienten postoperativ einem hohen Risiko für Komplikationen aussetzt. Norman H. Ward III et al. konnten zeigen, dass die entsprechenden Prävalenzen steigen, wenn in den individuellen Anamnesen der Patienten Drogen- und Alkoholmissbrauch oder eine Form der Immunsuppression, wie zum Beispiel HIV, vorliegt. Ebenso können die Operationsmethode, die Methode der intermaxillären Fixation, die Patientenzustimmung, eine verzögerte operative Versorgung der Fraktur sowie der Einsatz von Antibiotika die Morbidität nach einer chirurgischen Therapie infolge einer Unterkieferfraktur unterschiedlich stark beeinflussen. Die Pathophysiologie des Diabetes mellitus mit verlängerten hypergklykämischen Phasen, kann die Wundheilung von Weichgewebe und Knochen signifikant beeinträchtigen, die Neovaskularisation empfindlich stören und die Inzidenz von Infektionen nach Frakturen erhöhen. Komplikationen, die in der Studie am ehesten dem Diabetes mellitus zugeschrieben werden konnten, waren Infektionen und Wunddehiszenzen mit oder ohne Knochenexposition. Hypästhesien und motorische Defizite infolge nervaler Schädigungen durch die gestörte Glucosetoleranz mit einer beeinträchtigten Regeneration neuronaler Strukturen, wirken sich möglicherweise ebenso auf die Morbidität aus.

Komplikationsrate bei 50 Prozent

Norman H. Ward III et al. beschrieben eine Komplikationsrate von 50 Prozent für ihre Probanden und forderten konsequenterweise weiterführende Forschungsbemühungen sowie eine erhöhte Wachsamkeit im klinischen Setting Diabetespatienten mit Unterkieferfrakturen gegenüber, und zwar ganz besonders, wenn die chirurgische Versorgung der Fraktur mit einer verlängerten Operationsdauer vergesellschaftet ist. Mit weiterführenden Analysen, so Ward, zum Beispiel von Vergleichen zwischen Unterkieferfrakturen bei Diabetikern mit nach Alter gematchten, gesunden Kontrollprobanden nach Mandibulafraktur oder aber durch den Einschluss von Probanden aus Kliniken mit interdisziplinärem Therapieansatz, seien zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen, die letztlich zu einer verbesserten Patientenversorgung in der immer größer werdenden Population von Diabetikern führen könnte.