Wenn nichts mehr hilft: neue Antikörper gegen Protein PCSK9 füllen Therapielücke

Es ist schon lange bekannt, dass in unserem Blut Hinweise darauf zu finden sind, wie sich der Kampf gegen die koronare Herzkrankheit entscheidet. Eine Erhöhung von LDL und Lipoprotein(a), sowie ein

Es ist schon lange bekannt, dass in unserem Blut Hinweise darauf zu finden sind, wie sich der Kampf gegen die koronare Herzkrankheit entscheidet.

Eine Erhöhung von LDL und Lipoprotein(a), sowie eine Erniedrigung von HDL gelten als unabhängige Risikofaktoren. In Deutschland wird die Prävalenz der Hypercholesterinämie auf 48 Prozent geschätzt.  In der Gesundheitsuntersuchung, die ab dem 35. Lebensjahr von der Kasse erstattet wird, ist die Bestimmung der Blutfette, neben der des Zuckerwerts deshalb besonders wichtig. Leichte Erhöhungen der Blutfette lassen sich in der Regel durch entsprechende Ernährungsumstellung und Bewegung korrigieren.

Statine wirken nicht immer ausreichend

Wenn schwerere Geschütze ergriffen werden müssen, bleibt noch der Griff zu den Statinen, die ein Schlüsselenzym der Cholesterinsynthese hemmen. Ziel ist, das LDL-Cholesterin abhängig von den Risikofaktoren und dem klinischen Bild des Patienten bis zu unter 70 mg/dl zu senken. Bei einem Teil der Patienten sind die entsprechenden Zielwerte jedoch nicht zu erreichen. Gerade Menschen, die an einer autosomal dominant vererbten Hypercholesterinämie leiden, profitieren oft nicht ausreichend von der Statintherapie.

Protein PCSK9 sorgt dafür, dass mehr schädliches LDL zirkuliert

Ursächlich für die vererbte Hypercholesterinämie sind Muatationen in verschiedenen Genen, unteranderem im PCSK9-Gen. Die defekten beeinflussen auf unterschiedliche Weise die Funktion des LDL-Rezeptors. Das Protein PCSK9 bindet an den LDL-Rezeptor und wird mit dem Rezeptor zusammen in die Zielzelle aufgenommen. Intrazellulär fördert PCSK9 dann den Abbau des Rezeptors, sodass letztendlich weniger LDL in die Zelle transportiert werden kann. Das zirkulierende LDL schädigt die Gefäßwände und begünstigt eine Arteriosklerose. Statine senken, über oben genannten Mechanismus den Cholesterinspiegel. Der niedrige Cholesterinspiegel führt nun dazu, dass PCSK9 verstärkt gebildet wird. Dies könnte der Grund dafür sein, dass auch bei einer Erhöhung der Statindosis nur eine geringe Wirkungssteigerung beobachtet wird und einige Patienten nicht ausreichend von der Therapie profitieren.

In den letzten Jahren wurden PCSK9-Inhibitoren entwickelt, um die therapeutische Lücke zu schließen. Der monoklonale Antikörper Evolozumab des Unternehmens Amgen wird bereits in Phase 3 Studien getestet.

Antikörper gegen PCSK9 senkt LDL-Spiegel bei homozygot vererbter Hypercholesterinämie

Im Rahmen der TESLA-Studie wurde der Antikörper an einem Patientenkollektiv mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie untersucht. 49 Patienten durchliefen die Studie(DOI: 10.1016/S0140-6736(14)61374-X) bis zum Endpunkt. Die Ausgangswerte des LDL-Cholesterins lagen im Schnitt bei 348 mg/dl. Alle Patienten wurden bereits mit Statinen behandelt. 33 Teilnehmer erhielten zusätzlich zu den Statinen 420 mg Evolozumab subkutan, während den restlichen 16 Patienten statt des Antikörpers alle 4 Wochen Placebo gespritzt wurde. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich dabei über 3 Monate. Das LDL-Cholesterin sank durch die Behandlung mit Evolozumab um 30,9 Prozent ab. Behandlungsbedingte Nebenwirkungen wurden bei 63 Prozent der Teilnehmer der Placebo-Gruppe und bei 36 Prozent der Interventionsgruppe beobachtet. Zu den Nebenwirkungen gehörten vor allem Entzündungen des Nasen-Rachen-Raums und muskuläre Störungen. Evolozumab wurde von den Patienten anscheinend gut toleriert und zudem überzeugte der Antikörper in seiner Wirkung.

Anzumerken ist, dass es sich hier um ein kleines Patientenkollektiv handelt und dass der Untersuchungszeitraum natürlich recht kurz ist. Nebenwirkungen lassen sich in diesem Setting nicht zuverlässig einschätzen.

Trotzdem besteht die Hoffnung, eine ernsthafte Alternative zu der bisher eingesetzten Lipidapherese gefunden zu haben. Bei der Lipidapherese wird das Blut extrakorporal von LDL gereinigt. Das Verfahren wird an Dialysezentren eingesetzt. Für die Patienten ist die Behandlung logistisch und zeitlich aufwändig, doch bisher gab es keine überzeugenden Möglichkeiten das Verfahren zu umgehen.

Signifikant weniger kardiovaskuläre Ereignisse unter Evolozumab

Eine weitere Studie(DOI: 10.1056/NEJMoa1500858), die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, untersucht ein großes Kollektiv von 4465 Probanden über 12 Monate hinsichtlich der kardiovaskulären Risikoreduktion. Die Gruppe um Sabatine stellte fest, dass Evolozumab im Vergleich zu der Standarttherapie eine signifikante Reduktion der LDL-Spiegel bewirkte (der Median vor Evolozumab-Therapie lag bei 120 mg/dl, nach Therapie lag der Median bei 48 mg/dl). Kardiovaskuläre Ereignisse traten in der Gruppe mit Standarttherapie in 2,18 Prozent der Fälle auf, während es unter Evolozumab-Therapie nur 0,95 Prozent waren.

Neurokognitive Ereignisse unter Therapie mit Evolozumab häufiger?

In diesem Setting wurden allerdings in der Evolozumab-Gruppe mehr neurokognitive Nebenwirkungen beobachtet. Interessanterweise war das Auftreten neurokognitiver Ereignisse nicht abhängig von der erreichten LDL-Senkung, sodass hier kein direkter Zusammenhang zu bestehen scheint.

“Wir wissen durch aktuelle Studien bereits, dass Evolozumab zuverlässig LDL-Spiegel senkt, aber die neuen Daten zeigen nun zudem, dass Evolzumab tatsächlich effektiv das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse verhindern kann”, so Sabatine.

Mit Evolozumab steht demnach ein neuer vielversprechender Wirkstoff für die Behandlung von erhöhten LDL-Cholesterinspiegeln zur Verfügung, der auch das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse vermindern könnte. Zu klären bleibt, ob und inwieweit der Antikörper das Auftreten neurokognitiver Veränderungen bedingt.

Text: esanum /kme