Ärzte stärken Montgomery den Rücken

Bei Privatversicherten dürfen Ärzte deutlich höhere Rechnungen ausstellen als bei Kassenpatienten. Die maßgebliche Gebührenordnung ist völlig veraltet. Ein Streit über die Neufassung kostet den Ärztepräsidenten fast sein Amt.

Bei Privatversicherten dürfen Ärzte deutlich höhere Rechnungen ausstellen als bei Kassenpatienten. Die maßgebliche Gebührenordnung ist völlig veraltet. Ein Streit über die Neufassung kostet den Ärztepräsidenten fast sein Amt.

Im Streit um eine Reform der Milliardenhonorare haben Deutschlands Ärzte ihrem Präsidenten Frank Ulrich Montgomery den Rücken gestärkt. Seine Kritiker scheiterten auf dem Ärztetag am Dienstag in Hamburg klar mit einem Antrag auf Amtsenthebung. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) forderte die teils heftig zerstrittene Ärzteschaft zur Beendigung ihrer Auseinandersetzungen auf.

Der Ärztetag lehnte die Behandlung eines Antrags auf Absetzung Montgomerys ab. Der Antrag von 15 Delegierten bekam 148 Nein- und 85 Ja-Stimmen. Für die Absetzung wäre eine Dreiviertelmehrheit nötig gewesen, für die Ergänzung der Tagesordnung durch den Abwahlantrag nur eine einfache Mehrheit. In hitziger Debatte hatten mehrere Vertreter vor einem Gesichtsverlust der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit gewarnt.

Zentraler Streit um GOÄ

“Wir sind in einer grundsätzlichen Vertrauenskrise”, räumte Montgomery ein. Im Zentrum stand der Streit um eine neue Gebührenordnung (GOÄ), mit der die Ärzte insgesamt Honorarbeträge von mehr als 16 Milliarden Euro jährlich überwiegend von Privatpatienten abrechnen. Eine Reform des völlig veralteten Regelwerks war trotz jahrelanger Verhandlungen zwischen Ärztekammer und privater Krankenversicherung im März vorerst gescheitert.

Gröhe warb energisch für einen gemeinsamen Vorschlag von Ärzten, privater Krankenversicherung und den Trägern der Beamten-Beihilfe, auf deren Basis die Politik eine neue GOÄ beschließen kann. “Ich werbe dafür, dass nicht unnötiger, auch öffentlich ausgetragener Streit oder Misstrauensbekundungen an die eigenen Verhandlungsführer denen das Geschäft erleichtert, denen die ganze GOÄ-Debatte nicht passt”, sagte Gröhe. Das wurde als Anspielung an Gröhes Koalitionspartner SPD verstanden. Die Sozialdemokraten lehnen eine neue GOÄ ab. Die SPD will die Zweiteilung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung überwinden.

Gröhe sagte, eine neue GOÄ-Systematik sei nötig. Viele heute gängige Therapien sind in dem Regelwerk gar nicht aufgeführt.

Montgomery räumte Versäumnisse bei der Ausarbeitung des Regelwerks ein. “Es gibt durchaus Grund zur Kritik.” Er habe die Komplexität der Reform unterschätzt. Montgomery kündigte an, das Projekt verstärkt zur Chefsache zu machen. Zugleich warnte er die Ärzte vor überhöhten Forderungen. 40 Prozent der Rechnungen seien Beihilfen des Bundes und der Länder für die Beamten. Ohne Zustimmung der Länder werde es keine neue GOÄ geben. Durch die Reform sollen die Honorare unterm Strich um 5,8 Prozent steigen.

Die Kassenärzte mahnte Gröhe zur Beendigung ihrer Affären. Am Vortag hatte ihre Vereinigung KBV Beschlüsse gefasst, so dass überhöhte Zahlungen an KBV-Ruheständler zurückgefordert und dubiose Immobilienfinanzierungen rückabgewickelt werden können. Gröhe kündigte eine baldige Prüfung der Beschlüsse an. Sein Ministerium hatte der KBV mit Zwangsverwaltung gedroht. “Ich möchte keine Kassen- oder Staatsmedizin, sondern eine starke Selbstverwaltung”, sagte Gröhe. Geduldet werden könnten aber “weder Rechtsverstöße, noch eine unzureichende Aufarbeitung noch eine gefährliche Selbstblockade”.

Montgomery warb im Namen der Ärzteschaft für eine bessere medizinische Versorgung der Flüchtlinge. Der öffentliche Gesundheitsdienst müsse gestärkt werden. Flächendeckend müsse die Gesundheitskarte für Asylbewerber eingeführt werden. “Für uns Ärzte – das gebietet unser Eid – sind alle Menschen gleich.”