Den Verlauf neurodegenerativer Krankheiten per KI-Bluttest erkennen

Viele neurodegenerative Erkrankungen entwickeln sich über Jahrzehnte hinweg. Ein kanadisches Forschungsteam hat jetzt einen Bluttest entwickelt, mit dem die Krankheiten früh erkannt werden können.

Mechanismus erkennt langfristigen Erkrankungsverlauf

Viele weit verbreitete neurodegenerative Erkrankungen entwickeln sich über Jahrzehnte hinweg. Da sich Symptome oftmals mit Alterungsprozessen decken, ist eine frühzeitige Bestimmung schwierig. Ein kanadisches Forschungsteam hat jetzt einen Bluttest entwickelt, mit dem die Krankheiten früh erkannt werden können.

Neurodegenerative Krankheiten wie Chorea Huntington oder Alzheimer frühzeitig zu erkennen, stellt in der Welt der Medizin nach wie vor eine schwierige Aufgabe dar. Die Mechanismen dieser Erkrankungen sind schwer vorherzusehen, da Daten zur Genexpressionen über einen langen Zeitraum hinweg noch immer Mangelware sind.

Aus diesem Grund haben kanadische ForscherInnen der McGill University und des Ludmer Centre for Neuroinformatics and Mental Health einen Bluttest auf KI-Basis entwickelt, mit dessen Hilfe Anzeichen neurodegenerativer Krankheiten schneller und früher erkannt werden sollen. Hierfür entwickelte das Forschungsteam den Mechanismus GE-cTI ("gene expression contrastive trajectory inference"), der anhand der Daten von erkrankten Personen deutliche Muster über einen langen Zeitraum hinweg erkennen kann.

Datensätze zu fast 2.000 PatientInnen ausgewertet

Für ihre Untersuchungen griffen die ForscherInnen auf die drei Studiensätze ROSMAP, HBTRC und ADNI zurück und erhielten hierdurch Informationen über 1.969 PatientInnen, bei denen zu einem späteren Zeitpunkt Alzheimer oder Huntington auftrat. Der Lernalgorithmus des neuen Bluttests konnte im Großteil der Fälle vorhersagen, in welchem neuropathologischen Ausmaß Marker wie Braak-Muster oder Amyloid zu erkennen waren. Im Rahmen von in-vivo-Bluttests konnten außerdem Verschlechterungen des klinischen Zustands und Übergänge in fortgeschrittene Krankheitsstadien erkannt werden.

Darüber hinaus konnten die ForscherInnen beobachten, dass ihr Test in 85 bis 90 Prozent der Fälle die aussagekräftigsten molekularen Signalwege für neurodegenerative Krankheiten erkennen konnte, die bei post-mortem-Gehirnuntersuchungen nachgewiesen werden können. Hierin sehen die WisssenschaftlerInnen eindeutige Gemeinsamkeiten zwischen molekularen Veränderungen im Gehirn und den körperlichen Extremitäten.

Risikofaktoren erkennen und individuelle Therapien ermöglichen

Yasser Iturria-Medina, der leitende Studienautor, merkte an: "Dieser Test könnte ÄrztInnen dabei helfen, PatientInnen mit Risikofaktoren zu erkennen und ihnen die individuell benötigte Therapie anzubieten. In klinischen Studien könnte der Bluttest außerdem dafür genutzt werden, PatientInnen genauer zu kategorisieren und die Wirksamkeit experimenteller Medikamente für einzelne Gruppen zu erkennen."

Die ForscherInnen zeigten sich hinsichtlich des Nutzens von GE-cTI im Feld der Neuropathologie zuversichtlich. In folgenden Studien solle daher auch der Mehrwert des KI-Bluttests für die Erkennung von Parkinson und ALS erforscht werden.

Quelle:
Iturria-Medina Y et al., Blood and brain gene expression trajectories mirror neuropathology and clinical deterioration in neurodegeneration. Brain 2020; awz400:https://doi.org/10.1093/brain/awz400