Ionenstrahl-Therapie ab jetzt auch in Marburg

Bislang gab es die innovative Therapie nur in Heidelberg, nach einem langen Streit nun auch in Marburg. Bis die Anlage die anvisierte Patientenzahl erreicht hat, wird es aber noch dauern. Mit der P

Bislang gab es die innovative Therapie nur in Heidelberg, nach einem langen Streit nun auch in Marburg. Bis die Anlage die anvisierte Patientenzahl erreicht hat, wird es aber noch dauern.

Mit der Partikeltherapie gegen Krebs verbinden Kranke wie Ärzte große Hoffnungen. Nach langer Verzögerung wird die Behandlungsmethode nun auch am Uni-Klinikum in Marburg angewendet – im “Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum” (MIT). Was die Partikeltherapieanlage kann und wo noch geforscht werden muss, erklärt der Strahlenmediziner und MIT-Geschäftsführer, Jürgen Debus, im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er hat bereits Erfahrungen mit einer Anlage am Heidelberger Uni-Klinikum.

Frage: Ist die Therapie für Tumor-Patienten die letzte Rettung?

Antwort: Sie ist eine von mehreren Behandlungsoptionen. Damit haben wir ein Verfahren in den Händen, das uns zusätzliche Möglichkeiten gibt und mit dem wir die Strahlentherapie ganz individualisiert, auf den Patienten angepasst, gestalten können. Die konventionelle Strahlentherapie kann das heute auch schon sehr gut, aber es gibt immer wieder Situationen, wo sie an Grenzen gerät. Etwa dort, wo sehr empfindliches Gewebe in der Nähe ist. Wir kommen dann manchmal mit der konventionellen Therapie nicht auf die nötige Dosis, ohne das gesunde Gewebe zu gefährden.

Frage: Die Ionenstrahl-Therapie ist innovativ – ist sie überhaupt schon ausgereift? Immerhin wird ja auch noch viel geforscht.

Antwort: Die Technologie ist ausgereift. Aber wenn wir zum Beispiel neue Erkrankungsfelder behandeln, dann machen wir das in Form von Studien. Forschung klingt dabei immer ein bisschen nach Experiment. Doch das ist natürlich nicht der Fall, sondern alle Patienten erhalten eine Therapie, mit der wir sie heilen wollen. Und dann sind da die Fälle, bei denen die Bestrahlung eine normale, rein klinische Behandlungsmethode ist. Für Kinder zum Beispiel ist sie eine zugelassene Indikation. Oder für bestimmte Schädelbasis-Tumoren.

Frage: Wie läuft das nun in der Marburger Anlage ab?

Antwort: Die Marburger Anlage ist der Heidelberger sehr ähnlich, so dass wir Abläufe stark kopieren konnten. Wir mussten dabei mit großer Sorgfalt Prozesse erarbeiten, die maximal sicher sind und ein optimales Ergebnis für den Patienten erreichen. Zum Team gehören 50 Mitarbeiter ganz unterschiedlicher Berufsgruppen, Ärzte natürlich, aber auch Physiker, Strahlenschutzingenieure oder Techniker.

Frage: Was sind die ersten Erfahrungen in Marburg?

Antwort: Wir haben jetzt die ersten Patienten bestrahlt, ihre Therapie ist aber noch nicht beendet. Das läuft alles sehr ruhig ab. Trotzdem tut man gut daran, dass man bei einem neuen Projekt die Patientenzahlen nicht innerhalb weniger Wochen hochfährt. Wir denken, dass wir in zwei, drei Jahren 700 Patienten jährlich behandeln können. Wenn man dann optimistisch weiterblickt, ist man bei ungefähr 1000 Patienten pro Jahr. Vor vielen Jahren, bei der ursprünglichen Kalkulation, wollte man über 2000 Menschen bestrahlen, weil dann die Therapie preiswerter wird. Aber ich glaube, dieses Wettrennen ist mittlerweile vorbei.

Frage: Der hessische Streit um die Anlage drehte sich auch darum, ob sie nicht viel zu teuer ist. Braucht man die Therapie wirklich?

Antwort: Wir hatten schon vor zehn Jahren Daten, wonach es pro Jahr in Deutschland mindestens 10 000 Patienten gibt, die von einer Teilchentherapie profitieren werden. Man kann sagen, das sind nicht viele. Aber es geht um 10 000 Menschen, für die man eine spezielle Lösung anbieten muss.


ZUR PERSON: Prof. Jürgen Debus (51) ist Geschäftsführer des “Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum” (MIT). Seit längerem schon behandelt und forscht er am Heidelberger Uni-Klinikum Tumorpatienten mit der dortigen Partikeltherapieanlage. Debus ist dort unter anderem Direktor der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie

Text und Foto: dpa /fw