Ist die DNA wie ein Twitter-Netzwerk aufgebaut?

Neue Studie: Was hat die Nutzerzufriedenheit auf Twitter mit der DNA-Organisation gemein? Glückliche Twitter-Nutzer neigen dazu, mit gleichermaßen glücklichen Usern der Social Media Plattform verbunden zu sein.

Neue Studie: Was hat die Nutzerzufriedenheit auf Twitter mit der DNA-Organisation gemein?

Glückliche Twitter-Nutzer neigen dazu, mit gleichermaßen glücklichen Usern der Social Media Plattform verbunden zu sein. Dieses Phänomen sozialer Netzwerke nennt sich Assortativity. Der englische Begriff beschreibt die Tendenz, wonach sich User vor allem mit solchen Personen verknüpfen, die ihnen in bestimmten Eigenschaften ähneln. Ein neues Forschungsprojekt hat sich diese Tendenz jetzt neu definiert, um die dreidimensionale Organisation der DNA im Zellkern besser zu verstehen. Konzipiert wurde die Arbeit von Vera Pancaldi und Daniel Rico aus dem Programm für Strukturbiologie und Bioinformatik des Spanischen Nationalen Krebsforschungszentrums (CNIO), das von Alfonso Valencia geleitet wird.

Nach 200 Jahren der Zellkernforschung, wissen wir immer noch nicht genau, wie die DNA darin verpackt ist. Vera Pancaldi erklärt, dass das Rätsel um die exakte Organisation der DNA nach wie vor eine der größten Herausforderungen ihres Forschungsbereiches darstelle. Es sei wie der Versuch zu verstehen, wie man eine Oberfläche von der Größe eines Fußballfeldes in einem einzigen Reiskorn unterbringen kann. Darüber hinaus hat die verpackte DNA, das Chromatin, bekanntermaßen den gleichen Informationsgehalt wie die DNA-Sequenz selbst. Es handelt sich also um eine beispiellose logistische Meisterleistung unserer Zellen.

Die Entschlüsselung der Gesetze, die dem Chromatin ihre Form geben, und seine Beziehungen zur Genregulation (die Art und Weise, wie Gene ein- und ausgeschaltet werden), ist dementsprechend eine sehr komplexe Aufgabe. Hauptgrund dafür sind die schier endlosen Mengen verschiedenster Daten, die analysiert und interpretiert werden müssen.

Auf der anderen Seite hat die Anhäufung biologischer Daten den Wissenschaftlern in Alfonso Valencias Forschergruppe erlaubt, DNA-Wechselwirkungen tiefgründig zu untersuchen. Diese Interaktionen sind letztendlich ausschlaggebend für die Form der DNA-Struktur sowie die Genregulation in gesunden und kranken Zellen.

Ein wirksames Instrument, um die DNA-Struktur zu analysieren

In gewissem Sinne kann das Chromatin auch als eine Art Netzwerk gesehen werden. Es gibt im Genom verschiedene Regionen mit unterschiedlichen Funktionen (Gene, die transkribiert werden, Promotor, Enhancer sowie andere Elemente), die auf eine spezifische Weise in Wechselwirkung treten und von verschiedenen Proteinen reguliert werden. Zusammen mit seinen Kollegen hat Daniel Rico eine Sammlung von zehn regulatorischen Proteinen erstellt, die DNA in embryonalen Stammzellen der Maus binden. Sie beschlossen anschließend das Prinzip der Assortativity zu verwenden, um zu analysieren, ob diese Proteine möglicherweise verschiedene Arten von Wechselwirkungen vermitteln.

In ihrem Genome Biology Paper erklären die Autoren, dass sie das Konzept ausgeliehen hätten, um eine Analogie zwischen sozialen Netzwerken und dem Kontaktnetz des Chromatins herzustellen. Dabei führten sie das Konzept der Chromatin-Assortativity ein. Es misst, in welchem Umfang eine bestimmte Eigenschaft einer Chromatin-Region von anderen Regionen, die mit ihr bevorzugt interagieren, geteilt wird.

Laut dieser Studie könnten uns dieselben Tools, die bei der Analyse zwischenmenschlicher Beziehungen in sozialen Netzwerken verwendet werden, dabei helfen, die Genomorganisation besser zu verstehen. Das Paper schlägt vor, dass verschiedene genomische Regionen mit ähnlichen Funktionen möglicherweise vorzugsweise miteinander verbunden sind –  genau wie Menschen dazu neigen, sich bevorzugt mit Gleichgesinnten in sozialen Netzwerken zu vernetzen. Die Verwendung von Assortativity hilft letztendlich diejenigen Proteine zu identifizieren, die die formgebenden Interaktionen innerhalb der DNA vermitteln.

Rico und seine Kollegen konzentrierten sich im Rahmen ihrer Studie auf zwei Chromatin Subnetzwerke: Eines, das Gene miteinander vereinigt und ein zweites, das ein Gen mit seiner regulatorischen Region verbindet. Mit Hilfe von Chromatin-Assortativity ist es ihnen gelungen, verschiedene Proteine einer dieser Interaktionen bzw. Funktionen zuzuordnen.

Die Anwendung eines “network science tools” zur Untersuchung der 3D-Konfiguration von DNA hilft der Arbeitsgruppe, die allgemeinen Chromatineigenschaften zukünftig schneller und direkter zu identifizieren als es bisherige Ansätze taten. Es erlaubt ihnen nach allgemeinen Grundsätzen der Genomorganisation zu suchen, um dadurch zu verstehen, welche Auswirkungen bestimmte Abweichungen auf die embryonale Entwicklung und Tumoren haben.