Kardiovaskuläre Erkrankungen: Wie das Geschlecht zu Herzen geht

Die moderne Kardiologie realisiert zunehmend den Rhythmus, der dem Herz-Kreislauf-System mittels neuronaler und hormoneller Steuerungsmechanismen auferlegt wird. Dies könnte möglicherweise zukünftig auch in die Therapiestrategien bei Arhythmien einfließen.

Unterschiede in der Repolarisation und im Auftreten Long-QT-assoziierter Arhythmien

Kardiovaskuläre Erkrankungen zeigen mitunter geschlechtsabhängige Prävalenzen. Nicht immer lässt sich dabei die alleinige Ursache in den Geschlechtshormonen suchen. Doch realisiert die moderne Kardiologie zunehmend auch den Rhythmus, der dem Herz-Kreislauf-System mittels neuronaler und hormoneller Steuerungsmechanismen auferlegt wird. Und dies könnte möglicherweise zukünftig auch in die Therapiestrategien bei Arhythmien einfließen. 

Der gesamte Alltag des Menschen muss sich in die circa 24 Stunden einfügen, die uns unsere innere Uhr vorgibt. Nicht immer klappt das mit Erfolg, doch lässt sich diese Rhythmik in allen Körpersystemen finden und zum Teil auch abbilden. So folgen die Hormone des Menschen, wie z. B. Testosteron, Cortison und andere, einem Zyklus, der sich tageszeitabhängig ändert und doch Tag für Tag in ähnlicher Weise wiederholt.

Interessant an dieser Tagesrhythmik ist zudem, dass sich zum Beispiel die Herzfunktion teilweise in dieses Auf und Ab einpasst. Insbesondere am Morgen oder am Abend – dann, wenn in unserem Körper die gravierendsten neuronalen und hormonellen Änderungen stattfinden – kommt es häufiger zu kardiovaskulären Ereignissen wie dem Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Blickt man noch etwas tiefgründiger auf das Herz, werden weitere Unterschiede sichtbar, beispielsweise in der Herzfrequenz beider Geschlechter. So haben Frauen in der Regel eine höhere Herzrate als Männer, ihre atriale Erregungsleitung ist verlängert, ebenso das QT-Intervall.

Geschlechtshormone beeinflussen den Herzschlag

Bis zur Pubertät gibt es zwischen Jungen und Mädchen keine messbaren Unterschiede in diesen zuvor genannten Parametern. Da liegt es doch nahe, eine Beteiligung der Geschlechtshormone an diesen Effekten anzunehmen. Tatsächlich beeinflussen Testosteron und Estrogen während und nach der Pubertät die Herzfunktion. In erster Linie steuern die Steroidhormone dabei unterschiedliche Ionenkanäle des Herzmuskels, die für die Repolarisation verantwortlich sind.

Das Testosteron des Mannes beispielsweise beschleunigt die repolarisierenden Kaliumströme und verkürzt die Aktionspotenzialdauer. Dieser hormonelle Einfluss ist somit ein Grund dafür, dass Männer eher anfällig sind für Short-QT-Syndrome. Estrogen hingegen verlangsamt die Kaliumströme, erhöht die Aktionspotenzialdauer und macht Frauen dadurch anfälliger für Long-QT-Syndrome. Darüber hinaus scheint Testosteron medikamenteninduzierte QTc-Verlängerungen eher zu hemmen, während Estrogen diese fördert.

Studien zeigten überdies, dass Frauen mit angeboren verlängerter QTc in der Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt eine Verkürzung der QT-Zeiten in den Normalbereich erlebten. Versuche am Kaninchen-Tiermodell belegten, dass das Hormon Progesteron an diesen Prozessen maßgeblich beteiligt ist. Progesteron beeinflusst ganz ähnlich dem Estrogen und Testosteron bestimmte Ionenkanäle im Herzmuskel und verkürzt damit die Repolarisationzeit. Ist Progesteron dadurch für Frauen mit Long-QT-Syndrom als Add-on-Therapie denkbar? Weitere Studien sollen hier zukünftig Klärung bringen.

Fazit

Quelle: Sitzung des Tagungspräsidenten “Hormone und Arhythmien“, Saal 5, 83. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, 20.04.2017, Mannheim