Mangelnde Compliance bei älteren COPD-Patienten: Woran denken Sie?

Sie kennen das Dilemma: Die therapeutischen Möglichkeiten für einen Großteil der COPD-Patienten sind eigentlich recht gut, aber die Compliance ist häufig schlecht. Wie gehen Sie dieses Phänomen bei Ihren Patienten an? Worauf ist Ihr Augenmerk gerichtet? Wonach fragen Sie?

Mangelnde Compliance bei älteren COPD-Patienten: Woran denken Sie?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Sie kennen das Dilemma: Die therapeutischen Möglichkeiten für einen Großteil der COPD-Patienten sind eigentlich recht gut, aber die Compliance ist häufig schlecht. Wie gehen Sie dieses Phänomen bei Ihren Patienten an? Worauf ist Ihr Augenmerk gerichtet? Wonach fragen Sie?

Eine der Ursachen, die einem da als Erstes in den Sinn kommen, ist eine fehlerhafte Inhalationstechnik. Das Thema hatten wir kürzlich schon mal.

Ein anderer Grund für mangelnde Compliance ist eigentlich naheliegend, läuft aber im Praxisalltag immer wieder Gefahr, nicht erkannt zu werden, gerade bei älteren Patienten. Worauf tippen Sie?

Wir meinen die Depression. Deren adhärenzmindernde Wirkung ist schon für verschiedene Dauertherapien untersucht worden, etwa bei Diabetes. Eine kürzlich publizierte Beobachtungsstudie1 aus den USA hat einen solchen Zusammenhang nun auch für COPD-Patienten mit statistischer Evidenz belegt.

Die analysierten Daten stammen von der staatlichen Krankenversicherung Medicare, bei deren Klientel es sich vorwiegend um ältere Menschen handelt. Das untersuchte Kollektiv umfasste 31.000 Patienten, bei denen zwischen 2006 und 2010 erstmals die Diagnose COPD gestellt worden war. Das Durchschnittsalter lag bei 68 Jahren. Die Adhärenzverläufe verfolgten die Forscher anhand der verschriebenen Basismedikation (ICS, LABA, LAMA). Sie entwickelten ein statistisches Modell, um die Therapietreue als Funktion neuer depressiver Episoden abzubilden.

Das Ergebnis: Mit der Compliance haperte es von Anfang an. Am höchsten war sie noch im Monat nach der ersten Verordnung – und betrug da schon durchschnittlich nur  57%. Ein halbes Jahr später war dieser Wert auf 35% gesunken.

Ein Fünftel der Patienten entwickelte nach Stellung der COPD-Diagnose eine Depression. Der Zusammenhang zwischen Depression und verminderter Adhärenz erwies sich im adjustierten Regressionsmodell als statistisch signifikant (Odds Ratio = 0,93).

Zwar fragt man sich als Praktiker bei solchen Rechnereien immer, wie viel sie eigentlich mit der realen Welt zu tun haben. Andererseits ist der damit statistisch bezeugte Zusammenhang ja nun mehr als nachvollziehbar und für die eigene Arbeit ziemlich relevant.

Fazit für die Praxis:

Wenn Sie bei Ihren COPD-Patienten Compliance-Mängel trotz korrekter Anwendung des Inhalators feststellen, könnte eine Depression dahinterstecken. Sie ist eine der häufigsten Komorbiditäten bei obstruktiver Lungenerkrankung, wird allerdings häufig unterdiagnostiziert und untertherapiert.

In den ersten sechs Monaten nach der Diagnosestellung entwickeln ältere COPD-Patienten gehäuft eine Depression. Die depressive Symptomatik kann durch Multimorbidität sowie motorische und/oder kognitive Defizite der betagten Patienten verschleiert bzw. überlagert werden.

Lungenfunktion und Umgang mit dem Inhalator sind das Eine. Im Zweifelsfall sollte man sich auch die psychische Verfassung der Patienten genauer anschauen, ggf. mithilfe eines geriatrischen oder psychiatrischen Konsils.

Mit und ohne Depression gilt: Ihre Patienten profitieren natürlich von einem möglichst einfachen Therapieregime. Das betrifft die Zahl der Medikamente und der täglichen Applikationen sowie den Bedienungskomfort. Mit den modernen Inhalern sind hier patientenorientierte Fortschritte erzielt worden. Die Vielfalt des Angebots wird immer wieder als Problem dargestellt. Dabei ermöglicht sie eine individuell optimierte Auswahl des Inhalatorsystems – wenn der Patient mit seinen Präferenzen dabei einbezogen wird.

Ihre
Hubertus Glaser & Jörg Zorn

Referenz:

  1. Albrecht JS et al. Adherence to Maintenance Medications among Older Adults with Chronic Obstructive Pulmonary Disease: The Role of Depression. Ann Am Thorac Soc 2016. doi:10.1513/AnnalsATS.201602-136OC