Nach Schlaganfall: Neue, unreife Neuronen stören

Nach einem Schlaganfall reifen neue Neuronen verstärkt im Hippocampus heran. Deren beschleunigte Reifung bringt aber Fehler mit sich, insbesondere innerhalb der Verknüpfungen untereinander. In der Folge kann die Gedächtnisfunktion beeinträchtigt sein oder es treten epileptische Anfälle auf.

Neugebildete Neuronen fehlerhaft?

Die Reifung von Nervenzellen im Hippocampus, die sich nach einem Schlaganfall verstärkt aus Vorläuferzellen bilden, läuft beschleunigt ab und ihre Verknüpfung ist fehlerhaft. Dies die häufig beobachtete Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktion und die Neigung zu epileptischen Anfällen bei Schlaganfallpatienten erklären.

Die Entdeckung versprach völlig neue Möglichkeiten für die Behandlung von Schlaganfallpatienten: Auch im erwachsenen Gehirn werden aus Vorläuferzellen kontinuierlich neue Nervenzellen gebildet, und in experimentellen Studien konnte nach einem Schlaganfall sogar eine Verstärkung dieser Zellreifung nachgewiesen werden. Die neuen Nervenzellen, so die Hoffnung, könnten bei der Regeneration der vom Sauerstoffmangel geschädigten Region und deren Funktion eine wesentliche Rolle spielen.

Diese Hoffnung wurde jedoch durch die Erkenntnis getrübt, dass die Neuronenbildung nur im Hippocampus stattfindet, einer tief sitzenden und evolutionär sehr alten Hirnregion mit zentralen Funktionen für Gedächtnis und Emotion. In der Großhirnrinde jedoch, die zumeist von Schlaganfällen betroffen ist und in der alle höheren Funktionen des Gehirns wie Sprechen oder Verstehen angelegt sind, sind keine neuen Nervenzellen nachweisbar, auch nicht nach einer Schädigung.

Neue Neuronen stören eher als das sie helfen

Neurologen des Universitätsklinikums Jena müssen das Reparaturpotential der neuen Neuronen nach einem Schlaganfall nun noch weiter relativieren. In einer aufwändigen tierexperimentellen Studie untersuchten sie, wie die Neuronen nach einem induzierten Schlaganfall im Hippocampus heranreifen. "Mithilfe elektrophysiologischer Messungen konnten wir zeigen, dass die Entwicklung und Funktion der neuen Nervenzellen gestört ist, wohingegen ihre Zellgestalt unbeeinträchtigt bleibt. Die Zellen werden beschleunigt in das neuronale Netzwerk eingebaut, während sie noch unerfahren und übererregbar sind", so Mihai Ceanga, Assistenzarzt an der Klinik für Neurologie in Jena und Erstautor der Studie.

"Dieser Befund könnte erklären, warum wir in Verhaltensstudien nach einem Schlaganfall eine  Beeinträchtigung des Hippocampus-abhängigen Gedächtnisses beobachten, auch wenn die Schädigung in der Hirnrinde lokalisiert und der Hippocampus vom Sauerstoffmangel gar nicht unmittelbar betroffen ist. Die bei Schlaganfallpatienten erhöhte Anfälligkeit für epileptische Anfälle passt ebenfalls zu dem Ergebnis", wertete der Neurologe Dr. Albrecht Kunze die von ihm geleitete Studie und ergänzte: "Für Schlaganfallpatienten in der Rehabilitation könnte daher zusätzlich ein gezieltes Training hilfreich sein, das die Vernetzung im Hippocampus unterstützt. Hier besteht jedoch noch weiterer Forschungsbedarf."