Positiv denken gegen Stress

Im Urlaub können Kraftreserven für den Alltag neu aufgetankt werden. Wie aber funktioniert das genau? Und können wir das lernen? Diese Fragen erforscht das Deutsche Resilienz-Zentrum in Mainz.

Im Urlaub können Kraftreserven für den Alltag neu aufgetankt werden. Wie aber funktioniert das genau? Und können wir das lernen? Diese Fragen erforscht das Deutsche Resilienz-Zentrum in Mainz.

Dauernder Stress macht krank – es gibt aber auch Leute, denen macht das gar nichts aus. “Was ist die neurobiologische Grundlage dafür?” Diese Frage lässt den Mainzer Resilienzforscher Beat Lutz nicht mehr los. Mit Federführung von Robert Nitsch und Klaus Lieb und zusammen mit weiteren Forschern unterschiedlicher Disziplinen hat er das Deutsche Resilienz-Zentrum (DRZ) gegründet, als nach eigenen Angaben einziges Forschungszentrum in Deutschland zur seelischen Widerstandskraft gegen Stress.

Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass das Resilienz-Zentrum vor zwei Jahren in Mainz entstanden ist, das sich gern als Stadt der Lebensfreude sieht. Denn positiv zu denken, das ist nach Einschätzung des Wissenschaftlers wahrscheinlich einer der Faktoren, der verhindert, dass Menschen bei Stress vulnerabel, also verletzlich reagieren. So lautet der Gegenbegriff zu resilient, wo psychische und neurologische Schutzmechanismen gegen Stress aktiv werden.

Den inhärenten Abläufen im Gehirn widmet sich der 55-jährige Biochemiker schon seit Jahren. Etwa der Frage, wie das Gedächtnis funktioniert und wie der Körper Stress verarbeitet. Etliche Faktoren zur Förderung von Resilienz wurden bereits identifiziert wie Charaktereigenschaften, kognitive Fähigkeiten oder auch soziale Unterstützung. “Wir wollen ein Framework entwickeln, welches nicht eine Liste von Resilienzfaktoren beschreibt, sondern ein System in die Forschung bringt, in dem generell wirksame Resilienzmechanismen beschrieben werden sollen”, erklärt Lutz.

Der Direktor des Instituts für Physiologische Chemie an der Universitätsmedizin Mainz forscht seit etwa 15 Jahren über Endocannabinoide: Das sind körpereigene Botenstoffe, die ähnlich wie Haschisch wirken und im Gehirn Schutzmechanismen aktivieren können – etwa indem sie Reaktionen dämpfen und so eine Balance zwischen unterschiedlichen Erregungszuständen herbeiführen. Sie können auf diese Weise auch ein Faktor für die Resilienz sein.

Die Idee, diese zum Forschungsschwerpunkt zu machen, entstand etwa 2012. Das Resilienz-Zentrum ist bislang ein Verbund von Forschern verschiedener Disziplinen. Um das Zentrum mit einer breiteren Finanzierung dauerhaft zu verankern, könnte es in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen werden. Dazu müsste Rheinland-Pfalz einen entsprechenden Antrag an die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern stellen.

Im Mai billigte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) einen neuen Sonderforschungsbereich zur Resilienz-Forschung mit Fördermitteln von 12,1 Millionen Euro für vier Jahre. Schon im Titel des Programms unter Federführung von Professor Lutz wird die Aufgabe genannt: “vom Verstehen der Mechanismen zum Fördern der Prävention”. Neben den Mainzer Forschern wirken auch Frankfurter Wissenschaftler mit, in der Goethe-Universität und im Max-Planck-Institut für Hirnforschung.

“Prävention statt Therapie ist unser Anliegen”, sagt Lutz. “Wir wollen Probleme erkennen, bevor sie zum Ausbruch kommen.” Angesichts der hohen Kosten von stressbedingten Erkrankungen wie Burnout-Syndrom, Angstzuständen und Depressionen wäre es volkswirtschaftlich überaus sinnvoll, rechtzeitig vorzubeugen. “Resilienz ist nicht in die Wiege gelegt”, sagt Lutz. “Das ist ein dynamischer Prozess, das kann man lernen.”

Methodisch nähern sich die Forscher dem Geheimnis der Resilienz auf ganz verschiedenen Wegen. In einer jetzt beginnenden Langzeitstudie werden rund 1200 Menschen über mindestens vier Jahre hinweg begleitet, um ihre Stresserfahrungen im realen Leben zu erfassen und zusammen mit psychologischen und neurologischen Faktoren zu analysieren. “Das ist weltweit ein Novum”, sagt Lutz zu diesem Forschungsprojekt.

Auch Tierversuche gehören zum Instrumentarium der Forscher – etwa mit einem Zebrafisch, der simulierten Vogelangriffen ausgesetzt wird, oder einer Maus, die mit Angriffen einer stärkeren Maus gestresst wird. Dabei kann untersucht werden, ob einzelne Gene, neuronale Netzwerke oder bestimmte Neurotransmittersysteme (mit Botenstoffen, welche an den Synapsen Erregungen von einer Nervenzelle auf andere übertragen) Resilienz unterstützen.

Die Erforschung von Resilienz wird im neuen Schuljahr auch Thema für zwei Gymnasien in Bad Dürkheim und Nieder-Olm sein. Die Schülerinnen und Schüler könnten so mit wissenschaftlichem Arbeiten vertraut werden, erklärt Sandra Volz, Lehrerin am Werner-Heisenberg-Gymnasium in Bad Dürkheim. Die eigene Resilienz zu stärken, sei kein erklärtes Ziel des Projekts. “Sehr wohl kann aber ein Einblick in diese Thematik zu einer Beschäftigung mit der eigenen Person führen und den Blick für die eigenen Stärken schärfen.”

Im Arbeitsleben muss sich Resilienz etwa bewähren, “wenn ein Chef die Untergebenen sehr traktiert und großen Stress macht”, erklärt Wissenschaftler Lutz. “Dann haben wir dieselbe Situation wie bei den Mäusen – es ist klar, dass man dann einen solchen Chef meidet und nichts mit ihm zu tun haben will.”

Letztlich zielen die Erkenntnisse der Resilienzforschung auch auf gesellschaftliche Veränderungen ab – auf Konsequenzen für die Organisation der Arbeit mit dem Ziel, Erkrankungsrisiken zu verringern. “Deswegen haben auch Unternehmen an den Ergebnissen unserer Arbeit ein ganz hohes Interesse.”