Sommer, Sex und STI: Riskante Liebe auf Festivals?

Was sind die Gründe für eine Zunahme sexuell übertragbarer Infektionskrankheiten im Sommer? Wir richten den Blick nach Deutschland, in die USA und nach Australien.

Sexuell übertragbare Krankheiten: globaler Anstieg zu verzeichnen

Besonders die Altersgruppe von 16 bis 29 Jahren ist einer australischen Studie zufolge von STI betroffen. Ein großes Problem ist das fehlende Wissen bei den unter 20-Jährigen zu sexuell übertragbaren Krankheiten.1 Auch scheint ein schlechter psychischer Gesundheitszustand eine wichtige Rolle zu spielen.2 Doch nicht nur auf der Südhalbkugel ist diese Thematik relevant. Hierzulande nehmen die Syphilisfälle stetig zu. Dies machte die deutsche STI-Gesellschaft am 20. Juli bekannt.3

Die häufigsten bakteriellen STI in Deutschland und ihre Langzeitfolgen

In Deutschland zählen die durch Chlamydien verursachten Infektionen mit etwa 300.000 Diagnosen pro Jahr zu den häufigsten bakteriellen STI. Infektionen mit Chlamydien können bei den betroffenen Frauen durch Verklebung der Eileiter zur Infertilität führen. Auch bei Männern können diese intrazellulär anzutreffenden Bakterien Schaden anrichten, indem sie in die Prostata, Nebenhoden und Hoden wandern.3 Doch nicht nur die Geschlechtsorgane können betroffen sein. In seltenen Fällen kann es auch zu einer postinfektiösen reaktiven Arthritis kommen. Nach den Chlamydien folgen an zweiter Stelle mit rund 25.000 bis 30.000 Diagnosen pro Jahr die durch Neisseria Gonorrhoeae ausgelösten bakteriellen STI. Syphilis befindet sich zwar mit etwa 8.000 Diagnosen pro Jahr an dritter Stelle, die Erkrankungsfälle nehmen jedoch stetig zu. Die Gonorrhoe und die Syphilis können sich systemisch ausbreiten. Vor allem die in Stadien verlaufende Syphilis kann enorme Schäden im Körper verursachen. Neben dem primären Infektionsherd und hochinfektiösen Hauterscheinungen kann es zur Beteiligung des Nerven- und Gefäßsystems kommen. Parästhesien, Gedächtnisstörungen bis hin zu Verkalkungen und Aneurysmen können hiervon die Folge sein.3

Die Rolle von COVID-19 bei STI in den USA

Man sollte meinen, dass die Isolation und Kontaktbeschränkungen während der COVID-19-Pandemie dazu beigetragen haben, dass STI seltener übertragen werden. Eine US-amerikanische epidemiologische Studie hat mit Hilfe der national repräsentativen Youth Risk Behavior Surveys das Sexualverhalten und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit für die Jahre 2019 und 2021 bestimmt. Hier zeigte sich, dass die Prävalenz von STI-Tests von 20,4 % auf 15,3 % sank. Bei den HIV-Tests war eine Abnahme von 9,4 % auf 5,8 % zu beobachten gewesen. Es ist unklar, ob dieser abnehmende Wille zur Durchführung von STI-Tests mit den damals ständig notwendigen COVID-19-Testung zusammenhängt. Klar ist auf jeden Fall, dass der Rückgang der STI-/HIV-Tests bei Jugendlichen Gefahren mit sich bringt.5

Riskantes Sexualverhalten in Australien

Schauen wir von der Nordhalbkugel wieder rüber auf die Südhalbkugel nach Australien. Hier hat die Prävalenz von sexuell übertragbaren Infektionen (STI), ungeschütztem Sex und Schwangerschaftsabbrüchen bei jungen Menschen im Alter von 16 bis 29 Jahren stetig zugenommen. Bereits 2007 wurde die Rolle von Musikfestivals bei riskantem Sexualverhalten junger Menschen untersucht. Mit Hilfe eines Fragebogens wurden die im Durchschnitt 20-jährigen Besucher des Musikfestivals „Big Day Out“ zu ihrem Sexualverhalten befragt. Fast 40 % der Befragten benutzten kein Kondom beim Geschlechtsverkehr. 48 % hatten mehrere Partner und 66 % einen neuen Partner in den letzten 3 Monaten gehabt. Bei 43 % aller Teilnehmer mit sexueller Erfahrung war der Grund dafür, dass sie kein Kondom benutzt hatten, dass sie high oder betrunken waren. Ein großes Problem war das insgesamt geringe Wissen über sexuell übertragbare Krankheiten gewesen. Dies galt vor allem für junge Männer aus ländlichen Gebieten oder mit geringer Schulbildung.6 Eine australische Studie aus dem Jahr 2016 konnte zeigen, dass ein schlechter psychischer Gesundheitszustand ebenso eine wichtige Rolle für riskantes Sexualverhalten für die Altersgruppe 15-29 Jahre spielt.2

STI-Aufklärungs-Kampagne in Australien von Erfolg gekrönt

Im Jahr 2021 wurde eine Studie veröffentlicht, die den Einfluss der „Down to Test (DTT)"-Kampagne – einer Social-Marketing-Intervention zu STI – auf junge Menschen im Alter von 15-29 Jahren untersucht hat. Diese Kampagne wurde im Rahmen von Musikfestivals im Freien durchgeführt und durch digitale Medienkommunikation unterstützt. Ziel dieser Kampagne war es, mittels maßgeschneiderter Botschaften das Zielpublikum zu erreichen und die Verbreitung von STI zu reduzieren. Untersucht wurden junge Festivalgänger zwischen Oktober 2017 und März 2020, die insgesamt 14 Musikfestivals besucht hatten. Bei den Studienteilnehmern zeigten sich bei 2,8 % Chlamydien in der Urinprobe. Man muss dazu sagen, dass hauptsächlich Frauen an der Studie teilnahmen (73,4 %), was einen wichtigen Bias darstellt. Die Raten der selbstberichteten lebenslangen STI-Tests (70,4 %) und die Absicht, sich in Zukunft auf STI untersuchen zu lassen (39,0 %) waren hoch gewesen. Die Forschungsgruppe schloss hieraus, dass die landesweite DTT-Kampagne weitgehend sexuell aktive Jugendliche erreichen und so zu einem verbesserten STI-Screening beitragen konnte.1

Feiern bis der Arzt kommt

Werfen wir nun auch nochmal einen Blick nach Europa, genauer gesagt nach Österreich. Hier hatten es STI sogar in die Medien geschafft. Letzten Sommer konnte eine rasante Ausbreitung von STI auf Festivals bzw. Massenevents beobachtet werden. Neben STI wurden auch Influenza, Masern, Mumps und das Norovirus auf Festivals vermehrt verbreitet.6 In Deutschland schafften es die STI ebenso diesen Sommer in die Medien. Hier standen vor allem Syphilis, Chlamydien und Hepatitis im Vordergrund.7 Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat letzten Sommer am 10. Juni ein Merkblatt (Stay Safe!) mit Tipps zum Schutz vor STI veröffentlicht. Neben STI wurde auch über Affenpocken und SARS-COV-2 informiert und gewarnt. Dieses Merkblatt wurde als „idealer Begleiter für Teilnehmer:innen von Großveranstaltungen, Festivals und Feiern“ betitelt und steht als PDF online zur Verfügung.8

Referenzen:
  1. Janssen M. et al. (2021). STI testing among young people attending music festivals in New South Wales, Australia: exploring the client segmentation concept in the 'Down to Test' program. Sex Health. 2021 Nov;18(5):405-412. 
  2. Carrotte ER. et al. (2016). Mental Health and Associated Sexual Health Behaviours in a Sample of Young People Attending a Music Festival in Melbourne, Victoria. Community Ment Health J. 2016 Nov;52(8):1082-1088.
  3. https://www.dstig.de/wp-content/uploads/2023/07/Syphilis-Tripper-Chlamydien-Warum-sexuell-uebertragbare-Krankheiten-zunehmen-SZ-Magazin.pdf
  4. Klingebiel S. et al. (2021). Postinfektiöse reaktive Arthritis nach Chlamydieninfektion im Leistungssport : Klinisches Management und aktuelle Literaturübersicht [Postinfectious reactive arthritis after chlamydia infection in competitive sports : Clinical management and current literature review]. Orthopade. 2021 Mar;50(3):179-187. German.
  5. Szucs LE. et al. (2007). Role of the COVID-19 Pandemic on Sexual Behaviors and Receipt of Sexual and Reproductive Health Services Among U.S. High School Students — Youth Risk Behavior Survey, United States, 2019–2021. MMWR Suppl 2023;72(Suppl-1):55–65.Lim MS. et al. (2007). Sexual-risk behaviour, self-perceived risk and knowledge of sexually transmissible infections among young Australians attending a music festival. Sex Health. 2007 Mar;4(1):51-6. 
  6. https://www.oe24.at/buzz24/diese-krankheiten-breiten-sich-auf-festivals-rasend-aus/521868104
  7. https://sz-magazin.sueddeutsche.de/gesundheit/syphilis-tripper-aids-hiv-geschlechtskrankheiten-brockmeyer-aufklaerung-92920?reduced=true
  8. https://www.sozialministerium.at/Services/Neuigkeiten-und-Termine/Archiv-2022/Juni-2022/merkblatt-uebertragbare-krankheiten.html