Viele Patienten haben kein Verständnis für lange Wartezeiten in Kliniken

Die Notaufnahmen sind überfüllt - in Mainz, in Koblenz, in Ludwigshafen, in Worms, in Kaiserslautern. Oft sitzen dort Patienten, die nicht akut behandelt werden müssten. Für sie gibt es eigentlich andere Orte.

Die Notaufnahmen sind überfüllt - in Mainz, in Koblenz, in Ludwigshafen, in Worms, in Kaiserslautern. Oft sitzen dort Patienten, die nicht akut behandelt werden müssten. Für sie gibt es eigentlich andere Orte.

In der Notaufnahme des Katholischen Klinikums Mainz (KKM) sind oft alle Stühle belegt. Manchmal durchqueren bis zu 190 Patienten am Tag die Türen. Im vergangenen Jahr hätten sie 29 800 Notfälle behandelt, sagt Torsten Schmitt, Leiter der Notaufnahme. "Jedenfalls fühlt sich jeder, der hierherkommt, als ein Notfall. Sie haben ja ein Problem, Schmerzen, Angst - wir können sie nicht wegschicken." Aber wirklich ein "Notfall" - also Patienten, die sehr schnell einen Arzt brauchen - sind nur zehn Prozent.

"Die Patienten haben kein Verständnis, lange zu warten und wollen sofort einen Facharzt sehen", berichtet Schmitt. "Beleidigungen und ein rauer Umgangston häufen sich bei den Wartenden." Selbst Handgreiflichkeiten kämen vor, meist durch Betrunkene. Dabei sähen Ärzte und Pfleger immer wieder die gleichen Patienten.

An Festtagen wie Silvester und Fastnacht komme es besonders häufig zu Übergriffen. An solchen Tagen sei deshalb ein Sicherheitsdienst im Haus, erklärt eine Sprecherin des KKM. An anderen Tagen könne der Sicherheitsdienst bei Ausschreitungen gerufen werden. Außerdem durchlaufen die Mitarbeiter der Notaufnahme Deeskalationsschulungen.

Mit diesem Problem ist das KKM keineswegs alleine. Die Universitätsmedizin Mainz und das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein in Koblenz beobachten ebenfalls ein aggressiveres Verhalten in der Notaufnahme als Folge langer Wartezeit. "Körperliche Übergriffe kommen ungefähr fünf Mal im Jahr vor, heftige Beleidigungen etwa fünf Mal im Monat", berichtet Eva Ehmke, Sprecherin des Klinikums Worms.

Im Klinikum Ludwigshafen wiederum sei im vergangenen Jahr sieben Mal der Sicherheitsdienst gerufen worden, teilte eine Sprecherin mit. Auch hier berichtet das Pflegepersonal von zunehmender Anspannung, die mit dem steigenden Andrang zunehme. Etwa 50 000 Patienten ließen sich im vergangenen Jahr in der Notaufnahme in Ludwigshafen behandeln.

Das Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern meldete im gleichen Zeitraum zwei Übergriffe, neben zahlreichen kleineren Rangeleien und Beleidigungen - die aus Zeitgründen nicht einmal dokumentiert werden. "Es gibt eine Zunahme solchen Verhaltens. Bedingt vor allem, dass leider zwei Drittel der Patienten die Notaufnahme als Arztpraxis missverstehen", sagt Hanna-Maria Weills vom Westpfalz-Klinikum.

Patienten in der Notaufnahme werden nicht nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffen behandelt, sondern nach Dringlichkeit. Im KKM kommen die Menschen nach ihrer Ankunft zuerst in einen speziellen Raum, wo geschultes Personal sie in Kategorien einteilt. Jeder Patient wird mit Name und Fragebogen aufgenommen und per Computerprogramm durch ein Farbsystem markiert. Dadurch ist klar, wann welcher Patient eine Schwester, einen Arzt oder ein Röntgengerät gesehen haben muss. Schmitt führte das System 2013 ein.

Kategorie eins heißt: akut lebensbedrohlich und sofort handeln. Menschen in Kategorie zwei sollen einen Arztkontakt nach zehn Minuten haben. Mit Abstufungen geht es hinunter bis zu Kategorie fünf. Patienten, die so einklassifiziert wurden, können auch mal bis zu acht Stunden warten, bis sie einen Arzt sehen. Diese Wartezeit lässt auch manche Geduldigen aus der Haut fahren.

Für diejenigen, die Zeit haben, sei die Notaufnahme eigentlich nicht da, sagt Schmitt. Neben dem Krankenhaus und dem Hausarzt gebe es zum Beispiel noch den ärztlichen Bereitschaftsdienst, doch der sei den Bürgern oft nicht bekannt. Dabei solle er die Notaufnahme von allen nicht-lebensbedrohlichen Fällen außerhalb der Öffnungszeiten der Hausärzte entlasten. In der Realität sieht das anders aus. "Unser System ist zu kompliziert", resümiert Schmitt.

400 000 Patienten pro Jahr kommen in die 48 Bereitschaftspraxen der Ärzte in Rheinland-Pfalz. Das macht 8300 Fälle pro Praxis - deutlich weniger als in den 88 Notaufnahmen des Landes. "Wir versuchen auf die Bereitschaftsdienste aufmerksam zu machen", sagt Rainer Saurwein von der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP). "Aber es gibt Menschen, die wir trotzdem nicht erreichen."

Außerdem sei die Notaufnahme für viele Menschen besser zu erreichen - und biete zudem eine Rundumversorgung vor Ort, die die Bereitschaftspraxen nicht leisten könnten. "Wir schlagen vor, dass auch in der Notaufnahme direkt Aufklärung geleistet wird. Und wer trotzdem mit einem geringfügigen Leiden dort behandelt werden will, sollte eine Selbstbeteiligung zahlen", schlägt Saurwein vor. Die solle zwar nicht hoch sein, aber ein solches Vorgehen sei fair und könnte die Notaufnahmen entlasten.