Werden Medikamente durch TTIP teurer?

Was bringt das TTIP-Abkommen? Über diese Frage streiten Gegner und Befürworter erbittert. Schaut man sich die Pharmabranche an, wird klar: Die Suche nach Antworten gleicht einem Stochern im Nebel.

Was bringt das TTIP-Abkommen? Über diese Frage streiten Gegner und Befürworter erbittert. Schaut man sich die Pharmabranche an, wird klar: Die Suche nach Antworten gleicht einem Stochern im Nebel.

Es wird heftig darüber gestritten, aber worum es genau geht, wissen die wenigsten: Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA sind ein politisches Reizthema mit vielen Unbekannten. Trotzdem stemmen sich Industrievertreter vehement gegen die Kritik von TTIP-Gegnern. Auch die Pharmabranche macht sich für das Abkommen stark. Unklar ist allerdings, wer hier von einer umfassenden Freihandelsvereinbarung mehr profitieren würde – Patienten oder Konzerne.

Worum geht es bei TTIP eigentlich für die Pharmaindustrie? Die Unternehmen wollen, dass zum Beispiel bei der Zulassung von Medikamenten Studien nicht doppelt gemacht werden müssen – ähnlich wie bei mehrfachen Tests oder Standards etwa in der Autobranche.

Auch in Arzneifabriken sollen nicht immer Gesundheits-Kontrolleure aus den USA und der EU nacheinander anrücken müssen, um die gleichen Dinge zu prüfen. Beide Punkte sind Forderungen der Pharmaindustrie – und beide Punkte nimmt die EU mit in die TTIP-Verhandlungen. Sie stehen in den kurzen Strategiepapieren der Staatengemeinschaft.

“Dieses Abkommen ist für Europa, besonders Deutschland, eine große Chance”, sagt der Chef des Darmstädter Medikamentenherstellers Merck, Karl-Ludwig Kley. “Unternehmen wie Merck würden von harmonisierten Regeln profitieren, beispielsweise in der Arzneimittel-Zulassung. Verbraucher würden durch niedrige Preise Geld sparen.”

Doch ganz so sicher ist das nicht. Es gibt auch Experten, die genau das Gegenteil befürchten. Denn Preise für Medikamente werden nach unterschiedlichen Logiken festgesetzt. “In Europa herrscht ein deutlich größerer Kostendruck”, erklärt Afschin Gandjour, Professor für Gesundheitsökonomie an der Frankfurt School of Finance.

“In Europa muss in der Regel der Zusatznutzen von neuen Medikamenten demonstriert werden”, sagt Gandjour. Nur dann zahlen Kassen auch einen höheren Preis als für das alte Mittel. “Was kann das neue Mittel besser als ein altes? Darauf müssen auch Studien ausgerichtet werden.” In den USA könnten Pharmakonzerne den Preis dagegen weitgehend selbst festlegen – überwiegend orientiert am Markt.

Würde die EU hier auf die USA zugehen – und das hält Gandjour für die wahrscheinlichere Variante –, dann könnte das dem Experten zufolge zwei Konsequenzen haben: “Es dürfte schneller gehen, bis Patienten ein neues Medikament erstattet bekommen, aber es würden auch mehr Schein-Innovationen auf den Markt kommen.” Pillen also, die zwar anders wirken, aber am Ende nicht viel mehr bringen als die alten.

Auch Jörg Schaaber von der industriekritischen BUKO Pharma-Kampagne warnt: “Unsere Befürchtung ist, dass es schwieriger wird, unsinnige oder weniger wirksame Produkte von der Erstattung auszuschließen.”

Die konkreten Folgen eines TTIP-Abkommens abzuschätzen, ist aber schwierig. Zu wenig haben die Verhandlungspartner bislang zu den Inhalten der Gespräche veröffentlicht.

Klar ist: Die EU und die USA wollen Standards angleichen. Geredet wird vor allem von der Medikamenten-Zulassung. Hersteller müssen sowohl in den USA als auch in der EU Studien vorlegen, um die Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Medikamente zu belegen.

Geprüft werden diese Studien von den jeweiligen Gesundheitsbehörden, schon jetzt nach recht ähnlichen Kriterien. Die meisten Medikamente, die in den USA zugelassen werden, kommen bereits auch in Europa auf den Markt und umgekehrt.

An diesen Sicherheitsstandards wollen die Pharmaunternehmen nicht rütteln, heißt es in einem Papier des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller. Der Branche geht es nun vor allem um die Angleichung von Details. Wo genau sich Anforderungen ähnlicher werden sollen, dazu macht der Verband keine Angaben. Die Unternehmen erhoffen sich jedenfalls Einsparungen im teuren Zulassungsprozess.

Doch würden davon auch die Patienten profitieren? Ökonom Gandjour hält es für unwahrscheinlich, dass Einsparungen an die Versicherten weitergegeben würden: “Insgesamt würden die Kosten für das Gesundheitssystem wohl steigen.”

Das könnte zum Beispiel passieren, wenn sich beide Vertragspartner darauf einigen, neue, innovative Medikamente besonders zu fördern. Doch was am Ende tatsächlich bei den Verhandlungen herauskommt, wissen bislang weder die Befürworter noch die Gegner von TTIP.

Text: dpa /fw