Wochenrückblick Gesundheitspolitik: Mehr Geld für Ärzte und Arzneimittel

Das GKV-Defizit für 2024 fällt niedriger aus als erwartet, das Ausgabenvolumen für Arzneimittel steigt und es laufen Tarifverhandlungen bei Helios - was in der KW 41 gesundheitspolitisch wichtig war.

Schätzerkreis: GKV-Defizit 2024 niedriger als erwartet

Der Schätzerkreis, ein Expertengremium aus Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesamtes für soziale Sicherung und des GKV-Spitzenverbandes halten einen um 0,1 Prozentpunkte höheren Zusatzbeitrag von dann 1,7 Prozent im kommenden Jahr für möglich. Diese Berechnung beruht auf einer Prognose von Einnahmen, Ausgaben und der voraussichtlichen Zahl der Versicherten. Positiv für die GKV wirken sich die relativ stabile Beschäftigungslage trotz der Konjunkturflaute und die deutlich steigenden Tariflöhne aus.

Für dieses Jahr erwarten die Experten Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 278 Milliarden Euro. Das beinhaltet den regulären Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro, einen ergänzenden Bundeszuschuss von 2 Milliarden Euro, ferner ein Darlehen des Bundes, das spätestens Ende 2026 zurückgezahlt werden muss. Zu den Einnahmen zählen ferner eine Zuführung aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds von 5,3 Milliarden Euro sowie weitere 2,5 Milliarden Euro aus Finanzreserven der Krankenkassen. Die Zuweisungen aus dem Fonds an die Kassen belaufen sich auf 273,7 Milliarden Euro, ihre Ausgaben werden bei 297 Milliarden Euro liegen.

Diese werden 2024 voraussichtlich um 5,7 Prozent auf dann 314 Milliarden Euro steigen. Die Einnahmen des Gesundheitsfonds werden auf 283 Milliarden Euro steigen. Das beinhaltet den regulären Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro sowie eine Zuführung aus der Liquiditätsreserve in Höhe von 3,1 Milliarden Euro. Damit werden auch im kommenden Jahr noch bestehende Finanzreserven weiter abgebaut. Die Rücklagen des Gesundheitsfonds schrumpfen damit von 12 (Anfang 2023) auf 3,6 Milliarden Euro.

Angesichts weiter bestehenden Erhöhungsdrucks für die Beiträge fordert der GKV-Spitzenverband die Bundesregierung auf, seine Verantwortung für gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrzunehmen und zu finanzieren, insbesondere die Beitragszahlungen für Bezieher von Bürgergeld. Dringender Handlungsbedarf bestehe ferner bei der Verbesserung der Effizienz auf der Ausgabenseite.

Neben moderaten Beitragssatzerhöhungen kommt auf Besserverdienende eine zusätzliche Beitragslast hinzu: So steigt die monatliche Beitragsbemessungsgrenze um 3,8 Prozent auf 5.175 Euro. Die Versicherungspflichtgrenze liegt dann bei 5.750 Euro.

Bundesrechnungshof rügt extrabudgetäre Arzthonorare

Der Bundesrechnungshof bewertet die extrabudgetären Vergütungsteile für die vertragsärztliche Versorgung als ineffizient. Bei einem von 2009 bis 2022 von 30,8 auf 44,2 Milliarden Euro gestiegenen Honorarvolumen sei der außerhalb der MGV gezahlte Anteil von 22 auf 43 Prozent gewachsen.  Dazu beigetragen hat auch das Terminservicegesetz, von dem ein wichtiger Teil – die Neupatientenregelung – inzwischen wieder aufgehoben wurde. Allein das sorgt für Mindereinnahmen der Ärzte von 3,7 Milliarden Euro. Die Ärzte leisten damit einen erheblich höheren Entlastungsbeitrag für die Kassen als die Arzneimittelindustrie, für die ein Teil der Sparmaßnahmen überdies Ende dieses Jahres ausläuft.  Der Bundesrechnungshof empfiehlt, alle Vergütungsverbesserungen des TSVG abzuschaffen und warnt darüber hinaus vor der Aufhebung der Budgetierung der hausärztlichen Vergütung. Seine Ansicht nach sollte die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Rahmen der MGV der Normalfall sein.  

Starker Anstieg des Ausgabenvolumens für Arzneimittel geplant

KBV und GKV-Spitzenverband haben sich auf einen Anstieg des Ausgabenvolumens für Arzneimittel um 7,95 Prozent – 3,8 Milliarden Euro – geeinigt. Ursächlich für die starke Steigerung ist der um 5 Prozentpunkte sinkende gesetzliche Herstellerrabatt ab dem Jahr 2024, der vorübergehend aufgrund des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes auf 12 Prozent angehoben worden war. Zudem werden höhere Ausgaben aufgrund des ALBVVG erwartet, insbesondere durch Preiserhöhungen für Kinderarzneimittel und Antibiotika. Daneben wird auch die Kostenwirkung von neuen Arzneimitteln als Strukturkomponente berücksichtigt. Auf regionaler Ebene werden die Veränderungen der Versichertenzahl und -struktur verhandelt. 

Marburger Bund einigt sich mit Helios auf neue Gehaltstarife

Im Helios-Konzern arbeitende Ärzte erhalten in zwei Stufen insgesamt 8,8 Prozent mehr Gehalt.  Rückwirkend zum 1. April steigen die Gehälter um 4,8 Prozent, weitere vier Prozent plus folgen in Helioskliniken zum 1. Februar 2024. Im Bereich Helios werden darüber hinaus zwei Einmalzahlungen von je 1.500 Euro im November und Januar geleistet, bei Rhön fällt die zweite Einmalzahlung um 750 Euro geringer aus, dafür steigt das Gehalt ab Februar um 4,4 Prozent. Vereinbart wurden ferner Gehaltsverbesserungen bei kurzfristiger Inanspruchnahme sowie ein Anspruch auf Freistellung für Fortbildungen für fünf Tage im Kalenderjahr. Der Tarifvertrag läuft bis September 2024. Helios gestand bei den Verhandlungen auch einen Verzicht auf Maßregelungen für Ärzte zu, die sich im Rahmen von Warnstreiks engagiert hatten.

Hartmannbund: Keine Sozialversicherungspflicht für Ärzte im Bereitschaftsdienst 

Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, hat an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) appelliert, seinen Widerstand gegen eine gesetzliche Freistellung von Ärzten im Bereitschaftsdienst von der Sozialversicherungspflicht aufzugeben. Ärzte, die nicht Vertragsärzte sind und die sich im Bereitschaftsdienst der KVen engagieren, unterliegen nach der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsministeriums der Sozialversicherungspflicht. Weil dies strittig ist, wird darüber am 24. Oktober vor dem Bundessozialgericht verhandelt. Zugleich läuft eine Gesetzesinitiative des Bundesrates für eine Abschaffung der Sozialversicherungspflicht für Ärzte in Bereitschaftsdiensten. Der Hartmannbund unterstützt dies und warnt vor einer Kettenreaktion in der Notfallversorgung, sollten die Entgelte für Bereitschaftsdienste durch das BSK-Urteil definitiv sozialversicherungspflichtig werden.

Stark-Watzinger: Embryonenschutz- und Stammzellgesetz müssen auf den Prüfstand

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) plädiert dafür, nicht mehr zeitgemäße strenge Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes und des Stammzellgesetzes zu überprüfen und zu korrigieren. Das 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz verbietet Forschung an frühen humanen Embryonen grundsätzlich, die Forschung an und mit humanen embryonalen Stammzellen ist nur unter strengen Voraussetzungen des Stammzellgesetzes möglich. Nach einer Fachkonferenz des Ministeriums zog Stark-Watzinger das Fazit, dass diese Gesetze nicht mehr zeitgemäß sind. Stammzellforschung biete große Chancen zur Entwicklung wirksamer Therapien bei Volkskrankheiten wie Demenz, Diabetes oder Herzinfarkt. Bestehende Regulierungen behinderten die Zusammenarbeit deutscher Forscher mit internationalen Partnern. 

Insolvenzverwalter bestätigen: Immer mehr Kliniken vor Kollaps

Die über Jahrzehnte als konjunktur- und krisenresistent geltende Gesundheitsbranche beschäftigt zunehmend Insolvenzverwalter. Das wurde auf einer Konferenz des sogenannten Gravenbrucher Kreises, eines Zusammenschlusses führender Insolvenzverwalter, in Berlin bestätigt. Ursächlich bei Krankenhäusern seien Nachwirkungen der Pandemie, steigende Kosten vor allem für Energie und fehlende Investitionsmittel. Aktuell in die Insolvenz gegangen seien die katholische Kplus-Gruppe in Solingen, das Deutsche Rote Kreuz in Rheinland-Pfalz und Bayern sowie die St. Vinzenz-Kliniken in Paderborn. Auch in der stationären Altenpflege ist eine Reihe von Betreibern in die Insolvenz gegangen. Ursächlich hier sei der Fachkräftemangel, der zur Unterauslastung der Betten- und Wohnraumkapazitäten und entsprechenden Erlösausfällen führe, sowie steigende Kosten für meist gemietete Immobilien.

Neben mangelnder Modernisierung ist bei Krankenhäusern die inzwischen auf durchschnittlich 65 Prozent gesunkene Auslastung für die Misere ursächlich. Das Bundesgesundheitsminister verweist auf Experten, die erwarteten, dass bis zu 25 Prozent der Kliniken in die Insolvenz gehen – trotz hoher Subventionen des Bundes. Allein die Corona-bedingten Unterstützungszahlungen des Bundes an die Krankenhäuser beliefen sich auf 21,5 Milliarden Euro; hinzu kommen aktuell sechs Milliarden Euro zur Abfederung gestiegener Energiekosten. Ferner können Kliniken ihre Pflegepersonalkosten seit Jahresbeginn vollständig auf die Krankenkassen abwälzen – dies hat zu einem Anstieg der Ausgaben für die stationäre Versorgung in der ersten Jahreshälfte 2023 von sieben Prozent geführt, die Personalausgaben für Pflege stiegen um 12 Prozent.