Das Langzeitgedächtnis der Lunge vergisst SARS-CoV-2 nicht so schnell

Die Schaffung eines weltweiten immunologischen Gedächtnisses könnte diese COVID-19-Pandemie beenden. Neben den für das virale Spike (S)-Protein spezifischen neutralisierenden Antikörpern besitzt das virusspezifische T- und B-Zellgedächtnis ebenso Potenzial in der langfristigen Bekämpfung von SARS-CoV-2.

Die Schaffung eines weltweiten immunologischen Gedächtnisses könnte diese COVID-19-Pandemie beenden. Neben den für das virale Spike (S)-Protein spezifischen neutralisierenden Antikörpern besitzt das virusspezifische T- und B-Zellgedächtnis ebenso Potenzial in der langfristigen Bekämpfung von SARS-CoV-2.

Der menschliche Körper besitzt verschiedene Mechanismen, um sich vor Pathogenen zu schützen. Im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion leidet das Lungengewebe unter der COVID-19-Erkrankung. SARS-CoV-2 infiziert die Atemwege und löst hier Immunreaktionen aus. Da verwundert es nicht, dass nach erfolgter und überstandener SARS-CoV2-Infektion sich an diesem Ort eine Art lokale Kommandozentrale bilden kann, um weitere Angriffe rechtzeitig abzuwehren. Darauf deuten auf jeden Fall die Forschungsergebnisse einer Gruppe von Wissenschaftler:innen aus New York hin. Der ortsspezifische Schutz der Lunge soll durch eine lokale Gewebekoordination des zellulären und humoralen Immungedächtnisses gegen SARS-CoV-2 gewährleistet werden. Wie die Forschungsgruppe auf diese Erkenntnis kam, erfahrt Ihr im heutigen und im kommenden Beitrag.1

Wieso reicht die Diagnostik des peripheren Bluts nicht aus?

Eine Problematik bei der Untersuchung menschlicher Immunreaktionen ist, dass die Gewinnung von Proben hauptsächlich aus dem peripheren Blut erfolgt. Die adaptive Immunantwort wird jedoch in einer ganzen Reihe von Geweben erzeugt. 

Die virusspezifischen CD4+- und CD8+-T-Gedächtniszellen können in heterogene Untergruppen unterteilt werden. Sie können gewebsresident oder auch zirkulierend sein. Die Gedächtniszellen befinden sich in den unterschiedlichen Geweben des menschlichen Körpers, die lymphoiden Organe miteingeschlossen, um die Schutzfunktion gegenüber den Eindringlingen aufrechtzuhalten. Aus diesem Grund entschied sich die Forschungsgruppe dazu, ihre Untersuchungen an dem Gewebe von menschlichen Organspender:innen durchzuführen.1

T-Zellen und COVID-19

Im menschlichen Organismus sind die meisten T-Zellen T-Gedächtniszellen. Je nach Lokalisation und Funktion zeigen sich hier unterschiedliche Gedächtniszellen. An Barrierestellen trifft man überwiegend gewebsresidente Gedächtniszellen an. In den lymphatischen Organen sind neben den gewebsresidenten Gedächtniszellen auch Effektor- und zentrale Gedächtnis-T-Zellen vorhanden. Die Zusammensetzung der Untergruppen des menschlichen T-Zell-Gedächtnisses ist spezifisch für das jeweilige Gewebe. Die gewebsresidenten T-Gedächtniszellen unterscheiden sich in ihrer Genexpression von den zirkulierenden T-Gedächtniszellen im peripheren Blut. Erst kürzlich konnten sowohl aktivierte gewebsresidente T-Gedächtniszellen als auch aktivierte Effektor-Gedächtnis-T-Zellen in den Atemwegen von Patient:innen mit einer schweren COVID-19-Erkrankung nachgewiesen werden. Die Forschungsgruppe um Peter Szabo hat sich die unterschiedlichen Immunprozesse in den Atemwegen und dem Blutkreislauf bei Patient:innen mit schwerer COVID-19-Erkrankung angeschaut und einige interessante Beobachtungen machen können: Höhere T-Zell-Frequenzen korrelierten mit dem Überleben und dem jüngerem Patientenalter. Im Bereich der Atemwege wiesen die myeloischen Zellen im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung hyperinflammatorische Eigenschaften auf. Eine höhere Anzahl dieser Zellen korrelierte mit der Sterblichkeit und dem Patientenalter.1-3

Wie lange hält das SARS-CoV-2-T-Zellgedächtnis? 

Die Erforschung der Gewebeimmunität gegen SARS-CoV-2 stellte aus folgendem Grund eine besondere Herausforderung für die Forschungsgruppe dar: Es durfte nur das Gewebe von zuvor infizierten, jedoch nicht von geimpften Organspender:innen verwendet werden. Die Untersuchung von SARS-CoV-2 seropositiven Organspender:innen im Alter von 10 bis 74 Jahren erbrachte interessante Einblicke in das Langzeitgedächtnis des menschlichen Körpers gegenüber dem neuen Coronavirus. Als Reaktion auf die SARS-CoV2-Infektion erzeugt der menschliche Körper CD4+ T-, CD8+ T- und B-Zellgedächtniszellen im Knochenmark, in der Milz, in den Lymphknoten sowie in der Lunge. Diese können dort bis zu 6 Monate nach der SARS-CoV2-Infektion verbleiben.1

Wo befinden sich die meisten SARS-CoV-2-Gedächtniszellen im Körper?

Am häufigsten fand die Forschungsgruppe SARS-CoV-2-spezifische T- und B-Gedächtniszellen im Lungengewebe und den lungenassoziierten Lymphknoten. Die hier entdeckten SARS-CoV-2-spezifischen T- und B-Gedächtniszellen korrelierten signifikant mit zirkulierenden und gewebeansässigen T- und B-Gedächtniszellen an allen Orten des menschlichen Körpers. In den lungenassoziierten Lymphknoten konnte die Forschungsgruppe auch noch 6 Monate nach dem Infektionsgeschehen SARS-CoV-2-spezifische Keimzentren nachweisen. Neben den Gedächtniszellen traf die Forschungsgruppe im Lungengewebe und den lungenassoziierten Lymphknoten SARS-CoV-2-spezifische follikuläre T-Helferzellen in einer beträchtlichen Anzahl an.1

Im kommenden Beitrag lernen wir diese interessante Studie im Detail kennen und werfen einen Blick auf die Behandlung von Long Covid Patient:innen.

Referenzen:
1. SARS-CoV-2 infection generates tissue-localized immunological memory in humans. Science Immunology (2021).
2. Szabo A. et al. (2021). Longitudinal profiling of respiratory and systemic immune responses reveals myeloid cell-driven lung inflammation in severe COVID-19. Immunity 54, 797–814.e6 (2021).
3. Liao M. et al. (2020). Single-cell landscape of bronchoalveolar immune cells in patients with COVID-19. Nat. Med. 26, 842–844 (2020).