Die Impfstoffentwicklung läuft auf Hochtouren

Der Wunsch nach einer effektiven und sicheren Impfung gegen COVID-19 könnte zum jetzigen Zeitpunkt größer nicht sein. Es ist trotzdem wichtig, dass neue Impfstoffe sorgfältig geprüft und das Nebenwirkungsprofil genau beurteilt wird.

Die messengerRNA bringt gute Nachrichten

Die Hoffnung auf ein zeitnahes Ergebnis liegt bei innovativen Technologien wie der mRNA-Impfstoffentwicklung. Die immunisierende Komponente in einem mRNA-Impfstoff ist nicht etwa ein attenuierter Erreger, sondern ein mRNA-Strang, der für das entscheidende Antigen des Krankheitserregers codiert. Das ist ein Vorteil gegenüber attenuierten Lebendimpfstoffen. Auch wenn das Risiko sehr gering ist, dass ein attenuiertes Impfvirus Schaden anrichtet oder übertragen wird, so zeigt uns der Immunologie-Beitrag vom 10.04.20, dass es auch traurige Gegenbeispiele gibt. Eine Immundefizienz ist nicht ohne Grund eine Kontraindikation für eine Immunisierung mit dem attenuierten Herpes-Zoster-Lebendimpfstoff.1-4

Virale Vektoren unterstützen die Menschheit im Kampf gegen pathogene Viren

Die Impfstoffentwicklung gegen COVID-19 ist auch mit Vektorviren möglich. Diese können durch gentechnische Modifikation Oberflächenproteine von COVID-19 erhalten, um im menschlichen Organismus eine Immunantwort gegen diesen Erreger auszulösen. Das Modifizierte Vaccinia-Virus Ankara oder das Adenovirus Serotyp 26 können als Basis hierfür genutzt werden. Das Modifizierte-Vaccinia-Virus-Ankara ist ein attenuiertes Pockenvirus, das replikationsinkompetent ist.5 COVID-19-Antigene könnten in das Genom dieses Vektorvirus eingeschleust werden. Das Ganze ist auch mit dem adenoviralen System möglich. Das Adenovirus Serotyp 26 hilft uns auch im Kampf gegen eine andere Geißel der Menschheit: das humane Immundefizienz-Virus Typ 1 (HIV-1).6

Die Impfstoffentwicklung gegen COVID-19 läuft auf Hochtouren

Laut der Weltgesundheitsorganisation sind mehr als 50 Impfstoffprojekte gegen das neue Coronavirus gestartet worden. Die Impfstoffentwicklung läuft in 6 Etappen ab: Bis es von der Analyse des Virus zur Massenproduktion des Impfstoffes kommen kann, muss der Impfstoff erst designt werden, im Tiermodell geprüft werden, an Freiwilligen getestet werden, bevor dann endlich die Zulassungsstudien initiiert werden können.7,8 Das dauert und das ist auch gut so, da wir uns ja einen sicheren Impfstoff ohne böse Überraschungen wünschen. Es gibt bereits einige Impfprojekte, die ihren Impfstoff an Freiwilligen seit Mitte März erproben. Sobald es hier was Neues gibt, erfahrt Ihr es in diesem Blog.

Shingrix® übertrumpft Zostavax®

Kommen wir nun zu den beiden Herpes-Zoster-Impfstoffen Shingrix® und Zostavax®. Dem Epidemiologischen Bulletin vom 07. September 2017 und vom 13. Dezember 2018 ist folgendes zu entnehmen: Der Subunit-Totimpfstoff Shingrix® zeigt bei Erwachsenen ab dem 50. Lebensjahr eine bessere Wirksamkeit gegenüber dem attenuierten Lebendimpfstoff Zostavax®. Auch bei der Impfschutzdauer kann Shingrix® punkten. Bei dem Totimpfstoff liegt die Wirksamkeit 4 Jahre nach der 2. Immunisierung bei Personen ≥ 70 Jahren bei fast 88%.9

Zostavax® zeigt einen altersbedingten Wirkverlust

Die Vakzine-Effektivität des Lebendimpfstoffs nimmt mit zunehmendem Alter ab. Doch gerade die ältere Bevölkerung benötigt einen guten Schutz vor einer VZV-Reaktivierung, da mit steigendem Alter das Immunsystem beeinträchtigt sein kann. Zostavax® zeigt eine altersabhängige Wirksamkeit gegen das Auftreten eines Herpes Zoster und einer PHN. Bei der Altersgruppe 50-59 liegt die Vakzine-Effektivität (VE) bei 70%. Mit zunehmendem Alter reduziert sich diese auf 41% in der Altersgruppe 70-79, um bei den Patientinnen und Patienten ≥ 80 Jahren eine VE von weniger als 20% zu erreichen. Der Schutz vor einer PHN sieht wie folgt aus: Die VE für die Altersgruppe 60-69 liegt bei 65% und für die Altersgruppe 70-79 bei 74%. Die VE zum Schutz vor einer PHN sinkt hier ebenfalls ab einem Lebensalter von 80 Jahren ab. Die Studie zur Prävention eines Herpes Zoster und die ZEST-Studie liefern Daten zur Impfschutzdauer von Zostavax®. Bereits im 2. Jahr nach Immunisierung fällt die VE zum Schutz vor einem Herpes Zoster von über 60% auf Werte unter 50% ab. Im 8. Jahr nach der Immunisierung ist kein Impfschutz mehr nachweisbar. 10-13

Shingrix® schützt auch im Alter vor einem Herpes Zoster

Anders sieht es erfreulicherweise bei Shingrix® aus. Auch hier zeigt sich zwar ein altersbedingter Wirkverlust, der jedoch nicht so stark ausgeprägt ist wie der Wirkverlust bei dem attenuierten Lebendimpfstoff. Die VE zum Schutz vor einem Herpes Zoster liegt bei 97% für die Altersgruppe 50-59 und 90% für Personen ≥ 80 Jahren. Die VE gegenüber einer PHN beträgt für die Altersgruppe 50-59 95% und sinkt auf einen Wert von 87% für die Altersgruppe von 70-79 ab. Ab einem Alter von 80 Jahren beträgt der Schutz vor einer PHN noch 44%. Die hohe Immunogenität von Shingrix® hat ihren Preis. 81% der geimpften Personen zeigen Lokalreaktionen und 20% Fieber für einige Tage. Wirft man einen Blick auf die Dauer und die Schmerzen, die ein Herpes Zoster und eine PHN mit sich bringen, so sind diese Impfreaktionen erträglich.9-11

Immunschwäche und Herpes-Zoster-Impfung: Ist das wirklich möglich?

Für den Lebendimpfstoff Zostavax® stellt eine angeborene oder eine erworbene Immundefizienz eine Kontraindikation dar. Anders sieht es bei dem Totimpfstoff Shingrix® aus. Durch eine Immunisierung mit Shingrix® kann auch die Bevölkerungsgruppe geschützt werden, die ein erhöhtes Risiko für eine VZV-Reaktivierung hat.12 In den Zulassungsstudien des adjuvanten Subunit-Totimpfstoffs zeigte sich eine gute Vakzine-Effektivität für Personen mit Vorerkrankungen wie einer rheumatoiden Arthritis, einem Diabetes mellitus, einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung oder auch mit einem chronischen Nierenleiden. Shingrix® wurde auch bei immungeschwächten Personen geprüft. Eine HIV-Infektion, der Zustand nach autologer Stammzelltransplantation oder auch nach einer Nierentransplantation stellen keine Kontraindikation für eine Immunisierung mit Shingrix® dar. Die Patientinnen und Patienten, die mit einer HIV-Infektion mit Shingrix® immunisiert worden waren, zeigten als systemische Impfreaktionen lediglich Muskelschmerzen, Fatigue und Kopfschmerzen. Auch bei Patientinnen und Patienten, die aufgrund einer Tumorerkrankung eine Chemotherapie erhalten hatten, konnte eine Immunisierung mit Shingrix® sicher und wirksam durchgeführt werden. Bei Patientinnen und Patienten nach Nierentransplantation zeigte sich keine Abstoßungsreaktion nach der Immunisierung mit Shingrix®. Zusätzlich zu den bereits bekannten Impfreaktionen Fatigue und Kopfschmerzen kam es bei je 1 Person, die eine autologe Stammzelltransplantation erhalten hatte zu Fieber und 105 Tage nach der 2. Immunisierung zu einer Pneumonie.14-16 Dem RKI zufolge sollte, wenn eine "immunsuppressive Therapie mit ausgeprägtem Effekt geplant ist, die Impfung mindestens 2-4 Wochen vor Beginn der immunsuppressiven Therapie abgeschlossen sein".17

Eine Schutzdauer von mindestens 10 Jahren kann mit Shingrix® erreicht werden

Aktuell besteht ja noch folgende Problematik: Durch die Lieferengpässe von Shingrix® erhielten einige Patientinnen und Patienten keine 2. Immunisierung. Idealerweise sollte die 2. Immunisierung ja spätestens 6 Monate nach der 1. Immunisierung erfolgen. Geschieht dies erst zu einem späteren Zeitpunkt, so ist mit einer reduzierten Vakzine-Effektivität und einer geringeren Schutzdauer zu rechnen. Zum jetzigen Zeitpunkt lassen die Immunogenitätsdaten vermuten, dass bei korrekt durchgeführtem Impfschema die Schutzdauer mindestens 10 Jahre betragen könnte.17

Nächstes Mal lernen wir den Ebola Zaire-Impfstoff Ervebo® kennen.

Referenzen:
1. Pardi N. et al. (2018). mRNA vaccines — a new era in vaccinology. Nat Rev Drug Discov. 2018 Apr; 17(4): 261–279. 
2. Altenburg A. F. et al. (2014). Modified vaccinia virus ankara (MVA) as production platform for vaccines against influenza and other viral respiratory diseases. Viruses. 2014 Jul 17;6(7):2735-61.
3. Zhang C. et al. (2019). Advances in mRNA Vaccines for Infectious Diseases. Front Immunol. 2019; 10: 594. 
4. Schlake T. et al. (2012). Developing mRNA-vaccine technologies. RNA Biol. 2012 Nov 1; 9(11): 1319–1330. 
5. Maxfield, L. F. et al. (2015) Attenuation of Replication-Competent Adenovirus Serotype 26 Vaccines by Vectorization. Clinical and Vaccine Immunology: CVI 22 (11): 1166-1175.
6. Berkowitz E. M. et al. (2014). Safety and Immunogenicity of an Adjuvanted Herpes Zoster Subunit Candidate Vaccine in HIV-Infected Adults: A Phase 1/2a Randomized, Placebo-Controlled Study. J Infect Dis. 2015 Apr 15;211(8):1279-87.
7. https://www.who.int/blueprint/priority-diseases/key-action/novel-coronavirus-landscape-ncov.pdf?ua=1 8. https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/woran-wir-forschen/impfstoffe-zum-schutz-vor-coronavirus-2019-ncov
9. Cunningham A. L. et al. (2016). Efficacy of the Herpes Zoster Subunit Vaccine in Adults 70 Years of Age or Older. N Engl J Med. 2016 Sep 15;375(11):1019-32.
10. Oxman M. N. et al. (2005). A vaccine to prevent herpes zoster and postherpetic neuralgia in older adults. N Engl J Med 2005; 352 (22): 2271–84 CrossRef MEDLINE.
11. Schmader K. E. et al. (2012). Efficacy, safety, and tolerability of herpes zoster vaccine in persons aged 50–59 years. Clin Infect Dis 2012; 54 (7): 922–8 CrossRef MEDLINE PubMed Central
12. Forbes H. J. et al. (2014). Quantification of risk factors for herpes zoster: population based case-control study. BMJ 2014; 348.
13. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/Zoster/Modellierung_Zoster_Impfung.pdf?__blob=publicationFile
14. Vink P. et al. (2017). Immunogenicity and Safety of a Candidate Subunit Adjuvanted Herpes Zoster Vaccine in Adults with Solid Tumors Vaccinated Before or During Immunosuppressive Chemotherapy Treatment: A Phase II/III, Randomized Clinical Trial. Open Forum Infectious Diseases 2017; 4 (Suppl 1): S417–8.
15. Vink P. et al. (2017). Immunogenicity and Safety of a Candidate Subunit Adjuvanted Herpes Zoster Vaccine (HZ/su) in Adults Post Renal Transplant: a Phase III Randomized Clinical Trial. Open Forum Infectious Diseases 2017; 4 (Suppl 1): S417.
16. Stadtmauer E. A. et al. (2014). A phase 1/2 study of an adjuvanted varicella-zoster virus subunit vaccine in autologous hematopoietic cell transplant recipients. Blood 2014; 124 (19): 2921–9. 17. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Faktenblaetter/Zoster.pdf?__blob=publicationFile.