Die nächste Schweinegrippe klopft an die Tür

Das Schwein stellt einen von vielen Zwischenwirten der Influenzaviren dar. Zoonosen haben immer schon eine Rolle in der Menschheitsgeschichte gespielt. In den letzten beiden Jahren hat ein ganz bestimmtes Coronavirus die Medien dominiert und uns gezeigt, wie einfach ein kleines Virus die Welt, wie wir sie kennen, aus den Angeln heben kann. Doch Coronaviren sind nicht die einzigen Viren, die uns Sorgen bereiten sollten.

Das Schwein stellt einen von vielen Zwischenwirten der Influenzaviren dar. Zoonosen haben immer schon eine Rolle in der Menschheitsgeschichte gespielt. In den letzten beiden Jahren hat ein ganz bestimmtes Coronavirus die Medien dominiert und uns gezeigt, wie einfach ein kleines Virus die Welt, wie wir sie kennen aus den Angeln heben kann. Doch Coronaviren sind nicht die einzigen Viren, die uns Sorgen bereiten sollten.

Für die Spanische Grippe war der Subtyp A/H1N1 des Influenzavirus verantwortlich gewesen. Mit seinem 3 Wellen forderte dieses Virus mehr Menschenleben als der Erste Weltkrieg. Eine Rekombination aus Gensegmenten von Influenzaviren des Zwischenwirt Schwein mit Gensegmenten des Influenzavirus des ursprünglichen Erregerreservoirs, dem Wildvogel, bildete höchstwahrscheinlich die Grundlage für die Entstehung des Subtypen A/H1N1 des Influenzavirus. Genetische und phylogenetische Analysen der Forschungsgruppe um Anhlan aus dem Jahr 2011 konnten das Mysterium über die Entstehung des Subtypen A/H1N1 des Influenzavirus lüften. Das Isolat des Influenzavirus aus dem Jahr 1918 ist eng verwandt mit frühen humanen und Schweine-H1N1-Isolaten. Gleichzeitig stellt es -aus einer evolutionären Betrachtungsweise gesehen- eine ganz neue Untergruppe dar, die sowohl mit Vogel- als auch Schweine-Influenzaviren verwandt ist.1-6

Was kommt als nächstes?

Für die kommenden möglichen Pandemien mit zoonotischem Ursprung wird - überspitzt ausgedrückt - das größte Raubtier der Welt, der Mensch, und sein Konsumverhalten verantwortlich sein. Aus immunologischer Sicht existieren bereits einige Kandidatinnen und Kandidaten, die durch Mutationen für die Menschheit gefährlich werden könnten. Hochpathogene Aviäre Influenzaviren (HPAIV) Subtyp H5N8 der Klade 2.3.4.4b haben dazu geführt, dass es weltweit zu Infektionen von Tieren in Geflügelzuchtbetrieben und Wildvögeln kam. Bei den wenigen betroffenen Menschen verlief die Infektion bisher asymptomatisch bis mild. Diese hatten zuvor engen Kontakt zu den erkrankten Tieren gehabt. Neben den Vögeln stellen auch Schweine geeignete Zwischenwirte für die Entstehung pandemischer Influenzaviren dar. Eine systemische Überwachung dieser Tiere gibt uns die Möglichkeit, rechtzeitig die Menschheit zu warnen und Maßnahmen zu ergreifen. Aktuell steht das reassortierte EA H1N1-Virus mit dem G4-Genotyp unter Beobachtung. Dieses Virus ist seit 2016 vorherrschend in den Schweinepopulationen. Besorgniserregend ist zudem, dass sich bei einigen Arbeitskräften der Schweinezuchtbetriebe bereits eine erhöhte Seroprävalenz für das G4-Virus zeigt. So waren 10,4% der beruflich exponierten Personen mit dem G4-Virus in Kontakt gekommen. Bei der Altersgruppe 18 bis 35 Jahre zeigten 20,5% der Personen Seropositivität für das G4-Virus. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass das G4-Virus eine erhöhte humane Infektiosität erworben hat.7

Das G4-Virus könnte sich zu einem Pandemiekandidaten-Virus entwickeln

Das G4-Virus ist ein reassortiertes eurasisches H1N1-Virus mit dem Genotyp 4, welches sowohl interne Gene der Pandemie 2009 (pdm/09) als auch das Triple-Reassortant (TR)-Virus in sich trägt. Was bedeutet das für uns im Klartext? Das G4-Virus bindet ähnlich wie auch die pdm/09-Viren an humane Rezeptoren und produziert innerhalb der respiratorischen Epithelzellen eine hohe Anzahl an Virusnachkommen. In Tierversuchen zeigte sich eine effiziente Infektiosität. Die Virusübertragung erfolgte über Aerosole. Ein weiterer Punkt sollte uns ein Weckruf sein: Es besteht eine nur geringe antigene Kreuzreaktivität mit uns bekannten menschlichen Influenza-Impfstämmen. Das bedeutet, dass eine bereits bestehende Immunität der Bevölkerung nach Immunisierung mit der jährlichen Grippeschutzimpfung keinen Schutz gegenüber den G4-Viren bietet.7 

Was können wir tun, um der Entstehung einer weiteren Pandemie entgegenzuwirken?

Wir sollten uns als allererstes die Frage stellen, ob die Massentierhaltung, wie sie aktuell an vielen Orten dieser Welt praktiziert wird, aus ethischer und auch aus immunologischer Sicht vertretbar ist. Wegschauen und abwarten ist hier nicht die richtige Strategie. Veränderungen brauchen Zeit und Zeit ist Mangelware in Anbetracht mit der aktuellen Situation, in der sich unser Planet befindet. "Lasche Vorgaben haben Deutschland zum einem Standort für Schweinezüchter und Schlachter gemacht", so die Überschrift eines Artikels im Handelsblatt vom 24.06.2020.8 Mangelnde Kontrollmaßnahmen haben dazu geführt, dass es immer wieder zu Tierschutz-Skandalen in Schweinmastbetrieben kommt.9 Verwundete und eng zusammengepferchte Tiere, die sich in einem feucht-warmen Klima befinden, machen es künftigen Viren mit Pandemiepotenzial leicht. Für die Schweinezuchtbetriebe sollte es daher eine genauere veterinäre sowie virale Überwachung geben.7

Referenzen:
1. Taubenberger J. K. et al. (2005). Characterization of the 1918 influenza virus polymerase genes. In: Nature. Band 437, 2005, S. 889–893.
2. Gibbs M. J. et al. (2006). Molecular virology: was the 1918 pandemic caused by a bird flu? Nature. 2006 Apr 27;440(7088):E8; discussion E9-10. 
3. Antonovics J. et al. (2006). Was the 1918 flu avian in origin? Nature. 2006 Apr 27;440(7088):E9; discussion E9-10.
4. Gammelin M. et al. (1990). Phylogenetic analysis of nucleoproteins suggests that human influenza A viruses emerged from a 19th-century avian ancestor. Mol Biol Evol 7: 194–200.
5. Gorman O. T. et al. (1990).  Evolution of the nucleoprotein gene of influenza A virus. J Virol 64: 1487–1497.
6. Anhlan D. et al. (2011). Origin of the 1918 pandemic H1N1 influenza A virus as studied by codon usage patterns and phylogenetic analysis. RNA. 2011;17(1):64-73. 
7. Sun H. et al. (2020). Prevalent Eurasian avian-like H1N1 swine influenza virus with 2009 pandemic viral genes facilitating human infection. Proc Natl Acad Sci U S A. 2020 Jul 21;117(29):17204-17210. 
8. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/toennies-westfleisch-und-co-die-schlachtindustrie-steht-nach-den-corona-ausbruechen-vor-einer-zeitenwende/25942686.html?ticket=ST-4313612-AqGOQgIoGfkJlHNPPpen-ap2
9. https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/ulm/neuer-schweinemastskandal-in-der-naehe-von-ulm-100.html