Podcast: Die paralysierende Wahrheit über Kinder mit Lepra

Die Stigmatisierung und Diskriminierung Leprakranker stellt noch immer ein großes Problem dar. Kinder sind von den Folgen der Erkrankung und der sozialen Ausgrenzung oft besonders schwer betroffen.

Die Stigmatisierung und Diskriminierung Leprakranker stellt noch immer ein großes Problem dar. Kinder sind von den Folgen der Erkrankung und der sozialen Ausgrenzung oft besonders schwer betroffen.

Am 24. Januar 2019 ist das Epidemiologische Bulletin des Robert Koch Instituts zum Welt-Lepra-Tag 2019 erschienen.1 In ihm wird diskutiert, ob die globale Lepra-Strategie 2016-2020 ihre Ziele bisher erreichen konnte und welche Einflussgrößen die Durchführung verhindern. Ein großes Problem stellt weiterhin die Stigmatisierung und Ausgrenzung der Erkrankten dar. In 37 Ländern ist es sogar gesetzlich erlaubt Lepra-Kranke gesellschaftlich auszugrenzen und zu diskriminieren. Kinder sind in solchen Ländern besonders schwer von den Folgen der Infektion mit dem Mycobacterium leprae betroffen. Die Vereinten Nationen prangern diese traurige Gegebenheit zwar an, aber wie viel Zeit wird verstreichen, bis der gesellschaftliche Sinneswandel die Situation der Kinder dieser Länder gebessert hat?

Zeit ist der limitierende Faktor

Die Zeit tickt für die Kinder mit Lepra. Je mehr Zeit ohne eine Therapie vergeht, desto größer werden die Opfer, die diese Kinder bringen müssen. Umgeben von einer gefühllosen Gesellschaft führt der Befall der Schwann-Zellen durch das Mycobacterium leprae zu einer immer weiter zunehmenden Gefühllosigkeit der Gliedmaßen der Kinder. In diesem Stadium kann es zu einem Verlust der Gliedmaßen sowie zu einem Verlust der Sehkraft kommen. Diese irreversiblen Schäden lassen sich durch eine Therapie im Frühstadium verhindern. Und als ob diese körperliche Benachteiligung der Kinder nicht schon schlimm genug ist wird den Kindern die schulische Bildung aufgrund ihrer Erkrankung verwehrt. Das gesamte Leben dieser Kinder wird durch die Erkrankung zerstört. Wir müssen uns fragen, welche Faktoren die Umsetzung der Lepra-Strategie 2016-2020 unmöglich gemacht haben und wie dagegen vorgegangen werden kann. Die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der Lepra-Strategie ist ein Sinneswandel der Menschen und eine Änderung der aktuellen Gesetzeslage in den betroffenen Ländern.1

Stigmatisierung aus religiösen Gründen

Lepra ist eine der ältesten Erkrankungen der Menschheit und so verwundert es nicht, dass der Umgang mit dieser Erkrankung sich in unterschiedlichen Religionen manifestiert hat. In den meisten Religionen wird die Lepra als eine Strafe Gottes angesehen. Die betroffenen Patientinnen und Patienten schämen sich für ihre Erkrankung und suchen daher gar nicht erst ärztliche Hilfe auf. Es ist ein Teufelskreis, denn ohne Therapie sind die Betroffenen kontagiös für ihre Nächsten. Zur religiösen Stigmatisierung gesellt sich noch der Aberglaube. In diesen Ländern ist eine Aufklärung der Gesellschaft notwendig. Kinder glauben meist alles, was die Erwachsenen ihnen erzählen. Wird einem 5-Jährigen deutlich gemacht, dass seine Erkrankung eine Strafe für die Sünden in einem früheren Leben ist, so wird er dies glauben. Wie soll er mit der Lebenserfahrung, die ihm bisher zuteilwurde, diese Aussage hinterfragen? Er nimmt sein Schicksal hin. Das könnte einer der vielen Gründe sein, wieso immer noch jede 12. Neudiagnose der Lepra ein Kind ist. Die Neuerkrankungsrate bei Kindern zeigt, dass die Strategie zur Transmissionsunterbrechung in den betroffenen Ländern nicht suffizient greift. Hinzukommt, dass die meisten Leprafälle bei Kindern unsichtbar bleiben, sodass von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss.1

Silent transmitters

Die Lepra hat eine lange Latenzphase, in der es ebenfalls zu einer Transmission kommen kann. Eine äthiopische Studie aus diesem Jahr hat sich mit Gründen für die weiterhin anhaltende Krankheitstransmission trotz Einführung der antibiotischen Kombinationstherapie befasst. Es wurden 2 Hypothesen aufgestellt. Die erste vergleicht die Erkrankungsphasen der Lepra mit der der Masernerkrankung. Bei den Masern beginnt die Ansteckungsfähigkeit 3-5 Tage vor dem Exanthem. Ähnlich könnte es sich auch bei der Lepra verhalten, wobei hier eine viel längere Latenzphase vorliegt. Die betroffenen Patientinnen und Patienten könnten für ein längeres Zeitintervall als "silent transmitters" vor dem Ausbruch klinischer Zeichen ansteckend sein. Hinzukommt, dass selbst nach Krankheitsausbruch oft Monate vergehen, bis medizinischer Rat hinzugezogen wird. Auch sind die klinischen Zeichen der Erkrankung im Frühstadium dezent. Es handelt sich hier um hypopigmentierte und sensibilitätsgestörte Makulae. Wir erinnern uns aus den letzten Beiträgen, dass die Lepra schwach kontagiös ist. Für eine Erregertransmission ist ein langanhaltender zwischenmenschlicher Kontakt notwendig. Subklinische diagnostische Tests, die die Lepra-Infektion vor dem Krankheitsausbruch erkennen könnten, würden die Transmissionsunterbrechung deutlich unterstützen. Aktuell wird an PCR- und T-Zell-basierten Methoden geforscht.1-3

Afrika hat es fast geschafft

Ein Problem bei der Diagnosestellung im Frühstadium stellt die fehlende Schulung des medizinischen Personals in den Lepra-Endemieregionen dar. Doch einige Länder geben uns Hoffnung, dass eines Tages die Leprastrategie greift und es nicht mehr zu Grad-2-Behinderungen kommen muss. Ein positives Beispiel hierfür sind Länder des afrikanischen Kontinents: Äthiopien, Uganda, Senegal, Nigeria und Tansania. Hier konnte durch intensive Schulungsmaßnahmen des medizinischen Personals und Einhaltung der antibiotischen Kombinationstherapie die Lepra ausgerottet oder wenigstens reduziert werden. Vor 2 Jahren erschien jedoch eine französische Studie, die darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Infektion mit dem Mycobacterium leprae unter Kindern in Senegal wieder anzutreffen ist.4

Im kommenden Beitrag befassen wir uns mit Studien zur antibiotischen Kombinationstherapie der Lepra und lernen den Impfstoff LepVax kennen.

Referenzen:
1.) Welt-Lepra-Tag 2019. (2019). Ein Jahr vor dem Ende der globalen Lepra-Strategie 2016-2020: Gelingt der erhoffte Durchbruch? Epidemiologisches Bulletin 4/2019.
2.) Saunderson P. (2019). Approaches and challenges in the prevention of leprosy. Ethiopian Medical Journal 2019, 57: 75 – 78.
3.) WHO: Global leprosy update, 2017: Reducing the disease burden due to leprosy. Weekly epidemiological record 2018; 93: 445 – 456
4.) Dioussé P et al. (2017). [Leprosy in children in the region of Thiès, Senegal: study determining whether or not it is a signal of recrudescence]. Pan Afr Med J. 2017 Jul 5;27:174.