Die Rolle des humanen Mikrobioms bei Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis

Das symbiotisch mit uns im Einklang lebende humane Mikrobiom erfüllt an den verschiedenen Barrierelokalisationen des Körpers vielfältige Aufgaben und schützt uns vor Infektionen mit pathogenen Keimen. Der gehobene Hygienestandard und eine urbane Lebensumgebung scheinen Einfluss auf die zunehmende Anzahl der Atopiker zu haben. Gleichzeitig beeinflussen diese Faktoren auch das intestinale Mikrobiom. Im heutigen Beitrag nehmen wir die Beziehung zwischen intestinalem Mikrobiom und der Atopie unter die Lupe.

Seit Ende März setzen wir uns mit dem Einfluss des humanen Mikrobioms auf die Entstehung atopischer Erkrankungen auseinander. Das symbiotisch mit uns im Einklang lebende humane Mikrobiom erfüllt an den verschiedenen Barrierelokalisationen des Körpers vielfältige Aufgaben und schützt uns vor Infektionen mit pathogenen Keimen. Der gehobene Hygienestandard und eine urbane Lebensumgebung scheinen Einfluss auf die zunehmende Anzahl der Atopiker zu haben. Gleichzeitig beeinflussen diese Faktoren auch das intestinale Mikrobiom. Im heutigen Beitrag nehmen wir die Beziehung zwischen intestinalem Mikrobiom und der Atopie unter die Lupe.

Die Hygienehypothese ist bisher am überzeugendsten

Verschiedene Studien weisen auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der verminderten Exposition gegenüber Bakterien in den frühen Kindheitsjahren und der Entstehung allergischer Krankheiten hin. Sie unterstützen damit die Hygienehypothese, die laut der Kommission Umweltmedizin das bisher überzeugendste Konzept darstellt, um die in den letzten Jahrzehnten steigende Prävalenz atopischer Erkrankungen in der Bevölkerung zu erklären.1-5

Wie kann das intestinale Mikrobiom nun mit Allergien in Verbindung gebracht werden? Die symbiotisch mit uns im Einklang lebenden Darmbakterien können indirekt die Immunzellen hemmen, die am Entstehungsprozess atopischer Erkrankungen maßgeblich beteiligt sind.  Doch wie genau funktioniert das?

Abnorm hohe IgE-Level bei Keimfreiheit

Im Mausmodell zeigten sich bei keimfreien Versuchstieren abnorm hohe IgE-Level.6-9 Wir wissen, dass die IgE-Konzentration (Immunoglobulin E) bei Autoimmunkrankheiten und atopischen Erkrankungen erhöht sein kann. Eine mögliche Erklärung hierfür, ist dass das intestinale Mikrobiom bei der Immunregulation und der Steuerung der IgE-Level eine Rolle spielt.

Ohne Mikrobiom wird das Immunsystem dysreguliert

Ein aus dem Jahr 2013 stammender wissenschaftlicher Beitrag hat den Einfluss des intestinalen Mikrobioms auf das IgE-Level untersucht. Keimfreie Mäuse und Mäuse mit einer geringen Biodiversität des Mikrobioms zeigten bereits in der jungen Lebensphase abnorm hohe IgE-Level. Bei neonatalen keimfreien Mäusen kam es im Bereich der Schleimhäute zu einem Isotypen-Switch (IgE) der B-Lymphozyten. Die Abwesenheit des symbiotischen Mikrobioms war mit einer Dysregulation des Immunsystems assoziiert. Die Forschungsgruppe schloss hieraus, dass ein bestimmtes Maß an bakterieller Biodiversität notwendig ist, um eine IgE-Induktion zu verhindern.9

Klimawandel, Luftschadstoffe, Mikrobiom und Allergien

Vor 2 Jahren wurde eine Studie publiziert, die den Zusammenhang zwischen Klimawandel, zunehmender Luftverschmutzung und der multifaktoriellen Entstehung atopischer Erkrankungen zu erklären versucht. Auch hier spielt das intestinale Mikrobiom neben anderen Einflussgrößen eine wichtige Rolle.10

Anthropozän: Das Zeitalter des Menschen wird verantwortlich gemacht für Allergien

Kennzeichnend für das Anthropozän ist die enorme Zunahme an Kohlenstoffdioxid, Ozon, Stickstoffoxid sowie Feinstaubpartikel in der uns umgebenden Atmosphäre. Diese Umweltfaktoren können die Allergene chemisch modifizieren, den oxidativen Stress innerhalb des menschlichen Körpers erhöhen und das Fundament für die Entstehung einer atopischen Erkrankung verstärken. Das Resultat ist die abnorme Antwort des adaptiven Immunsystems auf Allergene wie Pollen, Tierhaare oder Nahrungsmittelkomponenten.10

Allergene werden chemisch modifiziert

Der Klimawandel beeinflusst, wann und wie intensiv Pflanzen blühen und erhöht die Wahrscheinlichkeit für Staubstürme. An die feinen Staubpartikel, die dann durch die Luft gewirbelt werden sind auch organische Komponenten mit pathogener, allergogener oder adjuvanter Aktivität gebunden. Die chemische Modifizierung allergogener Partikel durch Luftschadstoffe ändert ihre strukturellen Eigenschaften. Davon ist auch ihr Bindungsverhalten an den MHC-II-Komplex und an Rezeptoren der Immunzellen betroffen. Die chemische Modifizierung zieht darüber hinaus epitope Effekte mit sich und erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine Agglomeration dieser Partikel.10

Das Mikrobiom vermittelt Toleranz gegenüber Aeroallergenen

Das Mikrobiom balanciert Th1- und Th-2-Antworten aus und nimmt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Immunsystems ein.11-12 Ein normales Mikrobiom im Kindesalter kann durch Induktion regulatorischer T-Zellen eine Toleranz gegenüber Aeroallergenen vermitteln.13 Veränderungen des intestinalen und des Mikrobioms der Atemwege wirken sich dementsprechend auch auf das Auftreten allergischer Erkrankungen aus.14-18 Der Vergleich des Mikrobioms der Atemwege bei gesunden Individuen mit dem Mikrobiom von Asthmatikern konnte Folgendes zeigen: Bei Asthma-Patienten ist eine höhere Anzahl an pathogenen Keimen (Haemophilus, Moraxella und Neisseria spp.) anzutreffen, wohingegen gesunde Individuen Bacteroidetes, Firmicutes und Protebacteria in ihren Atemwegen beherbergen.19-20 Bisher besteht in Forschungskreisen noch Uneinigkeit darüber, was Ursache und was Folge darstellt. Es wird vermutet, dass die zusammen mit Nahrungsmitteln aufgenommenen Luftschadstoffe das intestinale Mikrobiom und damit auch die Regulation des Immunsystems verändern können.21

Kann uns das Mikrobiom vor Allergien schützen?

Die Möglichkeit, das Mikrobiom zu identifizieren und zu katalogisieren sowie ein Ungleichgewicht in den bakteriellen Gemeinschaften (Dysbiosis) zu erkennen, bekräftigt die Hygienehypothese und bietet uns eine Möglichkeit, therapeutisch einzugreifen. Mittels PCR-Mikrobiomanalyse (PCR = Polymerase Chain Reaction) und anschließender Auswertung durch Computerprogramme können Stuhlproben von Patienten mit Referenzgenomen verglichen werden. Diese Referenzgenome können über die Human Microbiom Project-Datenbank abgerufen werden. Hierbei hat sich herauskristallisiert, dass eine hohe bakterielle Diversität Schutz vor endogenen Infektionen bieten kann. Durch die molekulargenetische Stuhldiagnostik kann eine gezielte Therapie mit Probiotika erfolgen, um Erkrankungen, die mit einer Dysbiosis in Zusammenhang gebracht werden konnten gezielt zu behandeln.

Nächstes Mal erfahren wir, ob Probiotika prophylaktisch/therapeutisch auch bei Erkrankungen des atopischen Formenkreises eingesetzt werden können.

Referenzen:
1. Raciborski F. et al. (2012).The relationship between antibiotic therapy in early childhood and the symptoms of allergy in children aged 6-8 years—the questionnaire study results. Int J Occup Med Environ Health. 2012;25:470–80.
2. Silvers K. M. et al. (2012). Breastfeeding protects against current asthma up to 6 years of age. J Pediatr. 2012;160:991–6. 
3. Roduit C. et al. (2009). Asthma and 8 years of age in children born by ceasarian section. Thorax. 2009;64:107–13.
4. Fujimura K. E. et al. (2010) Man’s best friend? The effect of pet ownership on house dust microbial communities. J Allergy Clin Immunol. 2010;126:410–2.
5. Lynch S. V. et al. (2014). Effects of early-life exposure to allergens and bacteria on recurrent wheeze and atopy in urban children. J Allergy Clin Immunol. 2014;134:593–601.e12.)
6. Herbst T. et al. (2011). Dysregulation of allergic airway inflammation in the absence of microbial colonization. Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2011; 184: 198-205.
7. Hill D. A. et al. (2012). Commensal bacteria-derived signals regulate basophil hematopoiesis and allergic inflammation.Nat. Med. 2012; 18: 538-546.
8. McCoy K. D. et al. (2006). Natural IgE production in the absence of MHC Class II cognate help.Immunity. 2006; 24: 329-339.
9. Cahenzli J. et al. (2013). Intestinal microbial diversity during early-life colonization shapes long-term IgE levels. 2013 Nov 13;14(5):559-70.
10. Reinmuth-Selzle K. et al. (2017). Air Pollution and Climate Change Effects on Allergies in the Anthropocene: Abundance, Interaction, and Modification of Allergens and Adjuvants. Environ. Sci. Technol. 2017, 51, 4119−4141.
11. Round J. L. et al. (2009). The gut microbiota shapes intestinal immune responses during health and disease Nat. Rev. Immunol. 2009,  9 (5)  313– 323.
12. Hooper L. V. et al. (2012). Interactions between the microbiota and the immune system Science (Washington, DC, U. S.) 2012,  336 (6086)  1268– 1273.
13. Gollwitzer E. et al. (2014). Lung microbiota promotes tolerance to allergens in neonates via PD-L1 Nat. Med. 2014,  20 (6)  642– 647.
14. Legatzki, A.; Rosler, B.; von Mutius, E. Microbiome diversity and asthma and allergy risk Curr. Allergy Asthma Rep. 2014,  14 (10)  466 DOI: 10.1007/s11882-014-0466-0.
15. Blázquez, A. et al. (2017). Microbiome and food allergy Transl. Res. 2017,  179,  199– 203.
16. Riiser A. (2015). The human microbiome, asthma, and allergy Allergy, Asthma, Clin. Immunol. 2015,  11,  35.
17. McCoy K. D. et al. (2015). New developments providing mechanistic insight into the impact of the microbiota on allergic disease Clin. Immunol. 2015,  159 (2)  170– 176.
18. Fujimura, K. E. et al. (2015). Microbiota in Allergy and Asthma and the Emerging Relationship with the Gut Microbiome Cell Host Microbe 2015,  17 (5)  592– 602.
19. Hilty M. et al. (2010). Disordered Microbial Communities in Asthmatic Airways PLoS One2010,  5 (1)  e8578.
20. Huang Y. et al. (2011). Airway microbiota and bronchial hyperresponsiveness in patients with suboptimally controlled asthma J. Allergy Clin. Immunol. 2011,  127 (2)  372– 381.
21. Salim S. Y. et al. (2014). Air pollution effects on the gut microbiota: a link between exposure and inflammatory disease Gut microbes 2014,  5 (2)  215– 219 DOI: 10.4161/gmic.27251.