Immunologie goes viral

Heute befassen wir uns mit dem Herpes-Zoster und der Post-Zoster-Neuralgie. Viele von Ihnen erinnern sich bestimmt noch an die lästigen Windpocken in der Kindheit. Heutzutage, genauer gesagt seit 2004, wird die 1. und 2. VZV-Impfung im Alter von 11-14 Monaten und 15-23 Monaten empfohlen.

Heute befassen wir uns mit dem Herpes-Zoster und der Post-Zoster-Neuralgie. Viele von Ihnen erinnern sich bestimmt noch an die lästigen Windpocken in der Kindheit. Heutzutage, genauer gesagt seit 2004, wird die 1. und 2. VZV-Impfung im Alter von 11-14 Monaten und 15-23 Monaten empfohlen.1

Schaut man sich einmal an, welche Schäden eine VZV-Infektion bzw. Reaktivierung mit sich führt, so erscheint eine VZV-Impfung besonders für ältere Menschen äußerst sinnvoll. Auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts steht ja auch: "Die beste Vorbeugung einer Varizellen-Infektion stellt die Impfung als aktive Immunisierung dar." Aus epidemiologischer Sicht ist es auf jeden Fall gerechtfertigt, denn ab dem 50. Lebensjahr erkranken um die 300.000 Patienten jährlich.2 Das sind eine ganze Menge! 20% der 500.000 Patienten jährlich entwickeln eine Post-Zoster-Neuralgie (PZN).3 Da stellt sich der Mediziner die Frage, wieso bei diesen 20% die Virustatika und die Schmerztherapie nicht ausreichend geholfen haben. Könnte eine Zosterimpfung eventuell vor der PZN schützen?

VZV-Reaktivierung und Post-Zoster-Neuralgie: Impfen macht Sinn!

Epidemiologie und Risikofaktoren

Bis zum 85. Lebensjahr erkranken bis zu 50% der Bevölkerung an einer VZV-Reaktivierung in Form einer Gürtelrose oder eines Zoster ophthalmicus. Die Schmerzattacken können über ein Jahr andauern und das Risiko steigt mit dem Alter stetig an. Frauen (6,3%) haben ein etwas höheres Risiko als Männer (5,1%) ihrer Altersklasse. Immunsuppression durch Medikation oder Erkrankungen wie Leukämie oder Lymphom sowie Diabetes mellitus, Rheumatoide Arthritis und Asthma gehen ebenfalls mit einem erhöhten PZN-Risiko einher. Unter- und Übergewicht, sowie ein ehemaliger Nikotinkonsum erhöhen gleichermaßen das PZN-Risiko.4

Was ist eigentlich eine Post-Zoster-Neuralgie?

Bei der PZN handelt es sich um ein neuropathisches Schmerzsyndrom, das auf einer durch eine Nervenschädigung verursachte zentrale und periphere Sensibilisierung beruht. Die PZN tritt ca. 3 Monate nach VZV-Reaktivierung auf. Die chronischen Schmerzen treten in dem Dermatom auf, in dem die VZV-Reaktivierung stattgefunden hat. Der Schmerzcharakter ist hierbei einschießend und brennend. Mit dem Alter steigt die Prävalenz für das PZN. Bereits in der Phase der Entstehung der Hauteffloreszenzen lässt sich das Risiko für die Entstehung einer PZN abschätzen.4

Komplikationen einer VZV-Reaktivierung

Seltene, jedoch ernstzunehmende Komplikationen einer VZV-Reaktivierung sind Meningitis, transverse Myelitis, VZV-Vaskulopathie und Enzephalitis.5 Es wurden VZV-Vaskulopathie-Fälle mit Infektion der A. temporalis und Riesenzellarteriitis beschrieben, die zusätzlich noch mit einer ischämischen Optikusneuropathie und einer akuten Retinanekrose vergesellschaftet waren.6,7,8

Eine VZV-Reaktivierung kann auch mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert sein.9,10 Durch eine virusbedingte Schädigung der Gefäßwände, kann es zu kardiovaskulären Ereignissen kommen. Auch die entzündliche Ischämie scheint hierbei eine Rolle zu spielen.11

VZV-Impfstoffe: Zostavax® und ShingrixTM

Einer großen Phase-III-Studie (38.546 Patienten im Alter ≥ 60 Jahre) aus dem Jahr 2005 zufolge soll die Impfung mit dem VZV-Lebendimpfstoff in 50% der Fälle vor einer Zosterkrankung schützen.12

Zostavax® ist seit 2006 in Europa zur Prophylaxe der VZV-Reaktivierung zugelassen. Der attenuierte Lebendimpfstoff ist vor allen Dingen für die ≥ 50-jährige Bevölkerungsgruppe gedacht. Allerdings hält der Schutz nur wenige Jahre an und nimmt mit steigendem Patientenalter ab.12 Bei abwehrgeschwächten Patienten ist der Lebendimpfstoff jedoch kontraindiziert. Doch gerade diese Gruppe ist am härtesten betroffen von einer VZV-Reaktivierung. Hoffnung gibt hier ein neuer adjuvanter Zosterimpfstoff, der aus dem VZV-Glykoprotein E und dem AS018 Adjuvans besteht. Der besagte Subunit Impfstoff (HZ/su) ShingrixTM punktet in einer klinischen Studie (15.411 Teilnehmer) durch sein hohes Potenzial. Er zeigt bei Patienten ≥ 50 Jahren sogar eine Wirksamkeit von 97%.13 Er enthält als Immunogen ausschließlich das Oberflächenglykoprotein E. Nach zweimaliger Impfung bietet er einen Schutz von 90-97% vor einem Herpes Zoster und einen 89%-igen Schutz vor einer PZN. In den Phase-III-Studien14,15 konnte ebenfalls gezeigt werden, dass der Schutz, nicht wie beim Lebendimpfstoff Zostavax®, mit den Jahren nachlässt.

Das Adjuvans AS01B, welches in dem neuen rekombinanten Zosterimpfstoff enthalten ist, verstärkt durch seine Eigenschaften die humorale Antwort auf die VZV-Impfung. Er setzt sich zusammen aus einem oberflächenaktiven Stoff (QS-21), der aus dem Seifenrindenbaum gewonnen wird und dem Monophosphoryl-lipid A.

Nebenwirkungen des neuen Subunit-Impfstoffs

Durch seine hohe Immunogenität kann der neue Impfstoff Symptome wie Schmerzen und Rötung an der Einstichstelle, sowie Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit und eine systemische Myalgie verursachen. Im Vergleich zu den über 1 Jahr andauernden chronischen brennenden Schmerzen bei PZN sind diese lokale und systemische Reaktionen glücklicherweise nach einigen Tagen vorbei.14,15 Dem GSK (GlaxoSmithKline) nach konnten keine signifikanten Sicherheitssignale beobachtet werden.16

Die lang erwartete Zulassung von ShingrixTM für Erwachsene ab 50 Jahren erfolgte im Oktober 2017 durch die US Food and Drug Administration. Die Zulassung für Europa wurde bei der Europäischen Arzneimittelbehörde bereits beantragt.16

Impfung mit neuem Subunit-Impfstoff auch bei Immunsuppression möglich?

Nach Organtransplantation haben immunsupprimierte Patienten ein 8- bis 9-mal erhöhtes Risiko an einen Herpes Zoster zu erkranken. Gerade in dieser gefährdeten Patientengruppe könnte ein VZV-Schutz lebensrettend sein. Bisher gibt es leider keine schützende VZV-Impfung für Immunsupprimierte. In einer Phase-III-Studie wurde der Einsatz des Subunit Impfstoffs bei immunsupprimierten Patienten genauer unter die Lupe genommen. Im Vergleich zur Placebogruppe zeigte sich in der Subunit Impfstoff (Hz/su)-Gruppe eine signifikant stärkere humorale Immun- und CD-4-T-Zellantwort. Im Nebenwirkungsprofil war bei den 121 Patienten mit Subunit-Impfung keine Transplantatabstoßung zu verzeichnen. Lokale Reaktionen an der Injektionsstelle kamen häufiger in der Subunit-Impfstoff(HZ/su)-Gruppe als in der Placebogruppe vor.17

Auf der Webseite des GSK wurde verkündet, dass weitere Studien "mit Patienten mit soliden sowie hämatologischen Tumoren, Patienten mit hämatopoetischen Stammzell- und Nierentransplantationen sowie HIV-infizierten Menschen durchgeführt" werden sollen.16 Wir warten gespannt auf Weiteres vom Hoffnungsträger.

Referenzen:
1. www.rki.de
2. Ultsch B. et al. (2013). Epidemiology and cost of herpes zoster and postherpetic neuralgia in Germany. Eur J Health Econ. 2013;14(6):1015–26.
3. Nagel MA. et al. (2014). Neurological complications of varicella zoster virus reactivation. Curr Opin Neurol. 2014;27(3):356–60.
4. Forbes, H.J. et al. (2016). Quantification of risk factors for postherpetic neuralgia in herpes zoster patients: A cohort study. Neurology 87: 94‐102.
5. Nagel MA et al. (2014) Neurological complications of varicella zoster virus reactivation. Curr Opin Neurol. 2014;27(3):356–60.
6. Salazar R. et al. (2011). Varicella zoster virus ischemic optic neuropathy and subclinical temporal artery involvement. Arch Neurol. 2011;68:517–520. 
7. Nagel MA. et al. (2013). VZV ischemic optic neuropathy and subclinical temporal artery infection without rash. Neurology. 2013;80:220–222. This study shows that VZV vasculopathy without rash can present as biopsy-negative giant cell arteritis.
8. Mathias M. et al. (2013). VZV multifocal vasculopathy with ischemic optic neuropathy, acute retinal necrosis and temporal artery infection in the absence of zoster rash. J Neurol Sci. 2013;325:180–182. This study shows that VZV vasculopathy without rash can present as biopsy-negative giant cell arteritis.
9. Breuer J. et al. (2014). Herpes zoster as a risk factor for stroke and TIA: a retrospective cohort study in the UK. Neurology. 2014; 83(2):e27–33.
10. Kang J.H. et al. (2009). Increased risk of stroke after a herpes zoster attack: a population-based follow-up study. Stroke. 2009;40(11):3443–8.
11. Yawn B.P. et al. (2016). Wollan PC, Nagel MA, Gilden D. Risk of Stroke and Myocardial Infarction After Herpes Zoster in Older Adults in a US Community Population. Mayo Clin Proc. 2016;91(1):33–44.
12. Oxman MN.et al. (2005). A vaccine to prevent herpes zoster and postherpetic neuralgia in older adults. N Engl J Med. 2005;352(22):2271–84.
13. Tseng, H. F. et al. (2016). Declining Effectiveness of Herpes Zoster Vaccine in Adults Aged >= 60 Years. Journal of Infectious Diseases 213: 1872‐1875.
14. Lal H. et al. (2015). Adjuvanted herpes zoster subunit vaccine in older adults. N Engl J Med. 2015;373(16):1576–7.
15. Cunningham, A. L. et al. (2016). Efficacy of the Herpes Zoster Subunit Vaccine in Adults 70 Years of Age or Older. New Engl J Med 375: 1019‐1032.
16. https://de.gsk.com/de-de/presse/pressemeldungen/2016/gsk-reicht-zoster-impfstoff-kandidaten-zur-zulassung-bei-eu-regulierungsbehoerde-ein/
17. Vink P. et al. (2017). Immunogenicity and Safety of a Candidate Subunit Adjuvanted Herpes Zoster Vaccine (HZ/su) in Adults Post Renal Transplant: a Phase III Randomized Clinical Trial. Open Forum Infect Dis. 2017 Fall; 4(Suppl 1): S417