Influenza: Ist eine Impfung sinnvoll und wie wirksam sind antivirale Medikamente?

Die Jahreszeit für Influenzaepidemien ist ja schon fast vorbei, wie viele von Ihnen haben sich denn 2017 schon oder lassen sich noch 2018 gegen Influenza impfen? Je nach Virusstamm kann das Influenzavirus ganz schön gefährlich werden.

Die Jahreszeit für Influenzaepidemien ist ja schon fast vorbei, wie viele von Ihnen haben sich denn 2017 schon oder lassen sich noch 2018 gegen Influenza impfen? Je nach Virusstamm kann das Influenzavirus ganz schön gefährlich werden.

Das Robert-Koch-Institut bringt jährlich einen Saisonbericht mit "Informationen zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland" herraus. Überwacht wird die Influenza durch das Sentinelsystem der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI). Laut AGI lag 2016/2017 die Zahl der Arztbesuche (s. Abb.1) aufgrund einer Influenzaerkrankung bei ca. 6 Millionen. Rund 3,4 Millionen Menschen waren arbeitsunfähig, ca. 30.000 Menschen wurden stationär behandelt. Vor allem ältere Patienten (≥ 60 Jahre) waren besonders schlimm betroffen. Eine gute Nachricht gab es dennoch im Saisonbericht 2016/2017: Die Anzahl der an Influenza Erkrankten lag unter den Schätzwerten von 2012/13 und 2014/2015.1

Abbildung 1: Anzahl der Virusnachweise im NRZ (Saison 2016/2017); ARE (Akute respiratorische Erkrankungen) und NRZ (Nationales Referenzzentrum für Influenza).1

Krankheits- und Todesfälle durch Influenza

Das Influenzavirus kann abhängig vom Virusstamm mit einer hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrate einhergehen. Jährlich sterben in Deutschland etwa 10.000 Menschen an einer Influenza.1 Das sind 10.000 potenziell vermeidbare Todesfälle. Durch eine Influenzaimpfung schützt man nicht nur sich selbst, sondern auch seine Mitmenschen, die vielleicht ein etwas schwächeres Immunsystem (ältere Menschen, Kleinkinder, Immunsupprimierte) besitzen. Besonders für ältere Patienten ist das Risiko für einen hochdramatischen Krankheitsverlauf mit potenziell tödlichem Ende hoch (s. Abb. 2 und 3). Die übelsten der Übeltäter für die ältere Bevölkerung sind A(H3N2)-Viren.1

Abbildung 2: Anzahl der Influenza-Fälle nach Altersgruppen1

Abbildung 3: Anzahl der Influenza-Todesfälle in der Saison 2016/20171

Die Influenzaviren A, B und C: Die respiratorischen Erreger stellen sich vor

Die Influenzaviren A, B und C führen saisonal in der kalten Jahreszeit bei ihrem Wirt zu einer akuten Atemwegsinfektion, die in einer Epidemie oder sogar einer Pandemie resultieren kann.2

In der Saison 2009/10 kam es zu einer H1N1-Influenzapandemie, welche die gesamte Menschheit in Panik versetzte. Wo wir gerade bei Influenza-Pandemien sind: Die Spanische Grippe von 1918 bis 1920 wurde durch einen besonders virulenten Subtyp des A/H1N1-Virus verursacht und forderte rund 50 Millionen3 Menschenleben!

Eine Variante des Subtyps A/H1N1 führte gleich zweimal zu einer Pandemie: Die russische Grippe 1977/1978 und die "Schweinegrippe"-Pandemie. 1977 waren es rund 700.000 Influenza-Tote, bei der "Schweinegrippe" waren es 2009 203.000 Tote.4 Dieser fiese Subtyp griff vor allem Jugendliche und junge Erwachsene an.

Klinisches Erscheinungsbild der Influenza

Bei den jährlichen Grippewellen dominieren Influenza-A (Subtyp: H3N2 und H1N1)- und B-Viren (Victoria- und der Yamagata-Linie). Der Infektionsweg verläuft über Tröpfchen oder infektiöse Handoberflächen. Nach einer kurzen Inkubationszeit (1-2 Tage) zeigen sich die ersten Symptome, die abhängig vom Virusstamm und Wirt von asymptomatisch bis fulminant reichen können.2 Das klinische Erscheinungsbild stellt sich zusammen aus einem allgemeinen Krankheitsgefühl in Kombination mit Schnupfen, Husten, Fieber und Kopf-/ Muskel-/Gliederschmerzen. Die Influenza-Pneumonie kann im Zeitraum ausgeprägter Grippewellen sogar anteilig "bis zu 40% der Pneumoniediagnosen pro Woche" ausmachen.1 Wenn man überlegt, dass man das Risiko einer Influenza-Pneumonie durch eine einfache, rechtzeitige Impfung minimieren und so sein eigenes oder das Leben der schwächeren Mitmenschen retten könnte - das sind rund 10.000 Todesfälle, die unter Umständen vermeidbar wären.

Wieso muss jährlich geimpft werden?

2016/2017 dominierte (≥ 93% der Fälle) der A(H3N2)-Virusstamm (76% gehören der neuen Gruppe 3C.2a1 an) die Grippewelle. Sehr selten traten mit 6% Infektionen dem Influenza-B-Stamm auf. Das Nationale Referenzzentrum für Influenza berichtet von einer "starken Dynamik, mit der sich die Viren neuen Gruppe 3C.2a1 verändern".

Die hohe Fehlerquote bei der Replikation dieser RNA-Viren führt zu einer großen Menge genetischer Varianten des Influenzavirus. Dies führt dazu, dass das Immunsystem das Virus nicht wiedererkennen kann. Auch Resistenzen gegen antivirale Medikamente sind ein Resultat des Antigendrifts. Neue Influenzavirussubtypen können aber auch durch ein Reassortment entstehen. Hierbei infizieren 2 Influenzaviren einen Wirt und tauschen dabei Gensegmente untereinander aus.1 Diese Dynamik ist eine der Tatsachen, welche die jährliche Influenza-Impfung so wichtig macht!

Trivalente (TIV) und quadrivalente (QIV) inaktivierte Vakzine

Die TIV/QIV für diese Sasion enthält Antigene des Influenza-A (A/H3N2 und A/H1N1) und B-Viren (Vitoria oder/und Yamagata). Die WHO legt jährlich die Antigenkombination für die Influenza-Impfstoffe fest. Die jährliche Auffrischung der Antigenzusammensetzung ist aufgrund der hohen genetischen Variabilität der Influenzaviren auch dringend notwendig.5

Impfung versäumt: Hilft da die antivirale Therapie?

Antivirale Medikamente sollen ja die Krankheitsdauer um 0,5-1,5 Tage reduzieren. Voraussetzung hierfür ist die rechtzeitige Einnahme des antiviralen Medikaments. Das Zeitfenster liegt bei etwa 48 Stunden nach Symptombeginn. Die Präparate, die namentlich an Helden aus "Herr der Ringe" erinnern (Amantadin, Oseltamivir und Zanamivir) scheinen auch echte Krieger im Kampf gegen die Influenzaviren zu sein. Mit einer Wirksamkeit von 60-90% sollte ja eine Grippewelle eigentlich kein Problem mehr sein. Der Haken dabei ist, dass diese Wirksamkeit von "Population und Art der Prophylaxe" abhängig ist. Ein weiterer Minuspunkt ist auch, dass "nur leicht bis moderat erkrankte Patienten in die randomisierten kontrollierten Studien eingeschlossen" worden sind, sodass man nicht sicher weiß, wie wirksam die Präparate bei der älteren Hochrisikogruppe sind. Auch fehlen Wirksamkeitsbelege für die Risikogruppen Schwangere, Neugeborene und Immunsupprimierte. Beobachtungsstudien deuten auf einen positiven Effekt antiviraler Medikamente bei der älteren Bevölkerungsgruppe hin. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt bei dem Erwägen einer antiviralen Therapie ist die Resistenzsituation der Influenza-Viren.6

Antivirale Medikamente können prophylaktisch und therapeutisch eingesetzt werden, wobei die Verwendung von Amantidin von der WHO nicht mehr empfohlen wird. Wichtig zu wissen ist auch, dass Amantadin nur gegen Influenza-A-Viren Wirkung zeigt. Oseltamivir zeigt in einer Metaanalyse ein reduziertes Mortalitätsrisiko für Erwachsene.7 Laut Daten des Cochrane Review aus dem Jahr 2014, geht Oseltamivir mit einem reduzierten Pneumonierisiko für Erwachsene ohne Komorbidität einher.8 Mit folgenden Nebenwirkungen einer antiviralen Therapie ist zu rechnen: Kopfschmerz, Erbrechen, Hautausschlag und ZNS-Störungen.6

In einem interessanten, systematischen Review aus dem Jahr 2016 werden Nutzen und Wirksamkeit der antiviralen Therapie von allen Seiten her beleuchtet. Die Kernaussagen hieraus finden Sie in der folgenden Abbildung.6

Abbildung 4: Kernaussagen des systematischen Reviews zu antiviralen Influenza-Medikamenten6

Realität: Wie hoch ist die Impfquote tatsächlich in Deutschland?

Das von der Europäischen Union festgelegte Ziel der Impfquote bei älteren Menschen lag bei 75%.9 Die Realität hingegen ist eher enttäuschend. In der Saison 2015/16 konnte eine Impfquote von 35% (≥ 60 Jahre) bestimmt werden. In der Saison 2016/17 waren es sogar nur 34,8%.10 Was denken Sie könnte die Ursache für die deutsche Impfmüdigkeit sein?

Referenzen:
1. https://influenza.rki.de/Saisonberichte/2016.pdf
2. Paules C. et al. (2017). Influenza. Lancet. 2017 Aug 12;390(10095):697-708.
3. Johnson N.P.A.S. et al. (2002). Updating the Accounts: Global Mortality of the 1918–1920. "Spanish" Influenza Pandemic. In: Bulletin of the History of Medicine. Band 76, Nr. 1, 2002, S. 105–115.
4. Simonsen L. et al. (2013). Global Mortality Estimates for the 2009 Influenza Pandemic from the GLaMOR Project: A Modeling Study. PLOS Medicine.
5. EpidemiologischesBulletin 11. Januar 2018 / Nr. 2.
6. Lehnert R. et al.(2016).Antivirale Arzneimittel bei saisonaler und pandemischer Influenza. Deutsches Ärzteblatt. Jg.113; Heft 47.
7. Muthuri S.G. et al. (2014). Effectiveness of neuraminidase inhibitors in reducing mortality in patients admitted to hospital with influenza A H1N1pdm09 virus infection: a meta- analysis of individual participant data. Lancet Respir Med 2014; 2: 395–404.
8. Jefferson T. et al. (2014). Neuraminidase inhibitors for preventing and treating influenza in healthy adults and children. Cochrane Database Syst Rev 2014; 4: CD008965.
9. European Union: Council recommendation of 22-12-2009 on seasonal influenza vaccination 2009/1019/EU: Official Journal of the European Union, 29/12/2009.
10. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Influenza/FAQ06.html