PIMS-TS: Eine neue Erkrankung wirft viele Fragen auf

Was hat es mit PIMS-TS nach einer COVID-19-Infektion auf sich? Dr. med. Annabelle Eckert geht den Zusammenhängen auf den Grund.

PIMS und COVID-19

PIMS: Hälfte der Kinder erlitt einen Schock

In der vorliegenden Fall-Kontroll-Studie konnte bei 78% der Kinder eine Infektion mit SARS-CoV-2 nachgewiesen werden. Jedes dieser Kinder zeigte Fieber, sowie eine unspezifische Symptomatik bestehend aus Bauchschmerzen (53%), Erbrechen (45%) und Diarrhoe (52%). Bei rund der Hälfte der Kinder kam es zu einem Exanthem (52%), einer Konjunktivitis (45%), sowie zu einer Schocksymptomatik (50%). Nur bei 22% dieser Kinder passte die Symptomatik zu den diagnostischen Kriterien eines Kawasaki-Syndroms. 14% der Kinder erlitten kardiale Komplikationen in Form von Dilatationen und Aneurysmen der Koronararterien.1

Erhöhte kardiale Marker bei mehr als 70% der Kinder

Klinisch und serologisch waren keine besonderen Unterschiede zwischen den Kindern, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren und den virusnegativen Kindern nachweisbar gewesen. Alle hospitalisierten Kinder zeigten erhöhte Entzündungswerte. Diese beinhalteten eine Erhöhung des CRP-Wertes, der neutrophilen Lymphozyten und des Serum-Ferritins. Bei rund 70% der Kinder konnten erhöhte Troponinkonzentrationen gemessen werden.  Eine erhöhte Konzentration des B-Typ-natriuretischen Peptids lag sogar bei 83% der Kinder vor.1

PIMS-TS zeigt im Vergleich zum Kawasaki-Syndrom höheres Erkrankungsalter

Ein Vergleich der erkrankten Kinder der vorliegenden Studie mit Kindern mit Kawasaki-Syndrom aus anderen Studien konnte einige wichtige Unterschiede aufzeigen: Die Kinder der aktuellen Studie waren insgesamt älter gewesen als es die Kinder mit Kawasaki-Syndrom sind. 80% der Kinder mit Kawasaki-Syndrom sind jünger als 5 Jahre. Im Vergleich zu den Kindern mit Kawasaki-Syndrom zeigten die hospitalisierten Kinder eine höhere Anzahl an neutrophilen Lymphozyten, eine höhere CRP-Konzentration und eine deutlich ausgeprägtere Lymphopenie und Anämie. Auch die Fibrinogen- und die Troponinkonzentration überstieg die Werte, die bei Kindern mit Kawasaki-Syndrom sonst bekannt sind. Das PIMS-TS unterscheidet sich von den bisher bekannten inflammatorischen Erkrankungen im Kindesalter: Dem Kawasaki-Syndrom, dem Kawasaki-Schocksyndrom und dem Toxischen Schocksyndrom. Es wirft viele Fragen zu seiner Pathogenese, den Diagnosekriterien und seiner Prävention auf.1

Zum Schluss nochmal kurz ein Überblick über die Differentialdiagnosen des PIMS-TS:

Das Kawasaki-Syndrom

Ein Kawasaki-Syndrom liegt vor, wenn neben einem 5-tägigen Fieber 4 Symptome auftreten. Zu diesen gehören das Exanthem, das Enanthem, die Konjunktivitis, die zervikale Lymphadenopathie und eine Schwellung der Hände oder der Füße. Die Lymphknotenschwellung am Hals ist unilateral und liegt bei Werten über 1,5 cm im Durchmesser. Die Extremitätenschwellungen können im chronischen Stadium in der 2. bis 3. Woche mit Hautschuppungen einhergehen. Die Konjunktivitis ist meist bilateral. Häufig kommt es bei den Kindern zu Lacklippen und einer Erdbeerzunge. Treten weniger als 4 dieser Kriterien zu dem 5-tägigen Fieber hinzu so spricht man von einem inkompletten Kawasaki-Syndrom. Das Fieber liegt nicht selten über 40°C. Die Fiebersenkung gestaltet sich beim Kawasaki-Syndrom oft schwer. Serologisch zeigen sich beim Kawasaki-Syndrom ein erhöhter CRP-Wert, eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit, eine Leukozytose mit Linksverschiebung, eine Thrombozytose, ein Anstieg der kardialen Marker (Troponon I, BNP, NT-proBNP) und der Leberwerte. Bei Säuglingen können einige dieser Symptome fehlen.2

Das Kawasaki-Schock-Syndrom

Ein Kawasaki-Schock-Syndrom ist durch eine arterielle Hypotension von (mehr als 20% im Vergleich zur Baseline) oder durch eine Minderperfusion gekennzeichnet. Bei den Kindern mit Kawasaki-Schock-Syndrom kommen nicht selten (54%) vasoaktive Substanzen zum Einsatz. Die Laborparameter deuten – verglichen mit dem Kawasaki-Syndrom – auf eine deutlich stärke Entzündungsreaktion hin: Der CRP-Wert ist höher und der Hämoglobinwert niedriger. Es kann sogar zu einer Verbrauchskoagulopathie mit Thrombozytopenie kommen. Auch die Herzfunktion ist stärker betroffen bei den Kindern mit Kawasaki-Schock-Syndrom.3

Das streptokokkenbedingte Toxische Schocksyndrom (STSS)

Zu den Diagnosekriterien eines streptokokkenbedingten TSS gehören die Isolierung von Streptokokken der Gruppe A, eine arterielle Hypotension, eine Schädigung der Leber, eine Koagulopathie, eine nekrotisiierende Fasziitis, ein generalisiertes Exanthem, ein akutes respiratorisches Syndrom oder ein Versagen der Niere. Im Kindesalter ist das TSS selten eher anzutreffen. Die meisten STSS-Patienten sind zwischen 20 und 50 Jahre alt. Verbrennungen und virale Infekte sind die wichtigsten Risikofaktoren eines STSS.4Bei erwachsenen Patienten liegt die Mortalität bei 30-80%. Sind Kinder an dem STSS erkrankt so versterben 5-8% dieser Kinder.5,6

Im kommenden Beitrag befassen wir uns mit den verschiedenen Verlaufsformen der Multiplen Sklerose und deren Behandlung.

Referenzen: 

1. Whittaker E. et al. (2020). Clinical Characteristics of 58 Children With a Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome Temporally Associated With SARS-CoV-2. JAMA. 2020; doi: 10.1001/jama.2020.10369.
2. Sk2-Leitlinie 2019. DGPK.
3. Kanegaye J.T. et al. (2009). WRecognition of a Kawasaki disease shock syndrome. Pediatrics. 2009;123(5):e783-e789. doi:10.1542/peds.2008-1871
4. Hufnagel M. et al. Pädiatrie. Toxisches Schocksyndrom. Springer Medizin.
5. Strom M. A. et al. (2017). Prevalence, comorbidities and mortality of toxic shock syndrome in children and adults in the USA. Microbiol Immunol. 2017;61(11):463-473.
6. Chuang Y.Y. et al. (2005). Toxic shock syndrome in children: epidemiology, pathogenesis, and management. Paediatr Drugs. 2005;7(1):11-25.