Probiotics War: Der Kampf gegen Allergien geht weiter

Können Probiotika zur Prophylaxe und supportiven Therapie allergischer Erkrankungen eingesetzt werden? Das ist die Frage, der wir uns heute widmen. Wir wissen aus den Beiträgen vom letzten Monat, dass das intestinale Mikrobiom einen entscheidenden Beitrag an der Entstehung bzw. Verhinderung allergischer Erkrankungen leistet. Da ist der Gedanke mit dem therapeutischen Einsatz von Probiotika nicht fern. Doch funktioniert dieses Gedankenspiel auch in der Praxis?

Können Probiotika zur Prophylaxe und supportiven Therapie allergischer Erkrankungen eingesetzt werden? Das ist die Frage, der wir uns heute widmen. Wir wissen aus den Beiträgen vom letzten Monat, dass das intestinale Mikrobiom einen entscheidenden Beitrag an der Entstehung bzw. Verhinderung allergischer Erkrankungen leistet. Da ist der Gedanke mit dem therapeutischen Einsatz von Probiotika nicht fern. Doch funktioniert dieses Gedankenspiel auch in der Praxis? Mehr dazu im folgenden Text.

Die Anzahl an Atopikern wird sich vervierfachen

Weltweit sind ca. 1 Milliarde Menschen von einer atopischen Erkrankung betroffen. Schätzungen zufolge soll sich diese Zahl in den nächsten 30-40 Jahren vervierfachen.1,2 Diese Problematik bedarf einer multimodalen Lösung. Zum einen sollten die Faktoren, die die Entstehung einer atopischen Erkrankung begünstigen, minimiert werden. Ist die primäre Prävention gescheitert, so sollte zum anderen verhindert werden, dass der betroffene Atopiker durch seine Erkrankung Lebensrisiken in Form eines allergischen Schocks oder eines ausgeprägten Asthmaanfalls ausgesetzt wird. Über die für die primäre Prävention wichtigen Faktoren haben wir letztes Mal gesprochen: Hier geht es darum, rechtzeitig auf der Immunzellebene einzugreifen, bevor es zur Th1/Th2-Imbalance kommt.1-6

Dreck "reinigt" nicht nur den Magen

Wer in der Kindheit Kontakt zu Würmern, Bifidobakterien, Laktobazillen und saprophytischen Mykobakterien pflegte, der wird im höheren Alter eher seine ,"alten Freunde" wiedererkennen, anstatt allergisch auf sie zu reagieren.7 Diese Mikroorganismen unterstützen den Prozess unserer Immuntoleranz und waren während der Evolution des Menschen stets an seiner Seite. Sie sind beteiligt an der Induktion regulatorischer T-Zellen und kontrollieren das Gleichgewicht zwischen der Th1- und Th2-Immunantwort. Die ansteigende Anzahl an Atopikern könnte Folge der Trennung dieser Mikroorganismen vom heranwachsenden menschlichen Organismus sein.8-10 Hier kommen die Probiotika ins Spiel. Bisher gab es diverse Studien zum Einsatz von Probiotika bei Erkrankungen des atopischen Formenkreises. Kontroverse Ergebnisse dieser Studien erschweren vorerst eine klare Empfehlung im klinischen Alltag. Der Sache gehen wir heute auf den Grund, sodass Ihr Euch selbst ein Bild davon machen könnt.11

Perinatale Interventionsstudien mit Probiotika zeigen Erfolge bei der allergischen Dermatitis

Die Verwendung unterschiedlicher Probiotika (Laktobazillen, Bifidobakterien oder beide gemeinsam) in unterschiedlicher Dosierung (107 bis 1010 CFU (colony-forming units)/Tag) sowie Abweichungen der Einschlusskriterien der Interventionsstudien sind maßgeblich an der Kontroversität der Ergebnisse beteiligt. Heute lernen wir die wichtigsten Metaanalysen der bisherigen Probiotika-Studien kennen. Allesamt kamen sie zu folgendem Ergebnis: In der primären Prävention der allergischen Dermatitis scheint der Einsatz von Probiotika einen positiven Effekt zu haben. Besonders stark ist dieser Effekt, wenn die Probiotika vor der Geburt und nach der Geburt bei Mutter und dann auch beim Neugeborenen zum Einsatz kommen.12-13

Die Leitlinien der World Allergy Organization empfehlen Probiotika

Die Forschungsgruppen um Cuello-Garcia und Zuccotti kamen vor rund 4 Jahren zu den o.g. Ergebnissen. Cuello-Garcia und seine Mitarbeiter haben konform mit den Leitlinien der World Allergy Organization eine Interventionsstudie mit Probiotika durchgeführt. Die Leitlinien besagen, dass bei Vorliegen einer atopischen Disposition der Eltern, das ungeborene Kind von einer Probiotika-Therapie der Mutter während der Schwangerschaft profitieren kann. Nach der Entbindung wirkt sich bei stillenden Müttern die Fortsetzung der Probiotika-Therapie ebenfalls positiv auf das neugeborene Kind aus. Betont wird hier jedoch, dass sich diese Richtlinien auf Studien mit geringer wissenschaftlicher Evidenz stützen. Dies kann an verschiedenen Bias oder auch an der Ungenauigkeit der Studienergebnisse liegen.12-14 Dies wirkt zunächst wie ein Griff nach einem Strohhalm in einer Gesellschaft mit stetig zunehmender Anzahl an Atopikern.

Probiotika wirken nicht bei allergischem Asthma

Zurück zu Cuello-Garcia und Co. Die Forschungssgruppe wählte aus insgesamt 2.403 wissenschaftlichen Artikeln (Cochrane Central Register of Controlled Trials, MEDLINE und Embase) 29 Studien aus, die sie in ihre Metaanalyse einschloss. Sie kamen zu dem Schluss, dass Probiotika nur in der Prävention der allergischen Dermatitis Wirkung zeigten. Hierfür mussten sie Schwangeren im 3. Trimenon, stillenden Müttern oder ihren Neugeborenen verabreicht werden. Es konnte kein Effekt auf andere Erkrankungen des atopischen Formenkreises beobachtet werden. 12-13

Probiotikaeinnahme prä- und postnatal empfohlen

Zucotti G. und seine Mirarbeiter kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Sie schlossen 17 Studien mit 4.755 Kindern in ihre Metaanalyse ein. Im Vergleich zu den Kontrollgruppen zeigten die Kinder nach Probiotikaeinnahme ein reduziertes Risiko für eine allergische Dermatitis. Auch hier war kein Effekt auf das allergische Asthma und die allergische Rhinokonjunktivitis zu verzeichnen. Zhang et al. Veröffentlichten ein Jahr später eine Metaanalyse, die zeigen konnte, dass die Kinder nur von der Therapie mit Probiotika profitierten, wenn die Einnahme sowohl prä- als auch postnatal erfolgte. 12-15

Im nächsten Beitrag erfahren wir, was es Neues zur Hepatitis-A-Impfung gibt. Wir erfahren, was "plant-based vaccines" sind, und wir erfahren von der WHO, welche die 10 größten Bedrohungen für die globale Gesundheit sind.

Referenzen

1Spacova I. et al. (2018). robiotics against airway allergy: host factors to consider. Dis Model Mech. 2018 Jul 1;11(7): dmm034314.

2Akdis C. A. and Agache I. (2014). Global Atlas of Allergy. Zurich, Switzerland: European Academy of Allergy and Clinical Immunology.

3Strachan D. (2000). Family size, infection and atopy: the first decade of the ‘hygiene hypothesis’. Thorax 55, 2S 10.1136/thorax.55.suppl_1.S2.

4Guarner F. et al. (2006). Mechanisms of disease: the hygiene hypothesis revisited. Nat. Clin. Pract. Gastroenterol. Hepatol. 3, 275-284. 10.1038/ncpgasthep0471 

5Rooks M. G. and Garrett W. S. (2016). Gut microbiota, metabolites and host immunity. Nat. Rev. Immunol. 16, 341-352. 10.1038/nri.2016.42

6Torow N. and Hornef M. W. (2017). The neonatal window of opportunity: setting the stage for life-long host-microbial interaction and immune homeostasis. J. Immunol. 198, 557-563. 10.4049/jimmunol.1601253 

7G. A. W., Martinelli R. and Brunet L. R. (2003). Innate immune responses to mycobacteria and the downregulation of atopic responses. Curr. Opin. Allergy Clin. Immunol. 3, 337-342. 10.1097/00130832-200310000-00003.

8Lee Y. K. and Mazmanian S. K. (2010). Has the microbiota played a critical role in the evolution of the adaptive immune system? Science 330, 1768-1773. 10.1126/science.1195568.

9Umetsu D. T., McIntire J. J., Akbari O., Macaubas C. and DeKruyff R. H. (2002). Asthma: an epidemic of dysregulated immunity. Nat. Immunol. 3, 715-720. 10.1038/ni0802-715.

10Hill C., Guarner F., Reid G., Gibson G. R., Merenstein D. J., Pot B., Morelli L., Canani R. B., Flint H. J., Salminen S. et al. (2014). The international scientific association for probiotics and prebiotics consensus statement on the scope and appropriate use of the term probiotic. Nat. Rev. Gastroenterol. Hepatol. 11, 506-514. 10.1038/nrgastro.2014.66.

11Forsberg A., West C. E., Prescott S. L. and Jenmalm M. C. (2016). Pre- and probiotics for allergy prevention: time to revisit recommendations? Clin. Exp. Allergy 46, 1506-1521. 10.1111/cea.12838.

12Cuello-Garcia C. A., Brozek J. L., Fiocchi A., Pawankar R., Yepes-Nuñez J. J., Terracciano L., Gandhi S., Agarwal A., Zhang Y. and Schünemann H. J. (2015). Probiotics for the prevention of allergy: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. J. Allergy Clin.Immunolog. 2015 Oct;136(4):952-61.

13Zuccotti G., Meneghin F., Aceti A., Barone G., Callegari M. L., Di Mauro A., Fantini M. P., Gori D., Indrio F., Maggio L. et al. (2015). Probiotics for prevention of atopic diseases in infants: systematic review and meta-analysis. Allergy 70, 1356-1371. 10.1111/all.12700.

14Fiocchi A. et al. (2015).  World Allergy Organization-McMaster University Guidelines for Allergic Disease Prevention (GLAD-P): Probiotics. World Allergy Organization Journal20158:55.

15Zhang G.-Q., Hu H.-J., Liu C.-Y., Zhang Q., Shakya S. and Li Z.-Y. (2016). Probiotics for prevention of atopy and food hypersensitivity in early childhood: a PRISMA-compliant systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Medicine (Baltim.) 95, e2562 10.1097/MD.0000000000002562.