Vernachlässigte Erkrankung erhöht Risiko für einen schweren COVID-19 Krankheitsverlauf

Im letzten Jahrzehnt haben zahlreiche Studien gezeigt, dass mit Toxoplasma gondii infizierte Personen deutlich häufiger an psychischen und physischen Gesundheitsproblemen leiden. Zudem sind sie auch anfälliger für die negativen Auswirkungen verschiedener Krankheiten. Hierzu zählt auch COVID-19.

Im letzten Jahrzehnt haben zahlreiche Studien gezeigt, dass mit Toxoplasma gondii infizierte Personen deutlich häufiger an psychischen und physischen Gesundheitsproblemen leiden. Zudem sind sie auch anfälliger für die negativen Auswirkungen verschiedener Krankheiten. Hierzu zählt auch COVID-19.

Die Therapie einer chronischen Infektion mit dem intrazellulären Parasiten Toxoplasma gondii gestaltet sich als äußerst schwer. Eine primäre Prävention der Infektion wäre wünschenswert. Doch bisher ist für den Menschen kein Impfstoff erhältlich, der gegen eine Infektion mit dem intrazellulären Parasiten Toxoplasma gondii schützen kann. Verschiedene Forschungsgruppen arbeiten an der Lösung dieses Problems. Leider wurde die Prävention der Toxoplasmose in den letzten Jahren weltweit vernachlässigt, was zu einer Infektion von rund einem Drittel der Weltbevölkerung geführt hat. In den meisten Fällen verläuft die Infektion asymptomatisch. Dies könnte aus immunologischer Sicht ein Grund für diese Vernachlässigung sein.1

Doch wenn es zu Symptomen kommt, dann sind diese mit schweren gesundheitlichen Folgen behaftet. Erschwerend hinzukommt die aktuell herrschende SARS-CoV-2-Pandemie. Eine latente Infektion mit Toxoplasma gondii stellt einen starken Risikofaktor für einen schweren COVID-19 Krankheitsverlauf dar. Hierbei liegt die Toxoplasmose vor den Risikofaktoren Autoimmunität, Immundefizienz, männliches Geschlecht, Übergewicht, Borreliose, höheres Alter und chronisch obstruktive Lungenerkrankung.2 Im heutigen Beitrag schauen wir uns die wissenschaftliche Datenlage hierzu an und lernen einen interessanten Artikel zur präklinischen Erprobung eines attenuierten Lebendimpfstoffes gegen Toxoplasma gondii kennen.

Schwerer Kampf gegen einen vernachlässigten Parasiten

Toxoplasmose ist global betrachtet eine der wichtigsten gesundheitsgefährdenden Krankheiten. Bei symptomatischer Infektion kann dies zu enormen gesundheitlichen und auch sozioökonomischen Problemen führen. Ein großes Problem ist, dass der intrazelluläre Parasit in der Lage ist, der Immunreaktion des Wirts zu entgehen und so einen chronischen Krankheitsverlauf aufrechterhalten kann. Aktuell gibt es nur wenige Medikamente, die sich zu einer Behandlung einer Toxoplasma gondii Infektion eignen. Zu diesen gehören u. a. Sulfapyridin und Pyrimethamin. Der medikamentöse Therapieversuch kann jedoch mit schweren Nebenwirkungen verbunden sein. In Anbetracht dieser Faktoren gilt die Impfung als die wirksamste Methode zur Vorbeugung und Bekämpfung der Toxoplasmose. Neben den beiden Therapeutika Sulfapyridin und Pyrimethamin können auch Clindamycin, Trimetoprim/Sulfamethaxazol, Doxycyclin, Azithromycin und Atovaquon eingesetzt werden.3

Heikle Entscheidungen in COVID-19 Hochrisikogebieten 

In einer erst kürzlich veröffentlichten Querschnittsstudie mit insgesamt 4499 Teilnehmer:innen wurde nach Faktoren gesucht, die das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion und die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs von COVID-19 positiv bzw. negativ beeinflussen können. 786 der Studienteilnehmer:innen waren mit Toxoplasma gondii infiziert. In die Analyse flossen Daten von 3.414 Frauen ein, von denen 18,9% mit Toxoplasma infiziert waren und 9,9% mit COVID-19 diagnostiziert wurden. Bei der männlichen Gruppe waren von den 1.085 Männern 13,1% Toxoplasma infiziert und 12,1 % an COVID-19 erkrankt. Das Patient:innenkollektiv stammte aus der Tschechischen Republik und der Slowakei.2 Bei beiden Ländern handelt es sich um SARS-CoV-2-Hochrisikogebiete (Die Slowakei zählt zu den  SARS-CoV-2-Hochrisikogebieten seit dem 31.10.21 und die Tschechische Republik seit dem 14.11.21).4,5 Die Slowakei besitzt - EU-weit betrachtet - eine der niedrigsten Impfraten. "Weniger als die Hälfte der Bevölkerung ist gegen das Coronavirus geimpft." schrieb das Deutsche Ärzteblatt am 10.12.21.6 Die neue Tschechische Regierung entschied sich dazu, den Notstand aufgrund der Corona-Pandemie nicht zu verlängern. Hinzukommt, dass möglicherweise die Impfpflicht ab 60 Lebensjahren gekippt werden soll. Die Tschechische Republik wird weiterhin als Hochrisikogebiet eingestuft.7

Toxoplasma macht den Weg frei für COVID-19

Patient:innen mit einer latenten Toxoplasma-Infektion gaben in einem Fragebogen deutlich häufiger Symptome eines schweren COVID-19-Krankheitsverlaufes an. Dies galt für beide Geschlechter. Toxoplasmose erwies sich mit einer Odds Ratio von 1,50 für das weibliche Geschlecht und einer Odds Ratio von 1,91 für das männliche Geschlecht als der schwerwiegendste Risikofaktor für die Diagnose COVID-19.

In der Abbildung 1 sind Toxoplasma gondii Zysten erkennbar. Odds Ratio für das weibliche Geschlecht wird mit 1,5 angegeben (OR=1,5). Bildquelle2

Eine weitere Toxoplasmose-Impfung könnte in Aussicht stehen (zumindestens für die Tierwelt)

Es gibt aktuell kaum ein Thema, das die Gesellschaft mehr spaltet, als das Thema Impfung. Die Geschichte der Menschheit hat uns gezeigt, dass das Impfen eine sehr wirksame Methode in der primären Prävention von Infektionskrankheiten darstellt. In der vorliegenden präklinischen Studie zeigte ein attenuierter Lebendimpfstoff-Kandidat gute Wirksamkeit und ein adäquates Sicherheitsprofil. Die Forschungsgruppe aus China hat das NPT1-Gen des T. gondii-Stammes vom Typ I mit Hilfe des CRISPR/Cas9-Systems ausgeschaltet und auf diese Weise einen abgeschwächten Lebendimpfstoff herstellen können. Die Schutzwirkung dieses neuen Impfstoffkandidaten haben die Forscherenden im Mausmodell untersucht. Erfreulicherweise induzierte die Immunisierung von Mäusen mit RH:ΔNPT1 nach bereits 42 Tage einen hohen Gehalt an Toxoplasma-spezifischem IgG1, IgG2a sowie Gesamt-IgG. Neben dieser Antikörperantwort konnte in den Splenozytensuspensionen von RH:ΔNPT1-infizierten Mäusen ein signifikanter Anstieg des Zytokinspiegels gemessen werden. Bei den immunisierten Tieren kam es zur Auslösung einer gemischten Th1/Th2-Reaktion.

Es zeigte sich eine 100%ige Überlebensrate der Tiere bei akuter und auch bei chronischer Infektion mit dem intrazellulären Parasiten. Auch die Anzahl der Zysten im Gehirn der Versuchstiere konnte im Vergleich zur ungeimpften Versuchsgruppe durch die Impfung signifikant reduziert werden. In der vorliegenden Studie wurde uns ein vielversprechender attenuierter Lebendimpfstoffkandidat gegen Toxoplasmose vorgestellt. Der nächste Schritt wäre zu prüfen, ob auch größere Tiere durch den Impfstoff geschützt werden können, um den Übertragungszyklus auf den Menschen zu durchbrechen. Wir warten gespannt auf weitere Ergebnisse dieser Forschungsgruppe. 

Referenzen:
1. https://cordis.europa.eu/article/id/151498-vaccine-against-toxoplasmosis/de
2. Flegr J. et al. (2021). Toxoplasmosis is a risk factor for acquiring SARS-CoV-2 infection and a severe course of COVID-19 in the Czech and Slovak population: a preregistered exploratory internet cross-sectional study. Parasites Vectors 14, 508 (2021). 
3. Yang W.B. et al. (2019). Immunization With a Live-Attenuated RH:ΔNPT1 Strain of Toxoplasma gondii Induces Strong Protective Immunity Against Toxoplasmosis in Mice. Frontiers Microbiology, 13 August 2019.
4. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html
5. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tschechischerepublik-node/tschechischerepubliksicherheit/210456
6. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/129945/Slowakei-lockert-Beschraenkungen
7. https://deutsch.radio.cz/neue-regierung-tschechiens-setzt-corona-pandemie-auf-eigenverantwortung-8737225