COPD-Patient mit Herzinsuffizienz: Verordnen Sie Betablocker?

Sollte man bei der Behandlung einer chronischen Herzinsuffizienz bei COPD-Patienten auf Betablocker lieber verzichten, um respiratorische Komplikationen zu vermeiden?

COPD-Patient mit Herzinsuffizienz: Verordnen Sie Betablocker?

Sollte man bei der Behandlung einer chronischen Herzinsuffizienz bei COPD-Patienten auf Betablocker lieber verzichten, um respiratorische Komplikationen zu vermeiden? Ein scheinbares Dilemma, das in der ärztlichen Praxis häufig auftritt. 20 bis 30% der Herzinsuffizienz-Patienten leiden auch an einer COPD. Besteht dann nicht die Gefahr, dass man mit Betablockern eine Bronchokonstriktion provozieren und die Inhalationstherapie mit langwirksamen Betamimetika konterkarieren könnte?

Bekanntes Thema, klare (Leitlinien-) Antwort

Das Thema ist nicht neu und die Antwort auf diese Frage mittlerweile auch nicht: Nein, es besteht kein Grund, auf (selektive) Betablocker in diesem Fall zu verzichten. Jedenfalls nicht laut Leitlinienempfehlung und der vorhandenen Evidenz, auf die sie sich beruft. Dennoch bekommen Herzinsuffizienz-Patienten im realen Praxisalltag nur halb so oft wie sonst Betablocker verordnet, wenn sie gleichzeitig an einer COPD leiden. Das hat kürzlich eine Untersuchung1 aus Großbritannien gezeigt.

Neue Studie kritisiert Unterversorgung in britischen Hausarztpraxen

Dort gibt es eine „Optimum Patient Care Research Database“ (OPCRD) genannte Datenbank, die häufig für pharmakoepidemiologische Studienzwecke benutzt wird. Sie enthält anonymisierte longitudinale Datensätze aus über 2,4 Millionen Patientenakten von mehr als 500 hausärztlichen Praxen. Daraus zogen sich die Wissenschaftler die Daten von Patienten mit Herzinsuffizienz und COPD (über 10.800) und verglichen sie mit jenen von Patienten, die nur an einer Herzinsuffizienz litten (über 24.200). Genauer gesagt, schauten sie sich die Verschreibungen im jeweils aktuellsten Behandlungsjahr der Patienten an.

Und so wurden die Herzinsuffizienz-Patienten ohne bzw. mit COPD behandelt: 27%, bzw. 45% erhielten nur einen ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten, 8% bzw. 5% nur einen Betablocker und 41% bzw. 22% eine Kombination aus Betablocker plus ACE-Hemmer/AT1-Antagonist.

Bei den Herzgeschwächten mit obstruktiver Lungenerkrankung waren die Ärzte in der Verschreibung von Betablockern laut statistischer Analyse deutlich – nämlich um 46% – zurückhaltender. Das galt für jede Intensität der Inhalationstherapie und auch nach Berücksichtigung der unterschiedlichen Patientencharakteristika: wie etwa Behandlungsjahr, Alter, Herzinfarkt-Anamnese oder Asthma-Diagnose – einer (weiterhin!) klaren Kontraindikation für Betablocker.

Leitlinie: Betablocker gehören zur Herzinsuffizienz-Therapie – auch bei COPD

Die Zeiten, in denen Betablocker als kontraindiziert bei einer Herzinsuffizienz galten, sind lange vorbei. Heute sind diese Medikamente ein fester Bestandteil der Herzschwäche-Therapie. Und das sollten sie auch dann sein, wenn gleichzeitig eine COPD vorliegt.

„Es gibt keine Evidenz dafür, dass eine chronische Herzinsuffizienz in Gegenwart einer COPD anders behandelt werden sollte. Die Behandlung mit Beta1-Blockern verbessert das Überleben bei Herzinsuffizienz und wird empfohlen. Dennoch werden Beta1-Blocker häufig bei einer COPD nicht verschrieben, obwohl die verfügbare Evidenz zeigt, dass ihr Einsatz bei einer COPD sicher ist. Es sollten selektive Beta1-Blocker verwendet werden.“ So steht es, wörtlich übersetzt, in der aktuellsten Fassung des GOLD-Reports2, der international wichtigsten Leitlinienempfehlung für den COPD-Bereich.

Praxis: Bei schwerer Herzinsuffizienz noch seltenere Betablocker-Verschreibung

Nochmal kurz zur erwähnten Studie: Das Durchschnittsalter der komorbiden Patienten betrug 79 Jahre. Im Vergleich zu den Herzinsuffizienz-Patienten ohne COPD wiesen sie öfter eine Asthma-Diagnose (32% vs. 26%) auf. Zudem ließ sich bei ihnen häufiger eine höhergradige Herzschwäche ausmachen (NYHA-Stadium 3 oder 4: 37% vs. 20%). In diesem Fall war die Verordnungswahrscheinlichkeit für Betablocker nicht nur um 46%, sondern um ganze 74% reduziert. In beiden Patientengruppen erfolgte die Betablockade übrigens zu 10% nicht-selektiv mit dem Wirkstoff Carvedilol.

Die Autoren heben als Ergebnis ihrer Arbeit eine eklatante Unterversorgung von COPD-Patienten mit Betablockern hervor, sehen aber keinen evidenten Grund für diese Zurückhaltung. Früher war der Einsatz von Betablockern bei COPD-Patienten mit kardialen Komorbiditäten lange Zeit umstritten. Heute weist die bisherige Datenlage jedoch eher Vor- als Nachteile für die Betablockade aus.

Evidenz aus randomisierten Studien bisher begrenzt

Eine Cochrane-Metaanalyse3 von 22 kontrollierten Studien ergab vor gut einem Jahrzehnt: Mit den kardioselektiven Betablockern Bisoprolol, Metoprolol und Nebivolol wird weder die Einsekundenkapazität (FEV1) noch das Ansprechen auf inhalative Betamimetika negativ beeinflusst. Allerdings: Die Studien waren klein und nicht auf höchstem Design-Niveau, die Gesamtzahl der Probanden umfasste nur rund 320. Auf randomisierte Studien größeren Umfangs und mit klinisch relevanten Endpunkten (Mortalität, Exazerbationsrate) kann sich die positive Einschätzung zu Betablockern bei COPD bisher nicht stützen.

Retrospektiv scheint der Betablocker-Einsatz jedenfalls selbst während einer akuten Exazerbation unbedenklich zu sein. Einer niederländischen Studie3 zufolge konnte mit der Betablocker-Medikation eine Abnahme des Exazerbationsrisikos und der Mortalität bewirkt werden. Eine jüngere Publikation4 belegt ebenfalls den Nutzen der Betablocker für herzinsuffiziente COPD-Patienten, und das unabhängig von der Frage der Wirkstoffselektivität an den ß-Adrenozeptoren.

Wie sieht das bei uns aus?

Ob es nun in deutschen Praxen anders aussieht als in den britischen, konnten wir bisher nicht ermitteln. Beiträge mit ähnlichem Tenor haben wir gefunden, nicht aber Studien mit Zahlen zur deutschen Verordnungslage. Wie geht es Ihnen mit dieser alltäglichen Fragestellung: Betablocker bei COPD-Patienten mit Herzinsuffizienz – ja oder nein oder wann schon und wann nicht?

Referenzen:

  1. Lipworth B et al. Underuse of β-blockers in heart failure and chronic obstructive pulmonary disease. Heart 2016;102:1909-14.
  2. Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of COPD, Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD). 2017 Report. (//goldcopd.org; Zugriff am 01.12.2016)
  3. Salpeter S et al. Cardioselective beta-blockers for chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database Syst Rev 2005;(4): CD003566.
  4. Rutten FH et al. Beta-blockers may reduce mortality and risk of exacerbations in patients with chronic obstructive pulmonary disease. Arch Intern Med 2010;170:880-87.
  5. Mentz RJ et al. Association of beta-blocker use and selectivity with outcomes in patients with heart failure and chronic obstructive pulmonary disease (from OPTIMIZE-HF). Am J Cardiol 2013;111:582-7.