Lungenfibrose – eine unterschätzte diabetische Folgeerkrankung?
Wir kommen nach dem Gastbeitrag zur häuslichen Beatmung bei COPD-Patienten nochmal zum Thema Diabetes und Lunge – und nehmen gerne den Ball auf, der uns in einem Leserkommentar zugespielt wurde: die Lungenfibrose als diabetischer Folgeschaden. Die Fachdiskussion dazu gibt es schon länger, die Beiträge in der internationalen Literatur mehren sich.
Wir kommen nach dem Gastbeitrag zur häuslichen Beatmung bei COPD-Patienten nochmal zum Thema Diabetes und Lunge – und nehmen gerne den Ball auf, der uns in einem Leserkommentar zugespielt wurde: die Lungenfibrose als diabetischer Folgeschaden. Die Fachdiskussion dazu gibt es schon länger, die Beiträge in der internationalen Literatur mehren sich.
Lungenfibrose bei Diabetes-Patienten ebenso gehäuft wie bei Rauchern
In Deutschland wird das Thema offenbar vor allem am Universitätsklinikum Heidelberg vorangetrieben. Vor zwei Jahren erschien ein lesenswerter Übersichtsartikel im Deutschen Ärzteblatt1 von Dr. Stefan Kopf und seinem Chef Prof. Peter Nawroth. Die Kernaussagen:
- Bei Diabetes-Patienten tritt die Lungenfibrose genauso gehäuft auf wie bei Rauchern. Epidemiologische Daten und Querschnittsstudien sprechen dafür, dass es sich dabei tatsächlich um eine diabetische Spätkomplikation handelt. Diese Hypothese muss noch durch weitere Versuche im Mausmodell und durch prospektive klinische Studien etabliert werden.
- Assoziierte pulmonale Funktionsstörungen zeigen sich vor allem bei der forcierten Vitalkapazität (FVC), der 1-Sekunden-Kapazität (FEV1) und der Single-Breath-Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO). Die restriktive Lungenfunktionseinschränkung ist umso ausgeprägter, je länger die Diabetes-Erkrankung andauert und je schlechter der Blutzucker eingestellt ist. Die Beobachtung gilt für Typ1- und Typ-2-Diabetes und unabhängig von Nikotinkonsum und Adipositas.
- Pathophysiologisch spielen der erhöhte oxidative Stresslevel und die geminderte DNA-Reparaturfähigkeit bei Diabetes eine wichtige Rolle. Advanced Glycation Endproducts (AGEs) können durch Bindung an den AGE-Rezeptor (RAGE) auf Entzündungszellen inflammatorische Signalkaskaden auslösen und sind dadurch am chronischen Entzündungsgeschehen und der Entstehung von diabetischen Spätschäden beteiligt.
Kopf, Leiter der Studienambulanz für Diabetes-Forschung an der Heidelberger Uniklinik, trug zu diesem Thema auch beim diesjährigen Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Hamburg vor2. "10% unserer Patienten mit Typ-2-Diabetes haben eine unerkannte Lungenfunktionsstörung", so Kopf. Bei der DLCO-Messung fand sich im betreffenden Patienten-Kollektiv die folgende Verteilung:
Als typischen Fall präsentierte Kopf gleich zu Beginn den Befund bei einer 65-jährigen Patientin mit Typ-2-Diabetes:
- HbA1c: 8,2%
- Mikroalbuminurie, Retinopathie, Neuropathie, keine Carotis-Plaques
- Atemnot und nachlassende Belastbarkeit seit 3 Jahren
- 4mal beim Kardiologen: Echo normal, keine KHK
- keine Obstruktion der Atemwege
- Lungenfunktion: FVC = 81%, FEV1/VC = 98%, DLCO = 44%
- HR-CT: Lungenfibrose
Die "diabetische Pneumopathie" ist keine Seltenheit!
Gravierende neue Erkenntnisse hat es in den vergangenen zwei Jahren anscheinend zwar nicht gegeben. Immerhin ist das Fragezeichen aus der Überschrift verschwunden (siehe Referenzen).
Die Botschaft ist tatsächlich wichtig und wohl immer noch relativ neu: Die Lungenfibrose kann als ein Teil des diabetischen Folgekomplexes betrachtet werden und ist für mehr als jeden zehnten Diabetes-Patienten relevant. Störungen im Stoffwechsel führen zu DNA-Schäden mit nachfolgender Seneszenz und Fibrose in Lunge, Nieren, Leber, Nerven, Hypothalamus und Gefäßen. Fibrosierung und Entzündung bilden die gemeinsame Grundlage verschiedener Komplikationen. Natürlich müssen die Prozesse noch besser verstanden werden, um gezielte neue Therapien entwickeln zu können.
Laut Kopf leiden 11-25% der Fibrose-Patienten an der Blutzuckerkrankheit. Pulmonale Diabetes-Schäden sind also keine Seltenheit. Wichtig ist es, die frühzeitigen Veränderungen der "diabetischen Pneumopathie" auch frühzeitig zu erkennen, um früher als bisher zu intervenieren. Im HR-CT lassen sich bereits im frühen Stadium kleine Veränderungen erkennen.
Frühzeitiges Intervenieren heißt vor allem: mehr körperliche Bewegung
Hausärzte und Diabetologen sollten rechtzeitig daran denken, ihre Patienten im Zweifelsfall zur Lufu zu schicken. Dann ergeben sich auch entsprechende Behandlungschancen. Die bestehen in erster Linie in einer Lebensstil-Intervention und gezielter körperlicher Bewegung. Kopf empfahl dafür vor allem Ausdauersport, mindestens 3mal pro Woche und mit mindestens 4 metabolischen Äquivalenten (MET) pro Trainingseinheit.
Dass die erfolgreiche Absolvierung eines gezielten Trainings etwas Messbares bringt, hat gerade eine australische Studie3 im RCT-Design nachgewiesen, an der 142 Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung teilnahmen.
Referenzen:
1. Kopf S, Nawroth P. Lungenfibrose: Eine Komplikation des Diabetes? Dtsch Arztebl 2015;112(43):[14]. doi: 10.3238/PersDia.2015.10.23.04.
2. Kopf S, Nawroth P. Lungenfibrose – eine diabetische Folgeerkrankung. / Kopf S. Renale und pulmonale Fibrose in Diabetes mellitus Typ 2 – chronische Inflammation und DNA-Schäden als gemeinsame Marker für Spätschäden. Symposium „Diabetes und Pneumologie“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin beim Diabetes Kongress 2017. Hamburg, 25. Mai 2017.
3. Dowman LM et al. The evidence of benefits of exercise training in interstitial lung disease: a randomised controlled trial. Thorax. 2017;72(7):610-9.
Abkürzungen:
HR-CT = hochauflösende Computertomographie
Lufu = Lungenfunktionsprüfung
VC = Vitalkapazität