"Man lernt auch so einige Tricks mit der Zeit"

Erfahrungsberichte von Patienten sind eine wertvolle Informationsquelle – für andere Patienten, aber auch für Ärzte, medizinisches Personal und ebenso für andere Akteure in der Gesundheitsversorgung, z. B. die Kostenträger. Ein überraschender Gedanke?

Erfahrungsberichte von Patienten sind eine wertvolle Informationsquelle – für andere Patienten, aber auch für Ärzte, medizinisches Personal und ebenso für andere Akteure in der Gesundheitsversorgung, z. B. die Kostenträger. Ein überraschender Gedanke?

Klar, wir haben tagtäglich mit erfahrungsbasierten Äußerungen unserer Patienten zu tun. Meistens ist das aber nur Stückwerk, häppchenweise kredenzt als mehr oder weniger brauchbare Antworten auf unsere meist recht gezielten Fragen im Anamnese- und Konsultationsgespräch. Die Aussagen sind abhängig von der individuellen Tagesform auf beiden Seiten des Tisches und von weiteren situativen und persönlichen Einflussfaktoren. Das Mitgeteilte wird mit ärztlicher Routine verkürzt und nach Relevanz gefiltert notiert und verschwindet dann in der Patientenakte.

Eine Krankengeschichte zu erzählen, braucht Zeit und Raum

Wer lässt im Praxisalltag die Patienten schon frei weg von der Leber erzählen, mit der nötigen Zeit und Ruhe, die es braucht, um nicht nur ein paar Fakten zu schildern, sondern tatsächlich eine Krankengeschichte zu erzählen und ein persönliches Befindlichkeitsporträt zu malen?

Eine Horrorvorstellung? Mit Blick auf die Uhr, den Praxis- oder Kliniktakt und die Vergütungsarithmetik wohl schon. Mit Blick auf den Patienten, der sich anvertraut, eigentlich ein ärztliches Gebot. Aber selbst angenommen, ein Patient, der bereit ist, seine reflektierten Erfahrungen und Gefühlslagen preiszugeben, dürfte (natürlich anonym) erzählen – wer würde seine Darstellung aufzeichnen und für Interessierte verfügbar machen?

IQWiG-Website: Erfahrungsberichte als Patienteninformation

Das IQWiG hat es getan und auf stellt auf seiner Website gesundheitsinformation.de bei einigen Krankheitsbildern Erfahrungsberichte in Form von Interviews zur Verfügung. Meistens sind es zwei, die vor rund einem Jahrzehnt erstellt wurden. So auch bei COPD, bei Asthma sind es sogar fünf. "Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar", heißt es in der Danksagung unter den Texten.

Natürlich kommen einem da gleich ein paar Fragen in den Sinn, etwa: Warum nur zwei? Warum keine neuen? Nach welchen Kriterien wurden die Erfahrungsberichte bzw. die interviewten Patienten ausgewählt? Wie wurden die Interviews geführt – hat man die Patienten einfach reden lassen oder Fragen gestellt bzw. Vorgaben gemacht? Wurde eventuell redigiert oder gar zensiert? Sind damit (gesundheitspolitische) Hintergedanken oder Interessen verknüpft?

Das können wir nicht beantworten. Die Erfahrungsberichte wirken durchaus authentisch. Sie zeichnen ein persönliches Bild der Erkrankung und der Versorgungsrealität und wie die Patienten mit beidem irgendwie zurechtkommen, inklusive Tipps und Tricks.

Deutlich wird, wie lange die Patienten – ungeachtet ärztlicher Diagnosestellung und vermeintlicher Aufklärung – brauchen, um ihre Krankheit erkennen, begreifen, verstehen und akzeptieren zu können und wie wichtig in diesem Zusammenhang der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen ist (was auch für Internetforen gilt, die in den von uns gecheckten Berichten allerdings nicht erwähnt werden).

Was für die Patienten wichtig ist

Der durch einschneidende Erfahrungen getriggerte Rauchverzicht wird ebenso thematisiert wie Reha und Lungensport, aber auch praktische Fragen im Umgang mit Medikation und Sauerstoffgerät, Atemnot und Atemübungen, die Bedeutung der täglichen Bewegung, meditative Praktiken wie Qi-Gong (siehe letzter Blogbeitrag) sowie die Ängste, die jeder Patient kennt und durchmacht. Und vieles mehr von dem, was den Patienten in der Rückschau, in der Gegenwart und mit dem Blick nach vorn wichtig erscheint.

Andere Patienten können sich in den Schilderungen, Informationen und Bildern wiederfinden, daraus lernen, sich verbunden fühlen und Mut schöpfen. Ärzte und andere Gesundheitsakteure können die Bedürfnisse und Beweggründe ihrer Patienten, Versicherten und Kunden besser verstehen lernen. Vielleicht sollten wir auch ein paar Erfahrungsberichte auf die Praxiswebsite stellen.

Abkürzungen:
IQWiG = Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen