Neues Target bei chronisch entzündlichen Atemwegserkrankungen: Exosomen

Viel Forschung und Medikamentenentwicklungen fokussierten bislang auf die Blockade von Chemokinen. Doch deren "Verpackung" könnte neuen Daten zufolge ein vielversprechender Angriffspunkt sein.

Viel Forschung und Medikamentenentwicklungen fokussierten bislang auf die Blockade von Chemokinen. Doch deren "Verpackung" könnte neuen Daten zufolge ein vielversprechender Angriffspunkt sein.

Eine aktuelle Arbeit der Washington University School of Medicine in St. Louis wirft ein neues Licht auf die Rolle von Chemokinen für chronisch entzündliche Atemwegserkrankungen.1,2
Bekannt war, dass diese Zytokine Signalwege anstoßen, die die Inflammation wie einen Schwelbrand am Laufen halten und so zur fortschreitenden Schädigung des Parenchyms beitragen. Wie diese entzündlichen Botenstoffe "verpackt", sind, könnte jedoch ebenso bedeutend sein: Zytokine können in Exosomen, winzigen Kompartimenten, eingeschlossen sein, was ihre Nachweisbarkeit extrem erschwert und eine Untersuchung ohne spezielle Instrumente nahezu unmöglich macht.
"Wie eine bestimmte Familie von Zytokinen aus den Zellen herausgelangt, um Entzündung auszulösen, ist ein Rätsel, das das Feld lange Zeit beschäftigt hat", sagt die Leiterin der Forschungsgruppe, Prof. Jennifer Alexander-Brett, PhD, von der Abteilung für Lungenheilkunde und Intensivmedizin. Durch ihre Entdeckungen fanden die Wissenschaftler einen neuen Weg, das Chemokin IL-33 zu blockieren, wodurch sich die Entwicklung einer Lungenerkrankung, zumindest im Mausmodell, verhindern ließ.

Eine Entdeckung, die neue Wege zu potenziellen Behandlungen für chronische entzündliche Erkrankungen aufzeigt

Derzeitige Therapien für Erkrankungen wie COPD reduzieren zwar die Symptome, können jedoch die Pathologie nicht stoppen oder umkehren. "Wir beginnen zu verstehen, dass Schlüsselzytokine in Exosomen so verpackt sein können, dass es die Art und Weise, wie wir sie ansteuern würden, um entzündungshemmende Therapien zu entwickeln, völlig verändert", führt Prof. Alexander-Brett weiter aus.

Bislang war unbekannt, was die Exosomen genau tun. Ihr Studium verlangt aufwändigste Technologien, denn sie sind klein, schwer zu isolieren und umso leichter zu übersehen. Zu den eingesetzten Verfahren gehörte die vergleichsweise neue optische Technik zur Detektion einzelner Nanopartikel namens single-particle interferometric reflectance imaging sensor (SP-IRIS).

Aus ihren Vorarbeiten wussten die Forscher um die zentrale Bedeutung von Interleukin 33 (IL-33) für zahlreiche Erkrankungen, darunter auch COPD und Asthma, doch warum es ein so potenter Motor für entzündliche Prozesse ist, war unklar.
Durch umfassende Untersuchungen an humanen Epithelzellen fanden sie heraus, dass IL-33 in die Atemwege freigesetzt wird, verpackt mit einem Exosom. Hierbei liegt die Betonung auf "mit", denn erschwerend kommt hinzu, dass IL-33 nicht eingeschlossen in die kleinen Vesikel wandert, sondern huckepack an der Außenseite. Eine Verpackung mit Exosomen scheint ein Schlüsselmerkmal von Zytokinen zu sein, die nicht auf klassischem Wege freigesetzt werden. 

Verbindung mit Exosomen könnte Zytokin-Wirkung bestimmen

Sodann arbeiteten sie in einem murinen Modell weiter. Duch Einatmen einer Schimmelpilz-Art (Alternaria) lässt sich bei Mäusen eine Lungenerkrankung auslösen, vergleichbar der Entwicklung von Asthma durch ein inhaliertes Allergen.
Anstatt das Zytokin IL-33 direkt zu blockieren, verabreichten die Forscher den Versuchstieren einen Wirkstoff, der die Sekretion von Exosomen hemmt. Bei den so behandelten Tieren entstand keine Atemwegserkrankung.

Alle Exosomen zu blockieren, wie in diesem Mausexperiment, ist natürlich nicht das gewünschte Ziel der Forscher, denn so könnten auch nützliche Prozesse unterdrückt werden. Die Gruppe hofft, Wege zur selektiven Ansteuerung spezifischer Exosomen zu finden, idealerweise in einer Form, die sich inhalativ verabreichen lässt, um den Effekt gezielt in die Atemwege zu bringen, wo er gebraucht wird.
"Wir benötigen mehr Forschung, um einen Inhibitor zu finden, der IL-33 daran hindert, überhaupt in das Exosom eingebaut zu werden, was theoretisch den anfänglichen Auslöser der chronischen Lungenerkrankung stoppen würde", schließt Prof. Alexander-Brett. 

Das Thema Exosomen nimmt derweil richtig an Fahrt auf. Die derzeitigen Entdeckungen wirken sich stark auf unser Konzept von Krankheiten und deren Untersuchung aus und dies könnte unsere Krankheitsmodelle auf eine neue Ebene bringen.3 

Referenzen:
1. Katz-Kiriakos, E. et al. Epithelial IL-33 appropriates exosome trafficking for secretion in chronic airway disease. JCI Insight 6, 136166 (2021).
2. New strategy blocks chronic lung disease in mice. https://www.newswise.com/coronavirus/new-strategy-blocks-chronic-lung-disease-in-mice/?article_id=746674.
3. Exosomen bringen Krankheitsmodelle auf die nächste Ebene: Von in vivo zu in vitro. https://www.beckman.de/resources/research-areas/exosomes/characterizing-disease-in-vitro.