Pneumologischer Tatort: Die Asthma-Angst-Connection

Angst ist in den meisten Fällen keine angenehme, aber eine physiologische Reaktion. Aber was ist, wenn sie krankhaft wird? Sind Asthma und Angststörungen signifikant miteinander gekoppelt? Zu den wenigen Studien, die die wechselseitige Beziehung der beiden Erkrankungen untersucht haben, zählen zwei Arbeiten, die im vergangenen Jahr publiziert wurden.

Angst ist in den meisten Fällen keine angenehme, aber eine physiologische Reaktion. Aber was ist, wenn sie krankhaft wird? Sind Asthma und Angststörungen signifikant miteinander gekoppelt? Zu den wenigen Studien, die die wechselseitige Beziehung der beiden Erkrankungen untersucht haben, zählen zwei Arbeiten, die im vergangenen Jahr publiziert wurden.

Für eine von Wissenschaftlern der Universität Cagliari (Sardinien, Italien) geführte interdisziplinäre Autorengruppe sind bidirektionale Bezüge in der "Asthma-Angst-Connection" wahrscheinlich1. Sie verglichen jeweils 96 erwachsene Patienten und Kontrollpersonen, gematcht nach Geschlecht, Alter, Ehestand, Zusammenleben und BMI. Personen mit Asthma wurden nach GINA- und ACT-Kriterien eingeteilt und alle Teilnehmer einem strukturierten klinischen Interview (SKID-I) zur Diagnostik nach DSM-IV (Achse I) unterzogen.

Mit einer Odds Ratio von 3,03 (p = 0,003) fand sich eine deutliche Korrelation zwischen Asthma und Angststörungen. Die Assoziation hing dabei vom Asthma-Schweregrad ab, unabhängig davon, ob die Angsterkrankung aktuell oder irgendwann im Leben auftrat.

Erst Asthma, dann Angst – oder umgekehrt?

Was kommt zuerst – die Angst oder das Asthma? Das scheint sich die Waage zu halten, jedenfalls den Ergebnissen dieser Fall-Kontroll-Studie zufolge. In der recht überschaubaren Studienpopulation entwickelte sich in 48% der Fälle die Atemwegs- und zu 52% die Angsterkrankung zuerst. Dabei gab es zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede.

Die statistische Analyse ergab Hinweise auf ein bidirektionales Geschehen: Patienten, bei denen aktuell oder irgendwann im Leben eine Angststörung diagnostiziert wurde, wiesen ein erhöhtes Asthma-Risiko auf, besonders im Hinblick auf schwere, unkontrollierte Formen. Umgekehrt war das ebenfalls der Fall: Für Asthma-Patienten war, auch bei episodenhaftem Krankheitsverlauf, die Gefahr einer Angsterkrankung erhöht, ob als aktuelle Komorbidität oder über den Lebenszeitraum betrachtet. Für andere psychiatrische Diagnosen fand sich dagegen kein solcher signifikanter Zusammenhang.

Zweite Studie aus Asien

Einem deutlich größeren Patientenkollektiv widmete sich – ebenfalls im Fall-Kontroll-Design – eine taiwanesische Bevölkerungsstudie2. Die Wissenschaftler bedienten sich dafür aus der Forschungsdatenbank des nationalen Krankenversicherungssystems. Es wurden knapp 23.000 neue Asthma-Fälle aus den Jahren 2000-2007 herausgesucht. Die Patienten im Alter über 15 Jahre hatten ihre Diagnose stationär oder über mindestens ein Jahr ambulant gestellt bekommen. Ihre Daten wurden mit denen einer ebenso großen Zahl an Kontrollen, gematcht nach Geschlecht, Alter, Wohnsitz und Versicherungsbeitrag, verglichen und bis Ende 2008 weiterverfolgt.  

Bidirektionaler Zusammenhang retrospektiv bestätigt

Ergebnis: Die Autoren halten eine bidirektionale Beziehung zwischen Asthma und Angststörung in der untersuchten Population für erwiesen. Knapp 2.800 der fast 46.000 Personen hatten eine bestätigte Angststörung über einen mittleren Beobachtungszeitraum von 5,3 Jahren. Asthma, Weiblichkeit, höheres Alter, ländlicher Wohnsitz, depressive Erkrankung und Prednison-Anwendung wurden als unabhängige Risikofaktoren bei Angstzuständen ermittelt. Nicht evaluiert wurden leider, wie die Autoren einräumen, der jeweilige Schweregrad des Asthmas und der Angststörung, die Dauer und Adhärenz der Prednison-Behandlung, belastende Lebensereignisse, Raucherstatus sowie Familiengeschichte und -beziehung.

Eine weitere Publikation3 aus demselben Autorenumfeld hat übrigens auch bei COPD-Patienten ein erhöhtes Risiko für Angststörungen herausgefunden.

Fazit: auf psychiatrische Komorbidität achten und Unterstützung veranlassen

Das Fazit für die Praxis ist sicher nicht neu, aber immer wieder bedenkenswert: Bei Asthma und COPD sollte einer möglichen psychiatrischen Komorbidität und ihrer Behandlung ausreichend Beachtung geschenkt werden. Laut einer aktuellen Studie4 aus Ann Arbor (University of Michigan, USA) mit NHANES-Daten aus den Jahren 2007-2012 erhöht eine Depression bei älteren Asthma-Patienten die Wahrscheinlichkeit schlechter Therapiesergebnisse um nahezu das Doppelte. Das zeigte sich u.a. in asthmabezogenen Besuchen der Notfallambulanz, nicht aber in den Spirometrie-Werten.

Referenzen:
1. Del Giacco SR et al. The asthma-anxiety connection. Respir Med 2016;120:44-53. doi: 10.1016/j.rmed.2016.09.014.
2. Lee YC et al. Association of asthma and anxiety: A nationwide population-based study in Taiwan. J Affect Disord. 2016;189:98-105. doi: 10.1016/j.jad.2015.09.040.
3. Hsieh MH et al. Chronic obstructive pulmonary disease and anxiety disorders: a nationwide population-based study in Taiwan. Gen Hosp Psychiatry 2016;42:1-6. doi: 10.1016/j.genhosppsych.2016.05.005.
4. Patel PO et al. Depression and Asthma Outcomes in Older Adults: Results from the National Health and Nutrition Examination Survey. J Allergy Clin Immunol Pract 2017;5(6):1691-7.

Abkürzungen:
ACT = Asthma Control Test
DSM-IV = vorletzte Version des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
GINA = Global Initiative for Asthma
NHANES = National Health and Nutrition Examination Survey