Verdacht auf Lungenembolie – ab zur CT?

Die CT-Anordnung bei Verdacht auf Lungenembolie sollte reflektiert und nicht reflexhaft erfolgen.

Die CT-Anordnung bei Verdacht auf Lungenembolie sollte reflektiert und nicht reflexhaft erfolgen.

Herr Meier ist 59 Jahre, übergewichtig, Beamter und wegen einer COPD in ärztlicher Behandlung. Plötzlich verschlechtert sich sein Zustand dramatisch. Der Patient entwickelt Beinödeme, eine ausgeprägte Bronchospastik und eine Hyperkapnie. Schließlich muss er zur Beatmung auf Intensiv. Das EKG ist unauffällig, der Röntgen-Thorax sieht nach Lungenstauung aus. Die übliche Exazerbationstherapie führt zu keiner Besserung. Was tun?

Hinweis an die Redaktion (und an Leser mit phänomenalem Gedächtnis): Dieser Beitrag ist keine Duplette, gleich geht es anders weiter ...

An die Möglichkeit einer Lungenembolie zu denken, wäre eine gute Option. Also ab zur CT?

"Klug entscheiden"-Empfehlung gegen diagnostische Überversorgung mit CTPA

In den "Klug entscheiden"-Empfehlungen der DGP heißt es: "Bei einer niedrigen klinischen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie und negativen D-Dimeren soll keine CT-Angiographie der Lunge durchgeführt werden."

Wie ist die Lungenembolie-Wahrscheinlichkeit bei Herrn Meier einzustufen? Sehr niedrig, wenn keines der acht PERC-Kriterien (pulmonary embolism rule-out) zutrifft. Diese sind zum schnellen Rekapitulieren bei Bedarf im Blog-Beitrag AECOPD-Ursache unklar? An Lungenembolie denken! aufgelistet, aus dem wir auch den kasuistischen Eingangsabsatz entlehnt haben. Die "acht einfachen Kriterien" reichen aus, "um den Anfangsverdacht einer Lungenembolie zu erhärten bzw. auszuschließen", teilte die DGP im April der Öffentlichkeit mit. Anlass war eine kürzlich im JAMA erschiene französische Studie1.

Bei Herrn Meier erscheint eine Lungenembolie schon allein wegen seines Alters nicht ganz unwahrscheinlich und eine CT-Pulmonalisangiographie (CTPA) zur diagnostischen Abklärung gerechtfertigt. In bestimmten Fällen ist bei Verdacht auf Lungenembolie allerdings eine Szintigraphie der Spiral-CT vorzuziehen. Wissen Sie, in welchen?

Wann ist eine Szintigraphie angebracht?

Dazu hat sich der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner (BDN) vor einigen Monaten in einer Pressemitteilung geäußert, bezugnehmend auf die Verlautbarung geeigneter Anwendungskriterien durch eine hauptsächlich US-amerikanisch besetzte Expertengruppe2. Es wurden 21 Anwendungsszenarien bewertet. Für folgende Patientengruppen wird demnach der Einsatz der Szintigraphie zur Abklärung einer Lungenembolie empfohlen:

Wie ist das mit der Strahlenbelastung?

Apropos Strahlenbelastung: Sie ist neben den Kosten der Hauptgrund, warum sich eine reflexhafte, unkritische Anordnung von CT-Untersuchungen verbietet. Genau die wird allerdings seit vielen Jahren immer wieder kritisiert. Wissen die Nichtradiologen, die ja für die Mehrheit der beauftragten CT-Scans verantwortlich sind, ausreichend über die jeweiligen Strahlendosen Bescheid? Dazu folgende Fragen:

  1. Wie hoch ist die Strahlenbelastung eines Menschen durch natürliche Quellen wie die kosmische Strahlung?
  2. Wie hoch ist die Strahlendosis einer konventionellen Röntgenaufnahme des Brustraums?
  3. Wie hoch ist die Strahlenbelastung einer Computertomographie des Brustraums beim Erwachsenen?
  4. Wie hoch ist die Strahlendosis einer Herz-CT?
  5. Ist die Strahlendosis einer Low-Dose-CT kleiner, gleich oder größer als die einer konventionellen Röntgenaufnahme?
  6. Ist die Strahlendosis einer High-Resolution-CT kleiner, gleich oder größer als die einer konventionellen Röntgenaufnahme?

Die Fragen stammen aus einer Umfrage3 des Instituts für Radiologie der Ruhr-Universität Bochum und wurden 119 Ärzten des Universitätsklinikums aus den Fachgebieten Chirurgie, Innere Medizin, Anästhesie und Neurologie gestellt. 72 % der befragten Kliniker unterschätzten die im Vergleich zur konventionellen Röntgenaufnahme 100- bis 1000-fach stärkere CT-Strahlendosis. Die Antworten fielen in der Studie so aus:

  1. 2,1 mSv pro Jahr
  2. 0,01–0,1 mSv (39,5 % richtige Antworten)
  3. 1–10 mSv (33,6 %)
  4. 10-100 mSv (26 %)

Die befragten Kollegen lagen also in ihrer Einschätzung mehrheitlich daneben. Berufserfahrung, Position oder Fachrichtung machten dabei keinen Unterschied.

Bewusster Umgang mit der CT-Anordnung ist gefragt

Zwischen 1996 und 2010 ist das CT-Aufkommen einer Untersuchung des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) zufolge um 130 % gestiegen. Ob sich die Kenntnis über die Strahlenbelastung und das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit der CT-Anforderung bis heute wesentlich verbessert hat, wissen wir nicht.

Immerhin hat die mittlere Strahlendosis bei CT-Untersuchungen in den vergangenen Jahren um 16 % abgenommen. Zu diesem Ergebnis kam eine bundesweite Studie4 zur CT-Expositionspraxis, die das BfS in den Jahren 2013/2014 gemeinsam mit der Deutschen Röntgengesellschaft und dem BDN in Krankenhäusern, Universitätskliniken und Praxen durchgeführt hat. Auf der BfS-Website finden sich auch die aktualisierten diagnostischen Referenzwerte für Röntgen- und nuklearmedizinische Untersuchungen. Wenn Patienten – jenseits von Notfällen – in die Röhre geschoben werden, sollte die damit verbundene Strahlenbelastung allen Beteiligten klar und das Nutzen-Risiko-Verhältnis angemessen abgewogen sein.

Referenzen:
1. Freund Y et al. Effect of the Pulmonary Embolism Rule-Out Criteria on Subsequent Thromboembolic Events Among Low-Risk Emergency Department Patients. JAMA 2018;319(6):559-66
2. Waxman AD et al. Appropriate Use Criteria for Ventilation-Perfusion Imaging in Pulmonary Embolism: Summary and Excerpts. J Nucl Med 2017;58(5):13N-15N
3. Heyer CM et al. Einschätzung der Strahlenbelastung radiologischer Thorax-Verfahren: Was ist Nichtradiologen bekannt? Rofo 2007;179(3):261-7
4. Schegerer AA et al. Current CT practice in Germany: Results and implications of a nationwide survey. Eur J Radiol 2017;90:114-128

Abkürzungen:
DGP = Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
JAMA = Journal of the American Medical Association
mSv = Milli-Sievert