Leaky-Gut-Syndrom und Autoimmunerkrankungen

Verschiedenen Studien zufolge ist das Leaky-Gut-Syndrome entscheidend an der Pathogenese von Autoimmunerkrankungen beteiligt. Dabei können die Inflammationsprozesse der Darmmukosa zu einer Umprogrammierung des Immunsystems führen.

Verschiedenen Studien zufolge ist das Leaky-Gut-Syndrome entscheidend an der Pathogenese von Autoimmunerkrankungen (Hashimoto-Thyreoditis, Autoimmunhepatitis, Zöliakie, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Multiple Sklerose, Diabetes mellitus, Rheumatoide Arthritis und Lupus erythematodes) beteiligt.1-7 Die Inflammationsprozesse der Darmmukosa können zu einer Umprogrammierung des Immunsystems führen und legen bei genetischer Prädisposition so das Fundament für die Entstehung einer Autoimmunkrankheit.

Tight Junctions in Gefahr

Über die Nahrungsaufnahme kommt der humane Organismus täglich mit körperfremden Stoffen in Kontakt. Die intestinale Permeabilität entscheidet, welche Stoffe aufgenommen und welche ausgeschieden werden. Die Darmbarriere wird durch die Darmepithelzellen, die über Tight Junctions miteinander verbunden sind, aufrechterhalten. Der Transport der über die Nahrung aufgenommenen Stoffe erfolgt über einen parazellulären oder einen transzellulären Transport.

Risikofaktoren für ein Leaky-Gut-Syndrom

Eine Schädigung der Darmmukosa kann in einem Leaky-Gut-Syndrom resultieren. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (M.Crohn, Colitits ulcerosa), bestimmte Medikamente (Ibuprofen, Aspirin, Chemotherapeutika), Alkoholkonsum, Nahrungsmittelintoleranzen (Laktose, Gluten), Bakterien, Viren und psychischer Stress können die Entstehung eines Leaky-Gut-Syndroms triggern.

Symptome des Leaky-Gut-Syndroms

Durch die dysfunktionale Darmbarriere können nun antigen wirkende Substanzen (z.B. körperfremde Proteine/ Pathogene/Toxine/Bakterien) in den Blutkreislauf eintreten und das intestinale Immunsystem aktivieren. Durch Aktivierung von T-, B- und NK-Zellen kommt es zu einer inflammatorischen Schädigung der Darmmukosa. Dies geht einher mit Bauchschmerzen, Nausea und Diarrhoe.7

Im klinischen Alltag berichten Leaky-Gut-Syndrom-Patienten oft von Fatigue, Symptomen aus dem atopischen Formenkreis (Asthma, Hautirritationen), Diarrhoe, Meteorismus, Bauch-/Gelenk-/Muskelschmerzen, Migräne und Nahrungsmittelintoleranzen. Mit Hilfe eines Lactulose-Mannitol-Tests und Stuhlproben (sekretorischen Immunglobulin A und Alpha-1-Antitrypsin) können Sie Ihre Patienten auf das Vorliegen eines Leaky-Gut-Syndroms hin prüfen.

Ist das intestinale Mikrobiom einflussreicher als angenommen?

Das Intestinum beherbergt die größte Menge an Bakterien innerhalb des menschlichen Körpers, das Mikrobiom. Das Mikrobiom, welches auch als das "vergessene" Organ betitelt wird, nimmt entscheidend an metabolischen Prozessen teil und beeinflusst den metabolischen Phänotyp. Verschiedene Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen einem pathologisch veränderten Mikrobiom und nutritiven Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2 (DM II), das metabolische Syndrom, Krebserkrankungen und dem Alterungsprozess hin. Das intestinale Mikrobiom stellt einen wichtigen Biomarker dar.8,9,10

Negativer Einfluss auf das intestinale Mikrobiom

Das intestinale Mikrobiom kann durch die Motilität des Gastrointestinaltrakts, den Medikamentenkonsum (Antazida, Antibiotika, Nicht-steroidale Antiphlogistika) und den Alkohol-/Nikotinkonsum beeinflusst werden. Nimmt der Organismus infolge eines Leaky-Gut-Syndroms eine zu hohe Menge an Antigenen auf, so kann es zu dysfunktionalen Reaktionen des Immunsystems kommen. Lockere Tight Junctions zwischen Darmepithelzellen ermöglichen einen nicht-spezifischen Antigentransport, der in einer Inflammationskaskade resultieren kann. Dies ist mit der Entstehung folgender Autoimmunerkrankungen assoziiert: Diabetes mellitus Typ 1 und Autoimmunthyreopathie. Durch seine Ernährung ("low fat" & "plant polysaccharid rich") kann der Patient entscheidenden Einfluss auf diesen Pathomechanismus nehmen.7

Probiotika und bewusste Ernährung

Verschiedene Studien betonen die Gewichtigkeit des schützenden intestinalen Mikrobioms in der Aufrechterhaltung der Darmbarriere. Hier greifen die Probiotika ein, die dabei unterstützen können das Leaky-Gut-Syndrom rückgängig zu machen. Probiotika fördern die Bildung von Tight Junctions zwischen den Darmepithelzellen. Pathogene Bakterien wiederum können zu einem Leaky-Gut-Syndrom führen. Hier hilft eine antibiotische Therapie. Durch Modulation des intestinalen Mikrobioms kann die Entstehung von Autoimmunerkrankungen entscheidend beeinflusst werden. Eine Regulierung der intestinalen Permeabilität mittels Probiotika sollte mehr Anwendung in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen finden. Leaky-Gut-Syndrom-Patienten müssen besonders gut auf ihre Ernährungsgewohnheiten achten.2

So sind Fertignahrungsmittel mit hohem Zuckergehalt, Haltbarkeits- und Zusatzstoffen kontraproduktiv. Der Ernährungsplan von Leaky-Gut-Syndrom-Patienten sollte folgende Bausteine enthalten: Vitamine, Mineralstoffe, gesunde Fettsäuren und Ballaststoffe.7

Wundermittel Metformin

Metabolische Erkrankungen, die mit einem dysfunktional veränderten Mikrobiom assoziiert sind wie DM II, profitieren von einer Metformin-Therapie. Metformin nimmt positiven Einfluss auf die Physiologie der intestinalen Bakterienpopulation.

Metformin erhöht die Aktivität des Enzyms AMPK (AMP-aktivierte Proteinkinase), welches zur Lipidoxidation und einem Abbau der Fettsäuren führt. Es hemmt die Glukoneogenese und erhöht die Glukoseaufnahme in das Muskelgewebe. Metformin nimmt auch Einfluss auf das Appetitzentrum des Gehirns (Hypothalamus). Dort hemmt es die Bildung des Neuropeptid Y und reduziert so das Hungergefühl.

Junk Food

Eine Diät, die reich an Fettsäuren ist, kann in einem pathologisch veränderten intestinalen Mikrobiom resultieren und mit einer erhöhten intestinalen Permeabilität einhergehen. Lipopolysaccharide gelangen über die dysfunktionale Darmbarriere beim Leaky-Gut-Syndrom ins Blut und führen zu einer Endotoxämie. Eine systemische Entzündungsreaktion, Adipositas und DM II ist das Resultat. Eine Therapie mit Akkermansia-Bakterien/Metformin-Therapie kann dies im Mausmodell wieder rückgängig machen.

Akkermansia muciniphila: Hoffnungsträger für das Leaky-Gut-Syndrom

In einer murinen Studie aus dem Jahr 2014 führte Metformin zu einer Förderung des Wachstums von nützlichen Darmbakterien (Akkermansia muciniphila). Akkermansia muciniphila besitzt ist entscheidend am Metabolismus des Wirtsorganismus beteiligt. Metformin hat ebenfalls zu einer Zunahme der Muzin-produzierenden Becherzellen im Darm geführt.11

Akkermansia-Bakterien machen 3-5% des intestinalen Mikrobioms aus und sorgen dafür, dass die Darmbarriere nicht "leaky" wird. Eine Ernährung mit "Junk-Food" kann die Akkermansia-Population drastisch senken. Ein Mangel an Akkermansia-Bakterien kann zum Leaky-Gut-Syndrom führen und die Tür in den Blutkreislauf für allerlei Toxine öffnen. Bluthochdruck, Adipositas, DM II, Herzinfarkt, Apoplex, degenerative neurologische Erkrankungen (M. Parkinson, M. Alzheimer und Multiple Sklerose) und Autoimmunerkrankungen können die Folge sein.11,12

Auf die richtige Ernährung kommt es an

Akkermansia-Bakterien werden durch folgende Nahrungsmittel gefördert: Oligofruktose-haltige Probiotika, Oligofruktose-haltiges Obst/Gemüse (Knoblauch, Zwiebel, Chicoree, Bananen, Artischoken, Gluten-armes Getreide und weiße Bohnen).11

Alles in allem betrachtet besitzt eine bewusste Ernährung mehr Einfluss, als vielleicht angenommen. Die Umstellung von schlechten Ernährungsgewohnheiten könnte so manchem Patienten mit genetischer Prädisposition und Leaky-Gut-Syndrom helfen, seine Autoimmunerkrankung in den Griff zu bekommen bzw. sie gar nicht erst entstehen zu lassen.

Referenzen:
1. Fasano A. (2012). Leaky Gut and Autoimmune Diseases. Clinical Reviews in Allergy & Immunology. Vol. 42, Issue 1, pp 71–78.
2. Mu Q. et al. (2017).Leaky Gut As a Danger Signal for Autoimmune Diseases. Front. Immunol. 23;8:598
3. Lin R. et al. (2015). Abnormal intestinal permeability and microbiota in patients with autoimmune hepatitis. Int J Clin Exp Pathol 8(5):5153–60. 
4. Khaleghi S. et al. (2016). The potential utility of tight junction regulation in celiac disease: focus on larazotide acetate. Therap Adv Gastroenterol 9(1):37–49.10.1177
5. Fasano A. et al. (2005). Mechanisms of disease: the role of intestinal barrier function in the pathogenesis of gastrointestinal autoimmune diseases. Nat Clin Pract Gastroenterol Hepatol 2(9):416–22.10.1038.
6. Tlaskalova-Hogenova H. et al. (2011). The role of gut microbiota (commensal bacteria) and the mucosal barrier in the pathogenesis of inflammatory and autoimmune diseases and cancer: contribution of germ-free and gnotobiotic animal models of human diseases. Cell Mol Immunol 8(2):110–20.10.1038.
7. Fasano A.(2012). Zonulin, regulation of tight junctions, and autoimmune diseases. Ann N Y Acad Sci 1258:25–33.10.1111.
8. Cho I. et al. (2012).The human microbiome: at the interface of health and disease. Nat. Rev. Genet. 13:260–270. 
9. Claesson M.J. et al. (2012). Gut microbiota composition correlates with diet and health in the elderly. Nature. 488:178–184.
10. Campbell A. W. et al. (2014). Autoimmunity and the Gut. Autoimmune Dis. 152428.
11. Lee H. et al. (2014). Effect of Metformin on Metabolic Improvement and Gut Microbiota. Appl. Environ. Microbiol. 80(19): 5935–5943.
12. Pryor R. et al. (2015).Repurposing metformin: an old drug with new tricks in its binding pockets. Biochem. J. 471 (Pt3): 307-322.