Nirmatrelvir reduziert Risiko für Auftreten eines Post-COVID-19-Syndroms

Eine SARS-CoV-2-Infektion kann ein weites Spektrum an gesundheitlichen Langzeitfolgen mit sich bringen. Wie können solche Langzeitfolgen vermieden werden? Forschungsteams weltweit arbeiten an Therapieansätzen.

Paxlovid® überzeugt bei Reduktion der Langzeitfolgen der COVID-19-Erkrankung

Langanhaltende gesundheitliche Einschränkungen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 sind unter den Krankheitsbildern Long-COVID und Post-COVID-19-Syndrom (PCC) bekannt. Der Ende 2020 veröffentlichten Leitlinienempfehlung des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) zufolge werden Long-COVID und das Post-COVID-19-Syndrom wie folgt definiert: 

Unter dem Begriff Long-COVID werden somit sowohl die 4 bis 12 Wochen nach Symptombeginn (nach einer akuten COVID-19-Erkrankung) noch bestehende Symptomatik als auch das Post-COVID-19-Syndrom (PCC) zusammengefasst.1 Einer groß angelegten Studie aus dem Vereinigten Königreich zufolge beträgt die Häufigkeit des Auftretens von PCC 7,8 % bis 17 %.3

Vor über einem Jahr – am 28. Januar 2022 – erhielt Paxlovid® (Nirmatrelvir + Ritonavir) als erstes antivirales Arzneimittel eine bedingte Zulassung zur Behandlung der COVID-19-Erkrankung.4 Die Ergebnisse einer Kohortenstudie mit insgesamt 281.793 Patienten deuten darauf hin, dass der in Paxlovid® enthaltene Wirkstoff Nirmatrelvir mit einer Reduktion des Risikos für das Auftreten eines Post-COVID-Syndroms assoziiert sein kann.2

Nirmatrelvir-Therapie bei nicht hospitalisierten Patienten mit mindestens einem Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf

In der vorliegenden Kohortenstudie erfolgte die Datensammlung mittels Durchforstung der Gesundheitsdatenbanken des US Department of Veterans Affairs (VA). Einschlusskriterien waren:

Die Patienten wurden in zwei Gruppen unterteilt. Die Kontrollgruppe umfasste 246.076 Personen, die während der akuten Phase der SARS-CoV-2-Infektion keine antivirale COVID-19-Behandlung oder Antikörperbehandlung erhalten hatten. In der Nirmatrelvir-Gruppe befanden sich diejenigen Personen, die innerhalb von 5 Tagen nach dem positiven SARS-CoV-2-Testergebnis mit oralem Nirmatrelvir behandelt worden waren. In dieser Therapiegruppe befanden sich 35.717 Personen.2

Baseline-Charakteristika bis auf einen Punkt ausgeglichen 

Wirft man einen Blick auf die Baseline-Charakteristika, so machen diese – bis auf die Geschlechterverteilung – einen ausgewogenen Eindruck. Je 15 % der Personen in der Therapiegruppe und in der Kontrollgruppe waren Raucher. Der Anteil an ungeimpften Personen lag bei je 17 % in der Therapie- und der Kontrollgruppe. Ein Typ-2-Diabetes lag bei je 36 % der Personen der Therapiegruppe und der Kontrollgruppe vor. Das Vorliegen einer kardiovaskulären Erkrankung (29 % der Personen der Therapiegruppe und 30 % der Personen der Kontrollgruppe) und einer Hyperlipidämie (40 % der Personen der Therapiegruppe und 40 % der Personen der Kontrollgruppe) war ebenso ausgeglichen verteilt.2

Breite Risikoreduktion durch Nirmatrelvir

Die Forschungsgruppe konnte in der Nirmatrelvir-Therapiegruppe eine Reduktion des PCC-Risikos bei ungeimpften, geimpften und geboosteten Personen sowie bei Personen mit primärer SARS-CoV-2-Infektion und Reinfektion beobachten. Die Patienten in der Nirmatrelvir-Therapiegruppe besaßen im Vergleich zur Kontrollgruppe zudem ein verringertes Risiko:

Die 13 PCC-Komponenten 

Die 13 bisher bekannten Folgeerkrankungen des PCC umfassen: 

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Darstellung: Aufteilung der Studienpopulationen2

Wichtige Limitationen der Studie

Der Präsident und Chief Executive Officer der NYC Health + Hospitals, dem größten kommunalen Gesundheitssystem in den Vereinigten Staaten, hat auf wichtige Limitationen dieser Studie aufmerksam gemacht. So ist ein wichtiger Kritikpunkt die Geschlechterverteilung: Die Studienpopulation bestand mit fast 89 % überwiegend aus Männern. Ein weiterer Kritikpunkt war, dass der Zusammenhang zwischen schwerer Symptomatik bei der akuten Episode und dem Post-COVID-Syndrom nicht geklärt wurde. 

Dr. med. Mitchell H. Katz führte zur Untermauerung seiner Aussage die Forschungsarbeit von Tsampasian V. et al. auf.5,6 Die Forschungsgruppe um Tsampasian hatte in ihrer Metaanalyse die Faktoren untersucht, die mit einem erhöhten Post-COVID-Syndrom-Risiko assoziiert waren. Sie fanden heraus, dass diejenigen Patienten, die aufgrund ihrer akuten COVID-19-Infektion hospitalisiert werden mussten, ein signifikant höheres Risiko für das Auftreten des Post-COVID-Syndroms aufwiesen (Odds Ratio, 2,48; 95 % CI, 1,97-3,13). Es ist daher durchaus denkbar, dass ein gewisser Teil der Wirkung von Nirmatrelvir bezüglich des Post-COVID-Syndroms im Verhindern schwerer Folgeerkrankungen während der Erstinfektion beruhen könnte. 

Eine weitere Beobachtung war, dass die COVID-19-Impfung mit einem geringeren PCC-Risiko verbunden war. Es ist bekannt, dass die Immunisierung gegen SARS-CoV-2 mit einer Reduktion des Schweregrades einer akuten COVID-19-Episode einhergeht. Die Ergebnisse der Studie von Xie Y. et al. könnten somit auch auf dieser Tatsache beruhen.5

Referenzen:
  1. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Gesundheitliche_Langzeitfolgen.html; Stand: 28.04.2023
  2. Xie Y. et al. (2023). Association of Treatment With Nirmatrelvir and the Risk of Post-COVID-19 Condition. JAMA Intern Med. 2023 Mar 23:e230743.
  3. Thompson E.J. et al. (2022). Long COVID burden and risk factors in 10 UK longitudinal studies and electronic health records. Nat Commun. 2022;13(1):3528.
  4. https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelinformationen/covid-19-arzneimittel.html#:~:text=Paxlovid®%20ist%20das%20erste,über%20den%20Großhandel%20bestellt%20werden.
  5. Katz MH. (2023). While Waiting for a Randomized Clinical Trial of Nirmatrelvir for Prevention of Post-COVID-19 Condition. JAMA Intern Med. 2023 Mar 23. 
  6. Tsampasian  V. et al. (2023). Risk factors associated with post−COVID-19 condition: a systematic review and meta-analysis.   JAMA Intern Med. Published online March 23, 2023.