Wie reagiert das Immunsystem auf Schwerelosigkeit im Weltall?

Kein Jahr war so sehr geprägt von Reisen ins Weltall wie 2023, der Begriff Weltraumtourismus lag in aller Munde. Doch wie reagiert unser Immunsystem eigentlich im Weltall?

Die immunologischen Grenzen der menschlichen Anpassung an das Weltall

Die Forscher untersuchten unter der Leitung des schwedischen Karolinska Institut den Einfluss der Schwerelosigkeit auf die T-Zellen des menschlichen Immunsystems. Zuvor konnte bei Astronauten immer wieder beobachtet werden, dass es nach einem Aufenthalt im All zu einer Abnahme dieser Zellgruppe kam. Diese Auswirkung auf das menschliche Immunsystem macht den Weltraum zu einer eher lebensfeindlichen Umgebung für den Menschen. Die Veränderungen des Immunsystems macht die Astronauten anfälliger für Infektionen und kann zur Reaktivierung latenter Viren führen.

Die so erworbene Immunschwäche bestand bei den Astronauten selbst nach der Rückkehr zur Erde fort. Bei über der Hälfte der Apollo-Besatzung kam es nach der Landung auf der Erde zu bakteriellen oder viralen Infektionen. Die Weltraumumgebung scheint einen tiefgreifenden Einfluss auf das adaptive Immunität zu haben. Darauf deuten auch Fortschritte in der Weltraumforschung an Mäusen und Menschen hin. Das langfristige Ziel ist es daher, Wege zu finden, die bemannten Missionen zum All sicherer zu gestalten. Hierfür muss jedoch erst der zugrundeliegende Pathomechanismus verstanden werden.5

Was macht die Weltraumumgebung eigentlich mit einem Lebewesen? 

Der Organismus muss mit der Exposition gegenüber Mikrogravitation, erhöhter Strahlung, psychischem Stress und Isolation in einer künstlichen Umgebung umgehen lernen. Dies bleibt nicht ohne Folgen: Bei Mäusen konnte eine Abnahme des Volumens des Thymus während des Raumflugs beobachtet werden. Wissenschaftliche Studiendaten lassen uns die Apoptose von CD4+CD8+ T-Zellen als Ursache der Abnahme der T-Zellen während der Raumfahrt ausschließen. Murine Transkriptomanalysen haben ergeben, dass es zu einer Herabregulierung von Genen kommt, die mit der Aktivierung und Proliferation von T-Zellen assoziiert sind. Auch konnte gezeigt werden, dass die Mikrogravitation einen negativen Einfluss auf die T-Zell-Aktivierung besitzt.5

Folgen einer langfristigen Mikrogravitations-Exposition für das Immunsystem

Die Forschungsgruppe nutzte Blutproben von acht gesunden Freiwilligen, um die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf das Immunsystem zu ergründen. Die gesunden Freiwilligen wurden für insgesamt 21 Tage Trockenimmersion ausgesetzt. Die Blutproben wurden 7 Tage vor der Trockenimmersion sowie an Tag 7, 14 und 21 während der Trockenimmersion und 7 Tage nach der Trockenimmersion entnommen. Die 21-tägige Trockenimmersion wurde hierbei als langfristige Mikrogravitations-Exposition betrachtet.

Die Forschungsgruppe konnte die langfristigen Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf T-Zell-Genexpressionsprogramme aufzeigen. T-Zellen, die der Schwerelosigkeit ausgesetzt waren, veränderten recht schnell ihr Transkriptionsprogramm. Dies kam durch eine Herunterregulierung von proteinkodierenden und nicht-kodierenden Genen, die für Steuerung der Aktivierung und Differenzierung von T-Zellen verantwortlich waren. Gleichzeitig kam es zu einer Hochregulierung der für naive T-Zellen entscheidenden Gene.5 

Fazit dieser Studie: Immunsystem im Weltraum schwächer

Die Schwerelosigkeit führte dazu, dass der Anteil naiver T-Zellen zunahm. Zeitgleich wurde die Differenzierung der T-Zellen heruntergefahren. Dies kann mit einer längeren Aktivierungsphase der naiven T-Zellen nach Kontakt mit einem Eindringling einhergehen. Die Bekämpfung von Infektionen wird dadurch ausgebremst. Auch kann sich so eine reduzierte Effektivität gegenüber Tumorzellen erklären lassen. Auf Basis dieser Studienergebnisse kann nun an Methoden gearbeitet werden, diese Veränderungen im genetischen Programm der Immunzellen wieder rückgängig zu machen.5

Quellen:
  1. https://www.manager-magazin.de/unternehmen/jeff-bezos-raumfahrtunternehmen-blue-origin-rakete-kurz-nach-dem-start-abgestuerzt-a-d04e97cc-6220-4b84-a810-c27275c6bed0#:~:text=Das%20Raketensystem%20%22New%20Shepard%22%20fliegt,von%20großen%20Fallschirmen%20wieder%20aufsetzt.
  2. https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/musk-gegen-bezos-wettlauf-ins-all-100.html
  3. https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/jeff-bezos-weltraumfirma-blue-origin-rakete-stuerzt-bei-start-in-texas-ab-a-eb1da3db-e32b-4bf2-bbbb-753aa41180ed
  4. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/starship-rakete-testflug-explosion-folgen-musk-spacex-100.html
  5. Gallardo-Dodd CJ. et al. (2023). Exposure of volunteers to microgravity by dry immersion bed over 21 days results in gene expression changes and adaptation of T cells. Sci Adv. 2023 Aug 25;9(34):eadg1610.