Wie sieht die humorale Immunantwort auf den COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer bei Patient:innen mit Autoimmunerkrankungen aus?

Patient:innen mit einer zugrundeliegenden Autoimmunerkrankung und immunmodulierender Therapie wurden bei der COVID-19-Impfstoffentwicklung in die Phase-III-Studien nicht mit eingeschlossen. Doch gerade bei Patient:innen Autoimmunerkrankung kann die Antikörperantwort nach Immunisierung sich deutlich von Personen ohne Autoimmunerkrankung unterscheiden.

Patient:innen mit einer zugrundeliegenden Autoimmunerkrankung und immunmodulierender Therapie wurden bei der COVID-19-Impfstoffentwicklung in die Phase-III-Studien nicht mit eingeschlossen. Doch gerade bei Patient:innen Autoimmunerkrankung kann die Antikörperantwort nach Immunisierung sich deutlich von Personen ohne Autoimmunerkrankung unterscheiden. Erschwerend kommt hinzu, dass noch weitere Komorbiditäten mit einer Autoimmunerkrankung und ihrer Therapie assoziiert sein können. Daher kann auch das Risiko für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung in dieser vulnerablen Patientengruppe erhöht sein.1-5

Rund 60% der Patient:innen litten unter einer Spondylarthritis oder einer rheumatoiden Arthritis 

Die Forschungsgruppe um David Simon hat im Rahmen einer Verlaufsstudie eine Analyse von 84 Patient:innen mit Autoimmunerkrankung und 182 Kontrollpatient:innen durchgeführt. Die Datensätze für ihre Analyse zog die Forschungsgruppe aus einer groß angelegten COVID-19-Studie am Deutschen Zentrum für Immuntherapie. 32,1% der Patient:innen mit Autoimmunerkrankung litten unter einer Spondylarthritis, 29,8% unter einer rheumatoiden Arthritis, 9,5% unter einer entzündlichen Darmerkrankung und weitere 9,5% unter einer Psoriasis. Die Komorbiditäten sind in der Tabelle 1 ausführlich aufgeführt. Rund 42,9% der Patient:innen mit Autoimmunerkrankung erhielten entweder Biologika oder zielgerichtete synthetische krankheitsmodifizierende Antirheumatika. 23,9% der Patient:innen wurden mit konventionellen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika therapiert. Lediglich 28,6% der Patient:innen mit Autoimmunerkrankung benötigten keine immunmodulierende Behandlung.1

Demographische und klinische Charakteristika der Patient:innen mit Autoimmunerkrankung sowie der Kontrollpatient:innen

Immu Blog.PNG

Tabelle 1: Quelle1 (aus dem Englischen übersetzt; Tabelle gekürzt i. Vgl. zur Originalversion)

Ausschließlich seronegative Studienteilnehmer:innen wurden zugelassen

Zu den Voraussetzungen für die Studienteilnahme zählten folgende Aspekte: Die Studienteilnehmenden beider Gruppen durften vor Studieneinschluss keine Anzeichen einer COVID-19-Infektion aufgewiesen haben. Auch durften keine anti-SARS-CoV-2-Immunglobulin G Antikörper nachweisbar gewesen sein. 96% der Teilnehmenden erhielten 2 Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer. Die Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff BNT162b2 von BioNTech/Pfizer war mindestens 10 Tage vor Blutabnahme durchgeführt worden.1 

Bei rund 6% der Patient:innen mit Autoimmunerkrankung fehlte die Antikörperantwort nach Immunisierung 

Eine humorale Immunantwort zeigte sich bereits 11 Tage nach der ersten Impfung. Immunglobulin G Antikörper gegen SARS-CoV-2 konnten bei allen Kontrollpatient:innen gemessen werden. Von den 84 Patient:innen mit Autoimmunerkrankung zeigte sich bei 5 Personen keine Antikörperantwort nach Immunisierung mit dem COVID-19-Impfstoff. Bei 3 dieser Patient:innen fehlte die Immunogenität. Eine hiervon betroffene Person erhielt keine immunmodulierende Therapie. Eine weitere hiervon betroffene Person wurde aufgrund einer rheumatoiden Arthritis mit Baricitinib behandelt. Im 3. Fall lag eine Therapie mit Secukinumab bei Spondylarthritis vor.

Was versteht man genau unter der Immunogenität?

Mit dem Begriff Immunogenität wird die Fähigkeit eines Antigens bezeichnet, eine Immunantwort auszulösen. Die Wirksamkeit eines Impfstoffes wird über dessen Immunogenität bestimmt. Hierbei spielt die Art und das Ausmaß der Immunantwort über die Zeit hinweg eine wichtige Rolle. Bei der Beurteilung und Messung der Immunogenität eines Impfstoffes müssen verschiedene Aspekte der Immunantwort in Betracht gezogen werden. Mittels ELISA können unterschiedliche Antikörper nach Immunisierung mit dem COVID-19-Impfstoff gemessen werden. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 führt in den meisten Fällen bei ungeimpften Personen nach rund 10-14 Tagen zur Bildung verschiedener Antikörperklassen, die gegen das Spikeprotein und das Nukleokapsid gerichtet sind. Hierzu zählen vor allem die Immunglobuline A und G. Bei einer Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff werden Antikörper gegen das Spikeprotein gebildet. Als immunogenes Protein kommt die Rezeptorbindedomäne des Spikeproteins zum Einsatz. Virusneutralisierende Antikörper können durch ihre Bindung an die Rezeptorbindedomäne des Spikeproteins des SARS-CoV-2 dessen Eintritt in die menschliche Zelle verhindern.6

Verlangsamte und reduzierte Antikörperantwort bei Patient:innen mit Autoimmunerkrankung

Die Messung der Immunglobulin G Antikörper, die gegen das Spikeprotein des SARS-CoV-2 gerichtet sind erfolgte mittels ELISA. Neutralisierende Antikörper waren bei 99,5% der Kontrollpatient:innen und bei 90,5% der Patient:innen mit Autoimmunerkrankung detektierbar gewesen. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Kontrollpatient:innen und den Patient:innen mit Autoimmunerkrankung hinsichtlich des Einsatzes und Ausmaßes der Antikörperantwort auf den COVID-19-Impfstoff. Bei Patient:innen mit Autoimmunerkrankung trat die Antikörperantwort verlangsamt und reduziert ein. Dies könnte auf die immunmodulierende Therapie zurückzuführen sein.1

Im kommenden Beitrag schauen wir uns an, welche thyreoidale Symptomatik durch das SARS-CoV-2 hervorgerufen werden kann und wie die Datenlage zur COVID-19-Impfung bei Hashimoto-Thyreoditis aussieht.

Referenzen:
1. Simon D. et al. (2021). SARS-CoV-2 vaccination responses in untreated, conventionally-treated and anti-cytokine-treated patients with immune-mediated inflammatory diseases. Ann Rheum Dis Epub ahead of print. 
2. Dougados M. et al. (2014). Prevalence of comorbidities in rheumatoid arthritis and evaluation of their monitoring: results of an international, cross-sectional study (COMORA). Ann Rheum Dis 2014; 73:62–8. 
3. Williamson E. J. et al. (2020). Factors associated with COVID-19-related death using OpenSAFELY. Nature 2020; 584:430–6. 
4. Curtis J. R. et al. (2021). American College of Rheumatology Guidance for COVID-19 Vaccination in Patients with Rheumatic and Musculoskeletal Diseases - Version 1. Arthritis Rheumatol 2021. 
5. Rondaan C. et al (2019). Efficacy, immunogenicity and safety of vaccination in adult patients with autoimmune inflammatory rheumatic diseases: a systematic literature review for the 2019 update of EULAR recommendations. RMD Open 2019;5:e001035.  
6. https://ladr.de/sites/all/themes/cont/files/_02_pdfs/01_medizin/03_information/ladr-informiert/117201_LADR_Info_326_Zentrallabor_SARS-CoV-2_Antikoeper-Diagnostik_Web.pdf