Fitness? Lactat und die Lactatmessung mit Biosensoren

Sind Sie eigentlich körperlich fit? Wie könnte man das messen? Mit einem Lactat-Biosensor!

Nach dem Training weiter bewegen!

Bei moderater körperlicher Belastung und ausreichender Sauerstoffversorgung erfolgt die Resynthese der energiereichen Phosphate aus der Spaltung der mit der Nahrung aufgenommenen Glucose (Glycolyse) und Fettsäuren bzw. deren Speicherformen (aerober Energiestoffwechselweg oder Zellatmung). 

Das ermöglicht jedoch nur einen mäßigen Energiefluss pro Zeiteinheit. Die Zellatmung stellt sich entsprechend der Belastung auf den Energiebedarf der Zelle ein: Bei sehr starker muskulärer Belastung reicht der Sauerstoff aber für die höhere erforderliche Abbaurate des Glycogens bzw. der Fette nicht mehr aus. 

Die benötigte sehr hohe Energiefluss-Rate pro Zeiteinheit wird hauptsächlich durch die anaerobe Glycolyse (lactazide Energiebereitstellung) gesichert. Ohne Mitwirkung von Sauerstoff wird hierbei Muskelglykogen über Glucose zu Milchsäure (deren Salz: Lactat) abgebaut. 

So wird jedoch Lactat in den Muskelzellen angehäuft, und das Zellmilieu wird sehr sauer. 
Dadurch verschlechtern sich die Bedingungen für die enzymatische Glykolyse in den Zellen, und die Leistungsfähigkeit des Muskels nimmt ab. Auch die Sportlerin oder der Sportler wird regelrecht "sauer".

Lactatwerte im Körper 

Die Lactat-Konzentrationen im Muskel führen zu einer entsprechenden Lactatkonzentration im Blut ("Lactatwert" oder "Lactatspiegel"). 

Die Anteile der aeroben und anaeroben Energiebereitstellung sind von der körperlichen Belastung abhängig und ergänzen sich. Selbst im Ruhezustand finden beide Formen der Energiebereitstellung statt. 
Da hier jedoch der Energiebedarf im Wesentlichen durch die Zellatmung erfolgt, wird das Lactat aerob wieder abgebaut. Dennoch beträgt der Lactat-Ruhewert im Blut zwischen 0,5 und 2,0 mmol/L. 

Bis zu einer Lactatkonzentration von 2mmol/L im Blut geht man von einem aeroben Energiestoffwechsel aus. Werte unter 1mmol/L kann man bei gut Ausdauertrainierten aufgrund ihres effizienteren Energiestoffwechsels beobachten. 

Wird eine höhere Muskelarbeit abgefordert, aktivieren die Muskelzellen neben dem aeroben Stoffwechsel die anaerobe Glykolyse, um den höheren Gesamtenergiebedarf zu decken. Es wird jetzt mehr Lactat gebildet, als abgebaut werden kann, und in der Folge erhöht sich die Lactatkonzentration im Blut. Das nennt man aerob-anaeroben Übergang oder aerobe Schwelle (AS). Wird die mechanische Belastung der zu trainierenden Muskelgruppe definiert um einen bestimmten Betrag angehoben und dann konstant gehalten, erhöht sich der Lactatspiegel im Blut zunächst und bleibt auf diesem (erhöhten) Niveau konstant. Lactatbildung und -abbau befinden sich wieder im Gleichgewicht ("steady state"). Dieser Effekt bleibt zunächst auch bei weiter schrittweise ansteigenden Belastungen erhalten, wobei die steady stateLactatlevel in einem Bereich von 2-5 mmol/L liegen. Es wird jedoch bald eine Belastungsstufe erreicht, die anaerobe Schwelle (ANS), bei der trotz konstant gehaltener Dauerbelastung die Lactatbildung schneller als der -abbau erfolgt. 

 

Je trainierter die Testperson ist, umso geringer wird die Zunahme des Lactats pro Belastungsstufe sein. Das ist die Grundidee des Lactat-Biosensors der deutschen Firma von Dr.Bernd Gründig in Leipzig.

Nach dem Trainingswissenschaftler A. Mader liegt die anaerobe Schwelle bei etwa 4 mmol/L, was allerdings nicht immer den individuellen Stoffwechselverhältnissen entspricht und auch von der physischen Verfassung, vom Ernährungsverhalten und anderen Parametern des Probanden abhängig ist. Aus diesem Grund wurde in der Sportwissenschaft der Begriff der individuellen anaeroben Schwelle (IANS) eingeführt. Wenn die Belastung weiter zunimmt, steigt der Lactatwert drastisch an. Im Grenzbereich der Leistungsfähigkeit kann der Lactatwert bis über 20 mmol/L erreichen.

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Wie wird im Körper Lactat eliminiert? 

Wenn der Energiestoffwechsel wieder wesentlich über die Zellatmung (also mit Sauerstoff) erfolgen kann, wird das Lactat in seine Vorstufe Pyruvat zurückverwandelt und in den Mitochondrien oxidiert. 

Ein anderer Teil des Lactats gelangt über die Blutbahn in weniger belastete Muskelzellen sowie in Organe wie Leber, Nieren und Herz und wird dort verbrannt oder dient zum Wiederaufbau des Kohlenhydratspeichers Glykogen. Lactat ist nicht nur ein intermediäres Produkt des anaeroben Stoffwechsels, sondern dient auch als Substrat für den aeroben Energiestoffwechsel. Die Abbaurate des Lactats im Blut beträgt bei einer leichten Nachbelastung der Skelettmuskeln bis zu 0,5 mmol/L pro Minute. Wesentlich langsamer wird das Lactat abgebaut, wenn die Muskelzellen nach der Lactatbildung nicht aktiv sind. 

Also: Nach dem Training weiter bewegen! Gezieltes Training durch Kenntnis der Lactatwerte. Die Ausdauerleistung kann markant gesteigert werden, wenn sich der Proband infolge seiner Trainingsbelastung im Bereich der aerob-anaeroben Schwelle befindet: Die Konzentration der am aeroben Energiestoffwechsel beteiligten Enzyme erhöht sich, Zahl und Leistungskraft der Mitochondrien steigen, Muskelzellen nehmen besser Nährstoffe auf, die Glucosetoleranz ist erhöht und die Herztätigkeit effizienter. Dadurch wird die anaerobe Schwelle erst bei einer relativ hohen Belastung erreicht. Die Muskelzellen nutzen also die effizientere Energiegewinnung über die Zellatmung auch bei höherer Muskelbelastung. Für die Energiebereitstellung werden neben Kohlenhydraten auch Fette abgebaut. 

Durch das gezielte Training im Bereich der anaeroben Schwelle lässt sich bei gegebenem Zeitaufwand eine maximale Leistungssteigerung und damit ein maximalerer Trainingseffekt erzielen.

 

Ein Bild, das Person, drinnen, Wand, Langhantel enthält.Automatisch generierte Beschreibung

Foto: Nicht jeder ist so fit wie mein Hongkonger Trainer Andy Lam. Mit dem Lactat-Biosensor kann man den Trainingszustand messen.

Bei einem überzogenen Training wird dagegen die aerob-anaerobe Schwelle überschritten und es treten sehr hohe Lactatkonzentrationen auf. In deren Folge übersäuern die Muskelzellen, sodass die Leistungsfähigkeit der betroffenen Muskelbereiche abnimmt und die erwünschten strukturellen Änderungen im Muskelgewebe kaum stattfinden. Das Training ist dann ineffektiv und verkehrt sich in das Gegenteil. In Abhängigkeit vom individuellen Stoffwechselvermögen können sich Lactatwerte über 6 mmol/L bereits leistungsmindernd auswirken. 

In der Regel sollte ein Grundlagen-Ausdauertraining (auch Fettstoffwechseltraining) bei einer Intensität von 60–80% der Schwellenbelastung stattfinden. Dies entspricht einem Lactatbereich von 1,5-3 mmol/L, in dem der aerobe Energiestoffwechsel am besten trainiert wird. 

Das ist ein wichtiger Bereich auch für Freizeitsportler, die neben der Verbesserung ihrer Fitness auch ein paar Pfunde verlieren wollen. 

Prinzipiell werden im aeroben Energiestoffwechsel bei einer Belastungsdauer von mindestens 30 bis 60 Minuten die körperlichen Fettreserven optimal in Anspruch genommen. Die Lage der anaeroben Schwelle bei einem Sportler sagt viel über seinen aktuellen Trainingszustand und über die für ihn möglichen Spitzenleistungen aus. 

Wird der Wert regelmäßig über einen längeren Zeitraum ermittelt, kann man eine gezielte Leistungssteigerung des Sportlers erreichen und über den Verlauf auch auf sein Leistungspotenzial und die Wirksamkeit einer individuellen Trainingsmaßnahme schließen. 

Beim Stufentest  mithilfe eines Laufbandes, eines Ergometers oder im Stadion wird der Proband oder die Probandin einer stufenförmig ansteigenden Belastung ausgesetzt. Hier werden vor allem die Muskelgruppen einbezogen, die für die jeweilige Sportart relevant sind. 

Jede Belastungsstufe sollte mindestens drei bis fünf Minuten beibehalten werden, um sicherzustellen, dass die für die jeweilige Belastungsstufe typische Lactatbildung auch über den Lactatspiegel im Blut gemessen werden kann. Denn einerseits wird eine bestimmte Mindestzeit benötigt, in der sich die Muskelzellen auf die neue Belastung einstellen können, und andererseits braucht es eine bestimmte Zeit (ca. drei Minuten), um das in den Muskelzellen gebildete Lactat in analoger Konzentration im Blut wiederzufinden. 

In jedem Fall muss vor dem eigentlichen Stufentest der Lactatruhewert ermittelt werden, der nach leichtem Aufwärmtraining genommen wird. Bei einem Stufentest auf dem Laufband wird in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit des Probanden oder der Probandin mit einer Belastung von 2–3,5 m/sec begonnen. Nach fünf Minuten wird innerhalb von 60 Sekunden eine Kapillarblutprobe entnommen und vermessen. In der darauffolgenden Belastungsstufe wird die Laufgeschwindigkeit um 0,5 m/sec erhöht. Das wird bis in den Grenzbereich der Leistungsfähigkeit fortgesetzt. 

Bei einer anderen Form der Stufentestes werden stufenweise Leistungen mit einem Ergometer vorgegeben. Beispielsweise wird mit einer Leistung von 50 W begonnen, die stufenweise um 50 W zu erhöhen ist. 

Ein vierstufiger Feldstufentest, der häufig im Fussballbereich angewandt wird, sieht pro Belastungsstufe eine definierte Laufstrecke von 1 200 m vor. Ausgehend von einer Laufgeschwindigkeit von 3 m/sec für die erste Stufe wird nun von Belastungsstufe zu Belastungsstufe die Laufgeschwindigkeit um 0,5 m/sec bis auf 4,5 m/sec erhöht. Die Lactatwerte werden über der Laufgeschwindigkeit bzw. über der Leistung punktweise aufgetragen. Die resultierende Kurve beim Verbinden der Punkte ist dann insbesondere für den Bereich zwischen 2 mmol/L und 4 mmol/L Lactat auszuwerten. Je trainierter Proband:innen sind, desto weiter rechts wird die Kurve den anaeroben Schwellenwert (ANS) von 4 mmol/L schneiden. Beispielsweise kann die anaerobe Schwelle bei Untrainierten zwischen 4 und 5 mmol/L Lactat liegen, während hochausdauertrainierte Personen einen anaeroben Schwellenwert von 2,5–3 mmol/L Lactat aufweisen können.

 

Foto: Dr. Bernd Gründig ist CEO der innovativen  Leipziger Firma SensLab.

Wie funktioniert ein Lacat-Biosensor?

Zur Bestimmung der Lactatwerte von Sportlern eingesetzte Lactat-Sensoren verwenden anstelle von Glucose-Oxidase Lactat-Oxidase (LOD). 
Die Lactat-Oxidase setzt mithilfe ihrer redoxaktiven Zentren (FMN/FMNH2) unter Sauerstoffverbrauch das Lactat zu Pyruvat um. Sauerstoff ist der natürliche Elektronenakzeptor der LOD, der die Elektronen aus der Oxidation des Lactats übernimmt und dadurch zu Wasserstoffperoxid reduziert wird (A). 

 

Da Sauerstoff jedoch nur in geringer Konzentration löslich ist, wurde er die Reaktion begrenzen, weil Lactat in viel höherer Konzentration im Vollblut vorliegt. 

Deshalb wird fur Einmal-Lactatsensoren ein künstlicher Elektronenakzeptor verwendet, der in einer Überschusskonzentration vorgelegt wird. Die Lactat-Oxidase oxidiert das Lactat zu Pyruvat und überträgt die frei werdenden Elektronen aus der Oxidationsreaktion auf das Ferricyanid (Fe3+), das dabei zu Ferrocyanid (Fe2+) reduziert wird. Durch Abgabe eines Elektrons an die Arbeitselektrode des Sensorchips erfolgt die Regeneration des Ferrocyanids zu Ferricyanid, das nun für eine weitere Reaktion zur Verfügung steht. Infolge der Elektronenübertragung wird ein Stromfluss verursacht, der proportional zur Lactatkonzentration ist (B).

Auch die Fitness von Rennpferden kann über die Lactat-Akkumulation im Blut bestimmt werden.

 

Weiterführende Literatur:
1. Alles zur Lactatmessung: http://www.senslab.de/ 
2. Renneberg, R (2020) Bioanalytik für Einsteiger, Springer Akademischer Verlag Heidelberg  
3. Heck H, Hess G, Mader A (1985) Vergleichende Untersuchung zu verschiedenen LaktatSchwellenwertkonzepten, Dt. Zeitschrift für Sportmedizin 1, 19-25 
4. Hollmann W, Mader A, Heck H, Liesen H, Olbrecht J (1985) Laktatdiagnostik – Die Entwicklung und praktische Bedeutung in der Sport - medizin und klinischen Leistungsdiagnostik, Medizintechnik 105, 5: 154-162  
5. Clasing D, Weicker H, Böning D (Hrsg.) (1994) Stellenwert der Laktatbestimmung in der Leistungsdiagnostik, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, New York 
6. Eisenhut A, Zintl F (2014) Ausdauertraining. Grundlagen, Methoden, Trainingssteuerung. 1. Aufl., blv, München 
7. Rosenberger F, Meyer T, Kindermann W (2005) Running 8000 m fast or slow: are there differences in energy cost and fat metabolism? Med Sci Sports Exerc 2005, 37: 1789-1793