Könnte Nahinfrarot-Licht (NIR) ein neues Mittel gegen M. Parkinson sein?

Nach vielversprechenden Beobachtungen aus Tiermodellen stehen mehrere Humanstudien in den Startlöchern.

Nach vielversprechenden Beobachtungen aus Tiermodellen stehen mehrere Humanstudien in den Startlöchern.

Lichttherapie kann helfen, die Stimmung zu verbessern und das Immunsystem zu stärken, Lasertherapie kommt in der Schmerztherapie und zur Beschleunigung der Wundheilung zum Einsatz. Können Lichtimpulse auch Neuronen der Substantia nigra vor dem Untergang schützen?

Als der australische Neuroanatom Prof. John Mitrofanis vor 10 Jahren davon erfuhr, dass Licht im Nahinfrarotbereich (NIR) Netzhautzellen gegen Toxine schützen kann, kam ihm die Idee, dies auch bei Parkinson auszuprobieren. Zunächst zeigte sein Team an einem Mausmodell der Erkrankung, dass dieses Licht die dopaminproduzierenden Zellen der Substantia nigra vor einem Neurotoxin schützte. Dies erzählte er dem französischen Neurochirurgen und Physiker Alim Louis Benabid, einem der Mitentwickler der Methode der Tiefen Hirnstimulation (DBS), mit dem er bereits in der Vergangenheit gemeinsam geforscht hatte. Beide kamen zu der Überlegung, dass das Licht, wenn es wie bei den Mäusen nur von außerhalb auf den Schädel gerichtet würde, bei größeren Tieren nicht tief genug eindringen würde. Benabid dachte sofort an ein Gerät, welches die Impulse nahe ans Zielgebiet heranbringen würde.

2017 war ein solches Gerät entwickelt. Dieses wurde neun Makaken implantiert, die ein Parkinson verursachendes Neurotoxin erhalten hatten. Mittels des implantierten Gerätes wurde dem Mittelhirn NIR‑Licht zugeführt. Als der erste Affe sich nach drei Wochen bewegte, als wäre nie etwas gewesen, waren die Wissenschaftler nahezu euphorisch. Im Vergleich zu elf Makaken, die nur das Neurotoxin erhalten hatten, entwickelten die lichttherapierten Tiere weniger Symptome und 20–60% der normalerweise durch das Neurotoxin angegriffenen Neuronen blieben erhalten.

Der Helm

Der Ansatz, Licht bestimmter Wellenlänge von außen zuzuführen, könnte aber dennoch für PatientInnen interessant sein. Mitrofanis und einige Kollegen (darunter eine, die ihr eigenes arthritisches Knie mit einem Umschlag aus LEDs behandelte) veröffentlichten im vergangenen Jahr eine Studie an sechs Parkinson-PatientInnen. Bei ihnen verbesserte sich durch Tragen von mit LEDs ausgekleideten Helmen die Mimik, die auditive Verarbeitung, die Beteiligung an Konversationen, die Schlafqualität und die Motivation. Leider war kein großer Effekt auf die Motorik zu beobachten. O-Ton eines der Behandelten: "Wenn ich eine Tagessitzung verpasse, tritt eine langsame Veränderung bei mir ein. Schlechte Träume kehren zurück, mein Toleranzlevel sinkt deutlich und meine Lethargie nimmt deutlich zu."

An der Universität Sydney ist unterdes eine Studie an 120 PatientInnen mit einem ausgeklügelteren Helm geplant. Auch an der Universität Florida wird demnächst die Wirkung von extern zugeführtem NIR‑Licht versus "Schein"licht auf Verhalten und Motorik an 24 randomisierten PatientInnen untersucht. Auch wenn Dawn Bowers, die Neuropsychologin, die diese Studie leiten wird, gespannt ist, äußert sie selbst Ungewissheit, ob ein transkranielles Verfahren tief genug vordringen kann, um wirklich substanzielle Verbesserungen zu erzielen. Größere Hoffnung hegt sie diesbezüglich für die invasivere Variante des Implantates.

Das fiberoptische Kabel

Eine erste Studie dieser Art wird diesen Herbst bei Benabid in Frankreich beginnen und 14 PatientInnen mit Parkinson im Frühstadium für 4 Jahre begleiten. Sieben von ihnen werden in regelmäßigen Abständen mit Lichtimpulsen von 670 Nanometern behandelt, die dem Gehirn mittels eines dünnen Laserdiodenkabels zugeführt werden. Hier wird es zunächst vorrangig darum gehen, die Sicherheit des Implantates zu zeigen und den Erkrankungsfortschritt zu evaluieren. Benabid meint selbst: "Die Wirkung muss groß sein. Es gibt keinen Grund, eine umfangreiche Operation für eine nur leichte Verbesserung durchzuführen."

Eine Schwierigkeit wird darin bestehen, den protektiven Effekt, sofern vorhanden, zu detektieren.
Zwar werden die Wissenschaftler die Menge der dopaminproduzierenden Neuronen mit gängigen bildgebenden Verfahren messen. Aber ein weiterer international renommierter Parkinson-Spezialist, Professor Dave Sulzer vom Columbia University Irving Medical Centre, gibt mehrere Hindernisse zu bedenken: Weil es keine Biomarker gibt, die gut mit Veränderungen der Symptomlast bei Parkinson einhergehen, "sind wir darauf angewiesen, das Verhalten zu beobachten." Die Forscher werden auch einen klinischen Nutzen prüfen. Aber diese Einschätzungen bleiben immer subjektiv, weil WissenschaftlerInnen die Parkinson-Symptome anhand dessen einstufen, wie PatientInnen spezifische Aufgabenstellungen erfüllen. Darüber hinaus erlebt jeder Behandelte Schwankungen der Tagesform.

Licht ins Dunkel bringen

Wichtiger noch: "Das Hauptproblem aller Neuroprotektionsstudien bei Parkinson ist, dass die Diagnose scheinbar oft gestellt wird, wenn mehr als 50% der dopaminproduzierenden Zellen untergegangen sind". Wenn die Verbesserung nicht enorm ist, "könnte das Signal zu klein sein, um es zu erkennen", so Sulzer.

Darüber hinaus wäre ein placebokontrolliertes Design bei so etwas schwierig bzw. nicht vertretbar. Die Ethikkommission hat es folglich abgelehnt, den anderen sieben PatientInnen eine Schein-Operation zuzumuten.

SkeptikerInnen kritisieren an dem Ansatz, dass unklar sei, wie dies auf Zellen, die so tief im Gehirn liegen, dass sie normalerweise nie das Licht sehen, überhaupt wirken könne.

Sulzer vertritt jedoch die Ansicht, dass die Abwesenheit eines klaren Wirkmechanismus kein Grund ist, den Therapieansatz abzutun. Er verweist darauf, dass wir dies bei vielen Dingen nicht verstehen.
Einige vermuten, dass Licht die energieproduzierenden Mitochondrien der Neuronen ankurbelt. In-vitro-Experimente haben nämlich gezeigt, dass Licht das Enzym Cytochrom-c-Oxidase auf den mitochondrialen Membranen aktiviert. Dieses steigert die zelluläre Energieproduktion, was wiederum den Blutfluss erhöhen und die Zellen stimulieren könnte, bestimmte neuroprotektive Proteine und Wachstumsfaktoren verstärkt zu produzieren.1

Referenzen:
1. Sinha, G. Trials begin for a new weapon against Parkinson’s: light. Science 369, 1415–1416 (2020).