Die besten Kliniken werden von Ärzten gemanaged

Die Herausforderungen im Gesundheitssystem sind immens. Es gilt, Qualität, Humanität, Technologie, Kosten und weitere komplexe Fragen unter einen Hut zu bringen. Dies erfordert außergewöhnliche Führungskräfte.

Die Herausforderungen im Gesundheitssystem sind immens. Es gilt, Qualität, Humanität, Technologie, Kosten und weitere komplexe Fragen unter einen Hut zu bringen. Dies erfordert außergewöhnliche Führungskräfte.

Laut dem US News and World Report 2019 ist die Mayo Clinic, Rochester, auch dieses Jahr wieder das beste Krankenhaus der Vereinigten Staaten. Es folgen das Massachusetts General Hospital, Boston, das Johns Hopkins Hospital, Baltimore, und die Cleveland Clinic.1
Die Tabellenanführer haben u. a. eines gemeinsam: ihre CEOs sind allesamt hoch qualifizierte Ärzte. Die Leitung von Kliniken wie der Mayo Clinic oder der Cleveland Clinic liegt seit deren Gründung vor etwa einem Jahrhundert in ärztlicher Hand.
In einem spannenden Artikel im Harvard Business Review geht Dr. James K. Stoller, Pulmologe und Intensivmediziner sowie Vorsitzender des Ausbildungsinstitutes der Cleveland Clinic, der Frage nach, ob sich dahinter eine allgemeingültige Botschaft verbirgt.2

Trennung von medizinischen und betriebswirtschaftlichen Kompetenzen in Kliniken geht mit schlechterer Performance einher

Eine Querschnittstudie untersuchte die CEOs der Top 100 besten Kliniken in drei Fachrichtungen: Onkologie, gastrointestinale und kardiovaskuläre Erkrankungen.3 Die Qualitätsscores der ärztlich geleiteten Kliniken waren ca. 25% höher. Auch andere Studien fanden diese Assoziation. Den Zusammenhang zwischen Leistung der Klinik und Fähigkeiten des Managements verdeutlichte auch eine Untersuchung einer großen Datenbasis von Kliniken in neun verschiedenen Ländern.4 Es war der Anteil der Manager mit einem medizinischen Abschluss, der den größten positiven Effekt hatte.

Auch aus anderen Branchen ist bekannt, dass sich Führungskräfte, die im jeweiligen Bereich "heimisch" sind oder waren (wie im Fall früherer Spitzensportler, die später als Trainer oder Teamchefs überproportional mit der Erfolgsquote verknüpft sind), durch eine bessere organisatorische Performance auszeichnen. Einen Chef zu haben, der selbst Experte im Hauptgeschäft ist, geht mit einem hohen Level von Angestellten-Zufriedenheit und geringen Kündigungsabsichten einher.5

Gesundes Business?

Was lässt Ärzte in Exekutivpositionen besser abschneiden als reine Betriebswirtschaftler?
Auf der Webseite der Mayo Clinic heißt es, dass sie ärztlich geleitet wird, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Patienten an erster Stelle stehen.
Dr. Toby Cosgrove, ehemaliger CEO der Cleveland Clinic, meint, es liegt an der Augenhöhe und der Glaubwürdigkeit, die von jemandem ausgeht, der selbst einmal die gleichen Positionen und Tätigkeiten durchlaufen hat und daher die Bedürfnisse seiner Kollegen vom Fach nachvollziehen kann. Wenn ein Manager anhand seiner eigenen Erfahrungen versteht, was nötig ist, um eine bestimmte Aufgabe auf höchstem Niveau auszuführen, wird er wahrscheinlicher die richtigen Arbeitsbedingungen dafür schaffen, realistische Ziele stecken und die Leistungen adäquat beurteilen können oder zu schätzen wissen.

Dr. Cosgrove wirft überdies ein, dass Ärzte in Entscheidungspositionen häufig offener für "verrückte" oder innovative Ideen sind. Eine solche Idee war bspw. der erste koronare Bypass an der Cleveland Clinic in den späten Sechzigern. Er meint, ein guter Chef gibt Menschen mit außergewöhnlichen Ideen einen sicheren Raum und toleriert in einem akzeptablen Rahmen Fehlschläge, die ein natürlicher Bestandteil von wissenschaftlichem Streben und Fortschritt sind.

Fachliche Kompetenz allein nicht ausreichend

Eine gute Leitung kommt jedoch nicht ohne soziale Kompetenz aus. Im Studium werden wir noch immer eher zu Einzelkämpfern erzogen, obwohl das Gesundheitswesen einer der wenigen Bereiche ist, wo ein Mangel an Teamarbeit Leben kosten kann. Auch ist es für viele schwer – nach Jahren des Studiums und der Assistenzarzt-Zeit, in denen oft verlangt wird, dass man nachfolgt, sich einordnet und die etablierten Dinge repetiert – die Rolle einer Führungsperson einzunehmen. Dies kann ein Handicap sein, was Ärzte überwinden müssen, denen oft keine formale Führungsschulung angediehen ist. Dr. Victor Dzau, Präsident der National Academy of Medicine, spricht daher von "akzidentellen" Führungskräften. Umso bemerkenswerter ist das bessere Abschneiden ärztlicher Leitungen.

Erhielten Ärzte jetzt noch systematisches Training dafür, wie gute Führung zu bewerkstelligen ist, sei es nur situativ oder als Chef, wären die Leistungen der Kliniken sicherlich noch besser. Die Cleveland Clinic oder die American Association of Physician Leadership leiten seit Jahren Ärzte mit hohem Potenzial dazu an und legen dabei besonderes Augenmerk auf emotionale und psychologische Intelligenz, "team building", Mitarbeiterführung und Konfliktlösung.

Referenzen:
1. 2019-20 Best Hospitals Honor Roll and Medical Specialties Rankings. US News & World Report Available at: https://health.usnews.com/health-care/best-hospitals/articles/best-hospitals-honor-roll-and-overview. (Accessed: 25th August 2019)
2. Stoller, J. K., Goodall, A. & Baker, A. Why The Best Hospitals Are Managed by Doctors. Harvard Business Review (2016). Available at: https://hbr.org/2016/12/why-the-best-hospitals-are-managed-by-doctors. (Accessed: 25th August 2019)
3. Goodall, A. H. Physician-leaders and hospital performance: is there an association? Soc Sci Med 73, 535–539 (2011).
4. Bloom, N., Sadun, R., Lemos, R. & Van Reenen, J. Healthy Business? Managerial Education and Management in Healthcare. (2017). Available at: https://papers.ssrn.com/abstract=3039454. (Accessed: 25th August 2019)
5. Artz, B. M., Goodall, A. H. & Oswald, A. J. Boss Competence and Worker Well-Being. ILR Review 70, 419–450 (2017).