Erkennung von Krebs durch zellfreie DNA im Urin?

Urin gehört zu den am einfachsten zu gewinnenden Proben. Zellfreie DNA im Urin ist jedoch stark fragmentiert, was die Anwendung in der Diagnostik erschwerte – bis dato.

Urin gehört zu den am einfachsten zu gewinnenden Proben. Zellfreie DNA im Urin ist jedoch stark fragmentiert, was die Anwendung in der Diagnostik erschwerte – bis dato. 

Der Nachweis von zellfreier DNA (cfDNA) im Urin könnte ein nicht-invasiver Ansatz zur Krebsfrüherkennung werden. Forscher des Translational Genomics Research Institute, Arizona, analysierten Fragmentierungsmuster in cfDNA aus Urin und Plasma bei Gesunden und Krebskranken mittels Gesamt-Genom-Sequenzierung.1,2
Sie stellten fest, dass bestimmte Regionen des Genoms im Urin gesunder Menschen vor Fragmentierung geschützt sind, dieselben Regionen aber bei Patienten mit Krebs stärker fragmentiert sind.

Ansatz könnte Ergänzung zu cfDNA im Plasma darstellen

Im Vergleich zu cfDNA von Gesunden traten im Urin Krebskranker häufiger tumorbedingte Fragmentierungsmuster auf, die in mehrfach geschützten Regionen endeten.
Durch den Vergleich von genomweiten Unterschieden in den Fragmentierungsmustern der cfDNA im Urin konnten die Autoren Urinproben von Krebspatienten mit einer AUC (area under the curve) von 0,89 identifizieren.

Zur Erinnerung: Die AUC ist die Fläche unter der ROC-Kurve (ROC = receiver operating characteristics). Hierfür werden die richtig Positiven gegen die falsch Positiven aufgetragen. Je besser die Klassifizierungsfähigkeit, desto höher ist der AUC-Wert. Der AUC-Wert kann als Wahrscheinlichkeit interpretiert werden, dass ein positiver Wert auch tatsächlich als solcher erkannt wird.  Ein perfekter Test erzeugt einen Punkt in der linken oberen Ecke des Diagramms, dieser entspräche einer Trefferquote von 100% (alle positiven Objekte werden als solche klassifiziert) und einer Fehlalarm-Rate von 0% (kein negatives Objekt wird als positiv klassifiziert).3

Die Fragmentierungsprofile waren über mehrere Individuen hinweg bemerkenswert konsistent; die Länge der DNA-Fragmente war ähnlich, die Regionen des Genoms, in denen die Fragmentierung auftrat, waren übereinstimmend und gaben den Forschern Auskunft darüber, welcher Zelltyp die Fragmente beisteuerte. Diese Charakteristika waren robust gegenüber präanalytischen Störungen, wie z. B. der Entnahme zu Hause und Verzögerungen bei der Verarbeitung.

"Es liegen viele Schritte zwischen dem, wo wir jetzt sind, und dem, wo wir hin wollen"

Bis wir Krebs per Urinuntersuchung erkennen können, ist es noch ein weiter Weg, meinen die Autoren. Sie erhoffen sich vor allem, dass solche nicht-invasiven Tests dazu beitragen könnten, Neoplasien in einem frühen Stadium zu erkennen, wenn diese noch besser behandelbar sind. Sie untersuchten Proben von Kindern mit verschiedenen Malignomen, deren bösartige Erkrankungen oft außerordentlich schnell voranschreiten und von Erwachsenen mit Pankreaskarzinom, dessen frühzeitige Erkennung entscheidend für die Prognose ist.

Diese ersten, vielversprechenden Ergebnisse müssen nun an größeren Patientenpopulationen überprüft und Unterschiede zwischen Männern und Frauen, jungen und alten Menschen und solchen mit Komorbiditäten wie Diabetes und anderen chronischen Krankheiten identifiziert werden.
Wenn sich die Studienergebnisse bestätigen, wäre der Ansatz ein Durchbruch bei der Erkennung vieler Tumorarten.

Referenzen:
1. Cell-free DNA in urine as potential method for cancer detection: If successful, non-invasive method could transform detection and treatment outcomes. ScienceDaily https://www.sciencedaily.com/releases/2021/02/210218094524.htm.
2. Markus, H. et al. Analysis of recurrently protected genomic regions in cell-free DNA found in urine. Science Translational Medicine 13, (2021).
3. ROC-Kurve. http://www.statistics4u.info/fundstat_germ/ee_classifier_roc_curve.html.