Highlights des 54. ASCO Annual Meetings 1.–5. Juni 2018, Chicago

Bei der diesjährigen Konferenz wurden 2.500 Abstracts zu aktuellen Themen aus onkologischer Forschung und Therapie präsentiert, weitere 3.350 online veröffentlicht.

Bei der diesjährigen Konferenz wurden 2.500 Abstracts zu aktuellen Themen aus onkologischer Forschung und Therapie präsentiert, weitere 3.350 online veröffentlicht. 

Aus der Vielzahl der Themen haben wir einige ausgewählt, deren Erkenntnisse größte praktische Bedeutung haben bzw. die gängige klinische Praxis verändern könnten.

 'TAILOR'-Studie: Mehrheit der Frauen mit Mammakarzinom im Frühstadium brauchen keine adjuvante Chemotherapie

In einer Plenarsitzung wurden Studien mit dem größten klinischen Impact vorgestellt. Unter ihnen eine staatlich finanzierte Phase-III-Studie an 10.273 Patientinnen mit frühem Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs ohne Lymphknotenmetastasen (trifft auf ca. die Hälfte aller Mammakarzinome zu).
Bei Frauen mit einem mittleren "Breast Recurrence Score" von 11 bis 25 (Genexpressionsprofil-Test auf 21 Tumorgene, Oncotype DX®) erbrachte der Zusatz einer Chemotherapie zur Hormontherapie nach OP keine Verbesserung hinsichtlich rezidivfreiem Intervall, DFS oder OS (93,9 % vs. 93,8 %) nach 9 Jahren.

Erstautor Dr. Joseph Sparano, Associate Director for Clinical Research am Albert Einstein Cancer Center und Vize-Vorsitzender der ECOG-ACRIN Cancer Research Group sagt: "Unsere Studie zeigt, dass durch Zuhilfenahme dieses Tests in etwa 70 % der Fälle eine Chemotherapie vermieden und der Einsatz somit auf die 30 % beschränkt werden könnte, für die wir einen Benefit prognostizieren können."

Das genannte Genexpressions-Assay (Untersuchung an bioptisch gewonnenem Tumorgewebe) ist weit verbreitet, z. B. um das 10-Jahres-Rezidivrisiko abzuschätzen. Die zeitgleich im NEJM (New England Journal of Medicine) veröffentlichten Ergebnisse werden laut der Experten einen sofortigen Effekt auf die gängigen Behandlungsstrategien haben und tausenden Frauen die Nebenwirkungen der Chemotherapie ersparen.

'Carmena'-Studie: Bei vielen Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom kann auf Nephrektomie verzichtet werden

Eine weitere der Studien mit dem größten Potenzial, die derzeitige Behandlungspraxis zu verändern, war eine randomisierte Phase-III-Studie, die in der Ära der "targeted therapies" erstmals die Notwendigkeit der Nephrektomie infrage stellt.
Die Antwort der Autoren: beim metastasiertem Nierenzellkarzinom (mRCC) kann eine OP ohne Einbußen im Überleben vermieden werden.

Nach ausschließlicher Behandlung mit Sunitinib betrug das OS 18,4 Monate, nach OP + Sunitinib (aktueller Therapiestandard) hingegen 13,9 Monate. Der Trend war für Subgruppen mit intermediärem und hohem Risiko analog (Resultate ebenfalls zeitgleich im NEJM publiziert).

Die Autoren betonten allerdings, dass für die Patienten, die keine systemische Therapie benötigen, die OP natürlich weiterhin den Goldstandard darstellt (bspw. Patienten mit einer singulären Metastase, solche waren in dieser Studie nicht eingeschlossen).

'SANDPIPER': Neue Wirkstoff-Klasse der PI3K-Inhibitoren bei fortgeschrittenem Mammakarzinom

Taselisib heißt der erste Wirkstoff, der selektiv PI3K blockiert – ein Protein, welches bei etwa 40 % der ER-positiven Mammakarzinome mutiert ist.
In der ersten Phase-III-Studie mit diesem Medikament erhielten 516 postmenopausale Frauen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem, ER-positivem, HER2-negativem Brustkrebs entweder Fulvestrant (Antiöstrogen) + Placebo oder Fulvestrant + Taselisib.
Das PFS verlängerte sich durch Hinzugabe von Taselisib um 2 Monate (7,4 vs. 5,4 Monate). Die Ansprechrate (Tumorverkleinerung) war unter Taselisib mehr als verdoppelt (ORR 28 % vs. 12 %). Daten zum OS reifen noch.

Ärzte und Patienten müssen gemeinsam Kosten und Nutzen abwägen.
Studienautor Dr. José Baselga, Chefarzt des Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York resümiert: "Der Benefit für die Patienten fiel bescheidener aus, als wir erhofft hatten und es besteht ein beachtliches Risiko für UAWs durch den Zusatz von Taselisib."

'RMS2005': Erhaltungstherapie verlängert Leben bei Kindern mit Rhabdomyosarkom

Auch diese Studie wurde als besonders bedeutungsvoll eingeschätzt und daher in einer Plenarsitzung präsentiert – Experten sprachen bei dieser seltenen Neoplasie vom ersten Therapiefortschritt seit 30 Jahren.

Von 371 Kindern mit nicht-metastasiertem high-risk Rhabdomyosarkom erhielt eine Kohorte nur die initiale Standardtherapie (OP, Radiatio, 9 Zyklen Hochdosis-Chemotherapie) und die andere anschließend zusätzlich eine sechsmonatige Erhaltungstherapie (mit niedrigen Dosen von Vinorelbin i. v. 3x/ Monat und Cyclophosphamid p. o. täglich).
Das DFS nach 5 Jahren lag unter Behandlung nach derzeitigem Standard bei 68,8 % und mit zusätzlicher Erhaltungstherapie bei 77,6 % und das OS bei 73,7 % vs. 86,5 %. Kinder, die nach 5 Jahren noch leben, werden als geheilt angesehen, da sodann Rezidive sehr selten sind.

Häufigste UAW in der Erhaltungskohorte war eine Panzytopenie. Fieber in der Neutropenie trat in 25 % der Fälle auf. Infektionen waren in dieser Gruppe dennoch seltener und neurologische Nebenwirkungen erholten sich nach Therapieabschluss. Wie bei den meisten Arten von Chemotherapie sind Langzeit-Nebenwirkungen noch möglich und die Patienten werden diesbezüglich weiter beobachtet.

Diese Studienresultate haben die Therapiestandards in Europa bereits verändert.
Da die Standards in den USA abweichen, wird noch eruiert, wie die Erhaltungstherapie in die dortigen etablierten Protokolle eingebaut werden kann.

'PRODIGE 7': Hypertherme intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC) bei fortgeschrittenem Kolonkarzinom entbehrlich?

Eine weitere randomisierte Phase-III-Studie aus den Top-Themen deutet ebenfalls in die Richtung von "weniger ist mehr". Die Resultate sprechen dafür, dass die alleinige OP der Variante OP + intraoperative HIPEC nicht unterlegen ist: das OS betrug 41,2 respektive 41,7 Monate. Eingeschlossen waren 265 Patienten mit KRK im Stadium IV und Peritonealkarzinose, aber keinen weiteren Metastasen. Fast alle erhielten auch eine systemische Chemotherapie.

'IMpower131': verlangsamt Atezolizumab das Wachstum fortgeschrittener Plattenepithelkarzinome der Lunge?

Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom der Lunge in Stadium IV könnten laut einer randomisierten Phase-III-Studie von einer initialen Kombination des PD-L1-Inhibitors Atezolizumab mit Chemotherapie mehr profitieren als von Chemotherapie allein.

Patienten mit EGFR- oder ALK-Mutationen erhielten vor Studienstart eine entsprechende "targeted therapy". Das PFS betrug unter Atezolizumab + Chemotherapie (Carboplatin und Nab-Paclitaxel) 6,3 Monate und mit Chemotherapie allein 5,6 Monate. Nach 12 Monaten war es bei 24,7 % respektive 12 % nicht zu einem Progress gekommen.
Leider lag die Rate schwerer Nebenwirkungen unter der Kombinationstherapie höher (68 % vs. 57 %) und eine Zwischenanalyse ergab keinen Benefit hinsichtlich des OS (14 vs. 13,9 Monate).

Abkürzungen:
PFS: progressionsfreies Überleben
DFS: krankheitsfreies Überleben
OS: Gesamtüberleben

Quellen:
Press Releases - Annual Meeting Media Resource Center
Available at: https://www.asco.org/about-asco/press-center/media-resources-meetings/annual-meeting-media-resource-center