Wer hätte das früher gedacht? Das maligne Melanom als Vorreiter in der Onkologie

Wohl nur in wenigen onkologischen Bereichen gibt es gerade eine solche Dynamik wie in der Dermatoonkologie. Manche Experten meinen sogar, dass die Erkenntnisse, die derzeit in Bezug auf das maligne Melanom gesammelt werden, wegweisend für die gesamte Onkologie sein könnten.

Ich erinnere mich, dass während meiner Studienzeit, kurz vor der Jahrtausendwende, das fortgeschrittene maligne Melanom mit Hirnmetastasen der klassische Inbegriff für eine „infauste Prognose“ war. Diverse Behandlungsoptionen brachten maximal zeitweilige Linderung – an Heilung war gar nicht zu denken.

Umso bemerkenswerter sind hier die rasanten Entwicklungen der letzten 6 Jahre. Wohl nur in wenigen onkologischen Bereichen gibt es gerade eine solche Dynamik wie in der Dermatoonkologie. Manche Experten meinen sogar, dass die Erkenntnisse, die derzeit in Bezug auf das maligne Melanom gesammelt werden, wegweisend für die gesamte Onkologie sein könnten... Doch der Reihe nach:

Tückisch und auf dem Vormarsch

Der "schwarze Hautkrebs" umfasst lediglich 1 % aller dermatologischen Karzinome, verursacht mit rund 75 % allerdings die mit Abstand größte Sterblichkeit unter den Hautkrebsarten. Es gehört in Deutschland sowohl bei Männern als auch bei Frauen zu den Top-Ten der häufigsten bösartigen Tumoren. Jährlich gibt es über 20.000 Neudiagnosen, wobei die Inzidenz zuletzt kontinuierlich stark gestiegen ist. Bei lokal begrenzten Stadien ist eine Heilung in bis zu 90 % der Fälle durch eine alleinige chirurgische Exzision möglich. Ganz anders sieht es im Falle einer Fernmetastasierung aus: hier beträgt die mediane Überlebenszeit ohne Behandlung lediglich 4–6 Monate.

Mit Chemotherapie überlebte maximal ein Fünftel dieser Patienten die ersten Jahre nach der Diagnose.

Erste Durchbrüche

Mit Einführung der Checkpoint-Inhibitoren wie Ipilimumab kam 2011 erstmal wirklich Bewegung in die Behandlung der fortgeschrittenen Stadien. Schon hier waren es die aufsehenerregenden Berichte vom malignen Melanom, die auch für die Forschung weiterer Krebserkrankungen – insbesondere Mamma-, Bronchial- und Darmkarzinom – eine Art Initialzündung bedeuteten. Das Stichwort war Immuntherapie – eine Behandlungsform, auf die speziell Karzinome mit einer hohen Mutationslast ausgesprochen gut ansprechen. Da beim schwarzen Hautkrebs in etwa 50 % der Fälle die sogenannten BRAF-Gene mutiert sind, konnte eine Ergänzung mit BRAF-Inhibitoren die Überlebenszeit hier zusätzlich erhöhen.

2015 kamen mit den sogenannten PD-1-Hemmer Pembrolizumab und Nivolumab dann zwei Checkpoint-Inhibitoren der neuen Generation auf den Markt, die sogar eine noch höhere Ansprechrate bei gleichzeitig niedrigeren Nebenwirkungsprofil zeigten. Seitdem wurden und werden intensiv diverse Mono- und Kombinationstherapien getestet.

Studienlage macht Mut

Was die Dermatoonkologen in Bezug auf die Therapie des fortgeschrittenen malignen Melanoms derzeit so optimistisch stimmt? Hier beispielhaft ein kurzer Anriss einiger auf dem diesjährigen ASCO-Kongress mit großem Interesse erwarteter und besprochener Studien:

Und sogar das Dogma der Bluthirnschranke inklusive Indikation der Radiotherapie muss hier offenbar neu überdacht werden:

Paradebeispiel für Präzisionsmedizin

Insgesamt ist in der Onkologie ein Paradigmenwechsel weg von der histologischen hin zu einer eher biologischen Sichtweise zu verzeichnen. Bei gleichem Ausgangsbefund reagieren einige Patienten erstaunlich gut auf die Behandlung, wohingegen andere nicht profitieren. Hier gilt es, die genauen genetischen Merkmale des Tumors herauszuarbeiten.

Neben dem bereits als ungünstigen Prädiktor identifizierten hohen LDH-Wert, wird es auch Aufgabe der nahen Zukunft sein, weitere derartige Biomarker nachzuweisen – dieses, explizit mit dem Ziel in jedem Einzelfall, aussichtsreiche Behandlungen zu unterstützen bzw. unnötige, teure und zudem belastende Therapien zu vermeiden.

Und auch die Behandlungsdauer sowie die Rolle der adjuvanten Immuntherapie in Stadium III ist aktuell ein zentrales Thema der Forscher. Von ganz innovativen Ansätzen wie genetisch modifizierten onkolytischen Viren ganz abgesehen.

Raus aus der Sackgasse

Insgesamt also viel los in diesem Gebiet. Bemerkenswert dabei ist, dass gerade das metastasierte maligne Melanom – jahrzehntelang quasi Synonym für Fatalismus und wissenschaftlichen Stillstand – mit dieser neuen medizinischen Ära nun sogar zum Hoffnungsträger für künftige onkologische Fortschritte wird.

Quellen:
Dabrafenib plus trametinib in patients with BRAFV600-mutant melanoma brain metastases (COMBI-MB): a multicentre, multicohort, open-label, phase 2 trial. Davies MA1 et al. Lancet Oncol. 2017 Jun 2. pii: S1470-2045(17)30429-1. doi: 10.1016/S1470-2045(17)30429-1. [Epub ahead of print]

Five-year overall survival (OS) update from a phase II, open-label trial of dabrafenib (D) and trametinib (T) in patients (pts) with BRAF V600–mutant unresectable or metastatic melanoma (MM). Long G et al. J Clin Oncol 35, 2017 (suppl; abstr 9505).

Long-term outcomes in patients (pts) with ipilimumab (ipi)-naive advanced melanoma in the phase 3 KEYNOTE-006 study who completed pembrolizumab (pembro) treatment. Roberts C et al. J Clin Oncol 35, 2017 (suppl; abstr 9504).

Efficacy and safety of nivolumab (NIVO) plus ipilimumab (IPI) in patients with melanoma (MEL) metastatic to the brain: Results of the phase II study CheckMate 204. Tawbi HA et al. J Clin Oncol 35, 2017 (suppl; abstr 9507)

A randomized phase II study of nivolumab or nivolumab combined with ipilimumab in patients (pts) with melanoma brain metastases (mets): The Anti-PD1 Brain Collaboration (ABC). Long G et al. J Clin Oncol 35, 2017 (suppl; abstr 9508).