Prof. Hans Hirschfeld: Spätes Gedenken an einen Vorreiter der hämatologischen Onkologie

"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", sagt Künstler Gunter Demnig, der seit nunmehr vielen Jahren an die Opfer der NS-Zeit erinnert, indem er aus Messing gefertigte Gedenktafeln vor ihren letzten selbstgewählten Wohnorten verlegt.

"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", sagt Künstler Gunter Demnig, der seit nunmehr vielen Jahren an die Opfer der NS-Zeit erinnert, indem er aus Messing gefertigte Gedenktafeln vor ihren letzten selbstgewählten Wohnorten verlegt.

Bitter ist, wenn die menschlichen Schicksale aus jener Zeit ignoriert werden oder in Vergessenheit geraten. Bitter ist aber auch, wenn Leistung und Lebenswerk der Betroffenen systematisch totgeschwiegen werden. So erging es vielen, zumeist jüdischen Ärzten und Wissenschaftlern, die in den Jahren und Jahrzehnten vor dem Holocaust großen Anteil an den Fortschritten der Medizin in Deutschland hatten.

Oftmals wurden ihre Namen und ihr Andenken sogar in den von ihnen gegründeten Institutionen oder Fachpublikationen stillschweigend übergangen – manchmal bis in die Gegenwart hinein!

Gegen das Vergessen

Um dieser Unsäglichkeit wenigstens nachträglich ein wenig Gerechtigkeit entgegenzusetzen, besinnen sich heute viele Fachgesellschaften bewusst auf ihre Geschichte und ihre historische Verantwortung.

So auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, deren Gründung im Jahr 1937 mit der Hypothek belastet war, dass jüdische Spezialisten von vornherein ausgeschlossen waren. In einer eigenen Forschungsstelle wird mittlerweile nicht nur die Geschichte der klinischen Erkenntnisse rekonstruiert, sondern explizit auch die der dunkelbraunen Schandflecken rund um den Nationalsozialismus.

Beispielsweise dokumentiert eine eigene Publikation eine Ausstellung über den jüdischen Hämatologen Prof. Hans Hirschfeld, der 1944 in Theresienstadt umkam. In der Charlottenburger Droysenstraße in Berlin wurde im März 2011 auch ein Stolperstein für Hans Hirschfeld verlegt. Damit gedenkt die DGHO stellvertretend für alle unter der Naziherrschaft ermordeten jüdischen Kollegen dem Berliner Krebsmediziner an seinem letzten Wohnsitz in Berlin.

"Prof. Hans Hirschfeld steht für eine ganze Generation jüdischer Ärzte und Wissenschaftler, die der Nazidiktatur zum Opfer gefallen sind. Hunderte Wissenschaftler, häufig profilierte Konkurrenten ihrer 'arischen' Kollegen, wurden so aus dem Weg geräumt", so Dr. Thomas Benter, Mitglied der DGHO bei der Verlegung des Stolpersteins für Hirschfeld. "Nicht zuletzt deshalb tat sich die Medizin lange schwer, sich diesem Thema wirklich zu stellen, und umso wichtiger ist es, heute die Erinnerung an Wissenschaftler wie Hirschfeld aufrechtzuerhalten."

Eine Koryphäe der Krebsmedizin

Hans Hirschfeld, geboren 1873, studierte von 1891 bis 1897 in Berlin Medizin, spezialisierte sich früh auf Erkrankungen des blutbildenden Systems und promovierte in diesem Bereich. 1918 wurde er habilitiert, 1923 als außerordentlicher Professor an das Institut für Krebsforschung der Berliner Charité berufen. Seine Schwerpunktthemen beinhalteten die Differenzierung der Leukämien, die Funktion der Milz sowie viele labordiagnostische Methoden. 1933 erschien in Zusammenarbeit mit Anton Hittmair das für die Geschichte der Krebsmedizin bedeutende "Handbuch der allgemeinen Hämatologie". Daneben war der immer sehr bescheiden auftretende Forscher auch Autor von über 160 wissenschaftlichen Publikationen, die weltweite Anerkennung fanden.

Nach der Machtergreifung der Nazis verlor Hirschfeld seine Stelle, 1936 erhielt er Publikationsverbot. Verzweifelt versuchte Hirschfeld in England eine Anstellung als Wissenschaftler und Arzt zu finden und seinem Schicksal in Berlin zu entkommen. Mittellos lebte er zuletzt in der Droysenstraße in Charlottenburg. Von dort wurde er im Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er im August 1944 starb. Die genauen Umstände seines Todes sind nicht bekannt.

"Die Fachgesellschaft möchte sich heute nicht nur mit der Geschichte ihres Fachs in der Nazizeit beschäftigen, sondern darüber hinaus auch die fehlende oder gar unterdrückte Auseinandersetzung mit diesem Erbe in den vergangenen Jahrzehnten thematisieren", betonte Prof. Gerhard Ehninger, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, anlässlich der Verlegung des Stolpersteins.

Die Lorbeeren strichen andere ein

"Hans Hirschfeld war Mitherausgeber eines unserer bis in die 70er Jahre hinein unverzichtbaren Standardwerke. Bei der ersten Neuauflage nach dem Krieg tauchte sein Name plötzlich nicht mehr unter der Autorenschaft auf. Unsere Kollegen, teilweise wissenschaftliche Größen ihrer Zeit, haben sich dieses geistige Eigentum einfach zu Eigen gemacht. Auch dieser Geschichte müssen wir uns heute stellen. Deshalb hat der DGHO-Vorstand die Initiative von Anfang an unterstützt, einen Stolperstein für Prof. Hirschfeld zu verlegen. Diese Aktion soll ein Auftakt zu weiteren Projekten sein, mit denen sich die Fachgesellschaft mit ihrer Vergangenheit vor und nach 1945 auseinandersetzen will.

Mein persönliches Fazit: Ein sehr spätes, aber würdiges Gedenken. Hans Hirschfeld und so vielen anderen sind wir – als Menschen und als Mediziner – wenigstens das schuldig...

Quellen:
Hans Hirschfeld. GeDenkOrt.Charité – Wissenschaft in Verantwortung. Dr. Thomas Benter
Stolperstein für den Berliner Arzt Prof. Hans Hirschfeld. Pressemitteilung der DGHO vom 16.03.2011
80 Jahre DGHO – 80 Jahre Engagement für Erforschung und Therapie von Blut- und Krebserkrankungen. Pressemitteilung vom 16.11.2017