COVID-19-Impfung und retinale Gefäßverschlüsse: Zusammenhang?

Seit Einführung der COVID-19-Impfstoffe wurde in Fallberichten von retinalen Gefäßverschlüssen in zeitlicher Assoziation zur Immunisierung berichtet. Was ist dran?

Ätiopathogenetische Verbindung zwischen der mRNA-COVID-19-Impfung und dem Auftreten retinaler Gefäßverschlüsse?

Seit Einführung der COVID-19-Impfstoffe wurde in Fallberichten von retinalen Gefäßverschlüssen in zeitlicher Assoziation zur Immunisierung berichtet. Dies löste bei einigen Menschen Unsicherheit bezüglich der COVID-19-Impfung aus. Mittlerweile wurden weltweit bereits Milliarden von Impfdosen verabreicht. Eine groß angelegte Studie zu dieser Thematik bringt Klarheit.2

Über diese Frage haben sich schon einige Forscher und Forscherinnen den Kopf zerbrochen. Welche Mechanismen könnten einem akut nach einer COVID-19-Impfung auftretenden retinalen Gefäßverschluss zugrunde liegen? Denkbar wäre folgender Mechanismus: Eine impfstoffinduzierte, immunthrombotische Thrombozytopenie ist eine seltene Komplikation der COVID-19-Impfung mit mRNA-Impfstoffen. Die impfstoffinduzierte immunthrombotische Thrombozytopenie könnte in systemischen ischämischen und thrombotischen Ereignissen in verschiedenen Organsystemen des Körpers resultieren und somit auch das Gefäßsystem des Auges betreffen.2

mRNA-COVID-19-Impfstoff wird verglichen mit Influenza- und Tdap-Impfstoff

Die Forschungsgruppe um Ian Dorney hat erst kürzlich, am 13. April 2023, eine wissenschaftliche Studie veröffentlicht, in der sie untersucht hat, ob retinale Gefäßverschlüsse eine mögliche Komplikation von Impfungen sein könnten. Sie untersuchten hierfür Patienten, bei denen es innerhalb von 21 Tagen nach Immunisierung zu einem neuen retinalen Gefäßverschluss gekommen war. Neben dem mRNA-COVID-19-Impfstoff wurden folgenden Impfstoffe in die Datenanalyse eingeschlossen: Influenza-, Tetanus-, Diphtherie- und Pertussis-Impfstoff (Tdap-Impfstoff). Besonderes Augenmerk legten sie hierbei auf das Auftreten venöser retinaler Gefäßverschlüsse nach Impfung.2

Ausschluss anderer RVO-Ursachen durch Big Data-Analyse

In ihre retrospektive Datenanalyse wurden die Datensätze von insgesamt 103 Millionen Patienten einbezogen. Die Forschungsgruppe nahm hierfür das Forschungsnetzwerk für elektronische Gesundheitsdaten (EHR) TriNetX-Analytikplattform zur Hilfe. So konnte ein bevölkerungsbasiertes Kohortendesign erstellt werden. Die Datensatze wurden nach dem Vorhandensein von bestimmten Impfcodes (Common Procedural Technology) durchsucht. Es wurde gezielt nach Fällen von neu diagnostizierten retinalen Gefäßverschlüssen innerhalb von 21 Tagen nach Impfung gesucht. Relative Risiken wurden über Propensity-Score-Matching auf der Grundlage demografischer Merkmale (Alter, Geschlecht, Rasse und ethnische Zugehörigkeit) und Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Hyperlipidämie ermittelt.2 

Big Data liefert ophthalmologische Antworten 

Bei 0,003 % der 3.108.829 Patienten, die eine mRNA-COVID-19-Impfung erhalten hatten, trat innerhalb der ersten 21 Tagen nach der Impfung ein neuer retinaler Gefäßverschluss auf. Das mittlere Alter der Patienten lag bei rund 51 Jahren. Das weibliche Geschlecht überwog mit 56,4 %. Die Forschungsgruppe verglich dieses Ergebnis mit dem RVO-Auftreten nach einer der anderen zuvor genannten Impfungen. Nach dem Propensity-Score-Matching unterschied sich das relative Risiko für das Auftreten eines neuen RVO nach der ersten Impfdosis mit dem mRNA-COVID-19-Impfstoff nicht signifikant von dem relativen Risiko nach Influenza- oder Tdap-Impfung. Die Forschungsgruppe schloss hieraus, dass es sich bei einem akut nach mRNA-COVID-19-Impfung auftretenden RVO um eine extrem seltene Diagnose handelt. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zur Influenza- oder Tdap-Impfung hinsichtlich der RVO-Auftrittsrate.2 Interessanterweise nahm das Risiko für das Auftreten eines RVO nach mRNA-COVID-19-Impfung nach der zweiten Impfdosis sogar ab. So war das relative Risiko für das Auftreten eines RVO nach der ersten Impfdosis 2,25 Mal höher als nach der zweiten Impfdosis. Zu beachten ist, dass sich diese Ergebnisse nicht auf alle anderen COVID-19-Impfstoffe übertragen lassen.3

Referenzen:
  1. https://eyewiki.aao.org/Retinal_Manifestations_of_Covid_19
  2. Ian Dorney et al. (2023). Risk of New Retinal Vascular Occlusion After mRNA COVID-19 Vaccination Within Aggregated Electronic Health Record Data, JAMA Ophthalmology (2023). DOI: 10.1001/jamaophthalmol.2023.0610
  3. Jampol LM. et al. (2023). No Red Flags for Risk of Retinal Vascular Occlusion After mRNA COVID-19 Vaccination. JAMA Ophthalmol. 2023 Apr 13.