Die neurobehaviorale Therapie des Glaukoms mittels Citicolin

Im diesjährigen Ophthalmologie-Blog haben wir bereits des Öfteren über das Glaukom gesprochen. Eine wichtige Stellschraube in der Therapie des Glaukoms stellt die Reduktion des Augeninnendrucks dar. Eine adäquate Augeninnendruckkontrolle garantiert jedoch nicht, dass es zu keiner weiteren Optikusschädigung im Krankheitsverlauf kommen kann.

Im diesjährigen Ophthalmologie-Blog haben wir bereits des Öfteren über das Glaukom gesprochen. Eine wichtige Stellschraube in der Therapie des Glaukoms stellt die Reduktion des Augeninnendrucks dar. Eine adäquate Augeninnendruckkontrolle garantiert jedoch nicht, dass es zu keiner weiteren Optikusschädigung im Krankheitsverlauf kommen kann. Das lässt uns nur eine Sache vermuten: Neben dem Augeninnendruck müssen noch weitere Faktoren den Erfolg einer antiglaukomatösen Therapie beeinflussen. Es besteht auf jeden Fall noch viel Forschungsbedarf hinsichtlich der Pathogenese des Glaukoms. Eine erst kürzlich publizierte wissenschaftliche Studie hat sich genau mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Mehr dazu im heutigen Beitrag.

Von Citicolin und seinen neurobehavioralen Effekten

Das Ziel jeder ophthalmologischen Therapie ist der Erhalt der Sehkraft. Die ersten Ergebnisse der Forschungsgruppe um Yolandi van der Merwe deuten darauf hin, dass dies auch unabhängig von Druckschwankungen beim Glaukom möglich sein könnte. In der uns vorliegenden Längsschnittstudie hat die Forschungsgruppe die Wirkung von Citicolin sowie die neurobehavioralen Effekte auf das Ausmaß und die Dauer einer Augeninnendruckerhöhung auf den Sehnerven im Rattenmodell untersucht. Dies tat sie mittels multiparametrischer Magnetresonanztomographie, optokinetischen sowie histologischen Untersuchungen.1 

Citicolin, ein essentielles Nukleosiddiphosphat

Citicolin, auch bekannt unter der Bezeichnung Cytidin-Diphosphat-Cholin (CDP-Cholin), ist ein wasserlösliches Nukleosiddiphosphat, welches essentiell für die Biosynthese von Zellmembran-Phospholipiden ist. Seine Bioverfügbarkeit liegt bei über 90%. Es ist involviert in Umbau- und Reparaturprozesse der Zellmembran und stellt hier den limitierenden biosynthetischen Schritt dar. Die Phosphatidylcholin-Synthese hängt von Citicolin ab. Citicolin selbst wird endogen synthetisiert. Es existieren bereits pharmakokinetische Daten über die Absorption von oral aufgenommenen Citicolin bei adulten Personen. Bei adulten Personen zeigt sich eine zügige Citicolin-Absorption. Die enterale Ausscheidung liegt bei unter 1%.2,3

6 Versuchsgruppen mit weiblichen Ratten bringen die Forschungsgruppe an ihr Ziel

Die Forschungsgruppe um Yolandi van der Merwe hat ihre Hypothese an insgesamt zweiundachtzig erwachsenen weiblichen Long Evans Ratten (Charles River Laboratories, Wilmington, MA) mit einem Alter von etwa 8 Wochen untersucht. Es erfolgte eine randomisierte Unterteilung der Versuchstiere in sechs Gruppen. Die erste Gruppe beinhaltete Tiere mit einer akuten leichten IOD-Erhöhung. Die Versuchstiere der zweiten Gruppe zeigten eine akute schwere Augeninnendrucksteigerung. Die Versuchstiere der dritten Gruppe erhielten Citicolin bei chronischer IOD-Erhöhung. Diesen Tieren wurde Citicolin täglich oral verabreicht. Dies erfolgte 7 Tage vor der Induktion der Augeninnendrucksteigerung. Der vierten Versuchsgruppe wurden Tiere mit einer chronischen Augeninnendrucksteigerung zugeteilt. Diese Tiere erhielten keine Citicolintherapie. Die fünfte Gruppe war die akute Scheinkontrollgruppe und die sechste die chronische Scheinkontrollgruppe.

Die Druckerhöhung erfolgte am rechten Auge mit einer physiologischen Kochsalzlösung

Die Augeninnendruckerhöhung wurde durch eine Vorderkammerperfusion mit physiologischer Kochsalzlösung des jeweils rechten Auges der Versuchstiere der leichten (n = 13) oder schweren (n = 12) akuten IOD-Erhöhung erreicht. Die Analgesie wurde durch eine topische Proparakain-Hydrochlorid-Applikation und die Mydriasis durch eine topische Tropicamid-Gabe erreicht. Die Nadelspitze einer 30-Gauge-Nadel wurde unter optischer Kontrolle parallel zur Iris in die Vorderkammer des rechten Auges eingeführt. Hierüber konnte über sterile Schläuche die physiologische Kochsalzlösung ins Auge gelangen, um hier den Augeninnendruck auf 40 mmHg für eine leichte und auf 130 mmHg für eine schwere akute IOD-Erhöhung zu bringen. Das jeweils linke Auge dieser Versuchstiere erhielt keine Vorderkammerperfusion mit physiologischer Kochsalzlösung. Es diente als interne Kontrolle.1 

Citicolin zeigt Wirkung

Die Forschungsgruppe hat das OptoMotry Virtual-Reality Optokinetik-System (Cerebral-Mechanics Inc., Lethbridge, Alberta, Kanada) angewandt, um das visuomotorische Verhalten durch die Quantifizierung der Sehschärfe des jeweiligen Auges beurteilen zu können. Das linke Auge zeigte in allen Gruppen eine unveränderte Sehschärfe. Zu diesem Ergebnis kam die Forschungsgruppe nach der Auswertung der optokinetischen Verhaltensmuster. Die Sehschärfe des linken Auges war mit der Sehschärfe des rechten experimentellen Auges vor der IOD-Erhöhung vergleichbar gewesen. Die Sehschärfe des rechten experimentellen Auges nahm mit jedem verstreichenden Tag nach der Induktion stetig ab. Dies geschah sowohl in der Gruppe mit der leichten akuten als auch in der Gruppe mit der schweren akuten Augeninnendrucksteigerung. Im Vergleich zum linken Auge war die Sehschärfe des rechten experimentellen Auges am 14. und 35. Tag nach Induktion signifikant geringer gewesen. Am 7., 14. und 35. Tag nach Induktion besaß die Gruppe mit der akuten schweren Augeninnendrucksteigerung einen signifikant geringeren Visus im Vergleich zur Gruppe mit der akuten leichten Augeninnendrucksteigerung. Im Vergleich zur Scheinkontrollgruppe zeigte sowohl die mit Citicolin behandelte als auch die unbehandelte Versuchsgruppe mit Augeninnendrucksteigerung einen reduzierten Visus am Tag 14 und 35. Der Vergleich der Versuchsgruppe mit und ohne Citicolin führte schließlich zu dem gewünschten Ergebnis. Die Citicolintherapie ging mit einem signifikant besseren Visus trotz ähnlich hoher Augeninnendruckwerte der beiden Gruppen einher.1

Im kommenden Beitrag erfahren wir, zu welchen Ergebnissen die Forschungsgruppe nach der Analyse der Daten der multiparametrischen Magnetresonanztomographie gekommen ist. 

Referenzen:
1. Van der Merwe Y. et al. (2021). Citicoline Modulates Glaucomatous Neurodegeneration Through Intraocular Pressure‑Independent Control.
2. Schäbitz W. R. (2009). CDP-Cholin zur Behandlung des Schlaganfalls. Psychopharmakologie. 3, 2009, S. 101–105.
3. Davalos A. et al. (2002). Oral citicoline in acute ischemic stroke: an individual patient data pooling analysis of clinical trials. Stroke. 33, 2002, S. 2850–2857.