Es werde Licht! Wie Luxturna<sup>®</sup> Licht ins Dunkel bringt

Endlich ist es soweit: Die jahrelange Forschung an einem Gentherapeutikum für die Therapie erblicher Netzhauterkrankungen mit Mutationen im RPE-65-Gen trägt endlich Früchte.

Endlich ist es soweit: Die jahrelange Forschung an einem Gentherapeutikum für die Therapie erblicher Netzhauterkrankungen mit Mutationen im RPE-65-Gen trägt endlich Früchte. 

Die Forschungsgruppe um Russell S. veröffentlichte vor 2 Jahren eine randomisierte Phase-III-Studie, welche die Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil eines Gentherapeutikums für kongenitale Netzhautdystrophie (biallelische RPE-65-Mutation) untersucht hat. Im Anschluss hieran wurde das neue Gentherapeutikum mit dem Wirkstoff Voretigene Neparvovec in einem klinischen Programm angewendet. Im Winter 2017 wurde Luxturna® durch die FDA (Food and Drug Administration) in den USA zugelassen. Nun ist Luxturna® seit einiger Zeit auch auf dem deutschen Markt angekommen. Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat im November 2018 Luxturna® zugelassen.1-2

Luxturna®: Der Name ist Programm

Das neue Gentherapeutikum mit dem futuristischen Namen Luxturna® (Wirkstoff: Voretigene Neparvovec) gibt hier in Form einer Gen-Augmentationstherapie Hoffnung. Luxturna® enthält 5x1012 Vektorgenome/ml pro Konzentrat und ist ein Vertreter der ",Advanced Therapeutic Medicinal Products (ATMP)". Bevor die Anwendung an der Patientin/ am Patienten stattfinden kann, erfolgt eine 1:10 Verdünnung des Konzentrats. Eine 2-ml-Einzeldosis-Durchstechflasche umfasst 0,5 ml des verdünnten Konzentrats, von dem wiederum 0,3 ml verabreicht werden.2 Für Patientinnen und Patienten mit einer Retinitis pigmentosa oder einer Leberschen kongeni­talen Amaurose stellt dieses neue Gentherapeutikum die letzte Hoffnung dar. Im nachfolgenden Text und im kommenden Blog-Beitrag erfahrt Ihr, wie dieses neue Orphan Drug die Herzen der Ophthalmologinnen und Ophthalmologen höherschlagen lässt.

Den RPE-65-Mutationen wird die Stirn geboten

Die kongenitalen Netzhautdystrophien (biallelische RPE-65-Mutation) gehören zu den sehr seltenen ophthalmologischen Erkrankungen und führen unbehandelt zur Erblindung der betroffenen Patientin/ des betroffenen Patienten. In Deutschland sind nach der aktuellen Datenlage 200-300 Personen von dieser Erbkrankheit betroffen. Bereits in der frühen Kindheit kann diese Erkrankung mit einer schweren Sehbeeinträchtigung einhergehen. Das Genprodukt des RPE-65-Gens, das Protein RPE65, ist entscheidend am Sehzyklus beteiligt: Es ist mitverantwortlich für die Wiederherstellung des Rhodopsins über die Umwandlung von all-trans-Retinal in 11-cis-Retinal. Ist dieser Prozess gestört, so kommt es zu einer funktionellen Einschränkung der Augen, bei dem vor allem die Stäbchen betroffen sind. Die betroffenen Patientinnen und Patienten leiden unter einem reduzierten Dämmerungssehen, unter konzentrischen perimetrischen Defekten sowie einer reduzierten zentralen Sehschärfe. Das Ausmaß dieser Symptomatik ist vom Patientenalter und der jeweiligen Mutation -es gibt über 30- abhängig. Die Restaktivität des Enzyms entscheidet über den Phänotyp (Retinitis pigmentosa, schwere frühkindliche Netzhautdegeneration und Lebersche Congenitale Amaurose (LCA)). Rund 15% der Patientinnen/ der Patienten mit LCA haben eine Mutation im RPE65-Gen.1-3

Ein Labyrinth aus Schatten und Licht

In der Phase-III-Studie der Forschungsgruppe um Russell S. et al. wurde die Wirksamkeit von Luxturna® mit Hilfe eines Multiluminanz-Mobilitätstest (MLMT) geprüft. Bei diesem Test wurden die insgesamt 31 Studienteilnehmer und Studienteilnehmerinnen dabei beobachtet, wie sie sich vor und nach der Gen-Augementationstherapie bzw. Placebogabe auf einem Hindernissparcour unter unterschiedlichen Beleuchtungsintensitäten (400 bis 1 Lux) zurechtfanden (siehe Video). Anhand der gewonnen Daten wurde ein MLMT-Score erstellt bei dem ein Score von 6 bedeutete, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich in Dunkelheit orientieren konnten und ein Score von 0, dass dies nur in Helligkeit möglich war. Die Sehfähigkeit betrug vor Einsatz des Gentherapeutikums im Durchschnitt 20/60 und schlechter. Der konzentrische Gesichtsfeldausfall durfte bei Studienbeginn nicht mehr als 20° in jedem Meridian betragen. Eine weitere Voraussetzung für die Studienteilnahme war die Fähigkeit den oben beschriebenen Mobilitätstest überhaupt erst bewältigen zu können. Der Beobachtungszeitraum der Studie lag bei 12 Monaten.1

Das Vorhandensein lebensfähiger RPE-Zellen ist die Voraussetzung für einen Therapieerfolg

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Studie waren mit 3 Jahren und älter noch sehr jung. Doch das ist auch richtig so, da die Krankheit in jungen Jahren behandelt werden muss, um einen Therapieerfolg zu verzeichnen. Die Voraussetzung dafür, dass das Gentherapeutikum seine Wirkung entfalten kann ist, dass noch ausreichend lebensfähige RPE-Zellen vorhanden sind, in die dann die korrekte RPE65-Genkopie durch den adenoviralen Vektor eingeschleust werden kann.1

Im nächsten Beitrag erfahren wir, wie die Gen-Augmentationstherapie korrekt durchgeführt wird und zu welchen Ergebnissen die Forschungsgruppe um Russell S. schlussendlich gekommen ist. Es wird darauf eingegangen, wie im klinischen Alltag die korrekte Diagnosestellung erfolgen sollte, damit die betroffenen Patientinnen und Patienten rechtzeitig vom neuen Gentherapeutikum profitieren können. Die Zeit bis zur Diagnosestellung entscheidet über das Schicksal der Patientinnen und Patienten.

Referenzen:
1. Russell S. et al. (2017). Efficacy and safety of voretigene neparvovec (AAV2-hRPE65v2) in patients with RPE65-mediated inherited retinal dystrophy: a randomised, controlled, open-label, phase 3 trial. Lancet. 2017 Aug 26;390(10097):849-860. doi: 10.1016/S0140-6736(17)31868-8. Epub 2017 Jul 14.
2. https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/luxturna-epar-product-information_de.pdf
3. https://www.dog.org/wp-content/uploads/2019/03/Luxturna-Stellungnahme-19_02_22.pdf

Fachinformation:
Luxturna®