Gewebeklebstoffe in der Augenheilkunde: Wo stehen wir aktuell?

Das bioadhäsive Hydrogel GelCORE, was sich derzeit noch in Entwicklung befindet, ermöglicht die sichere Versiegelung oberflächlicher Hornhautverletzungen. Hieraus könnten sich neue Möglichkeiten im globalen Kampf gegen die Erblindung ergeben.

Das bioadhäsive Hydrogel GelCORE, was sich derzeit noch in Entwicklung befindet, ermöglicht die sichere Versiegelung oberflächlicher Hornhautverletzungen. Hieraus könnten sich neue Möglichkeiten im globalen Kampf gegen die Erblindung ergeben.

Im letzten Beitrag haben wir ein bioadhäsives Hydrogel kennengelernt, welches zukünftig einen Teil der 1,5 Millionen korneal bedingten Erblindungsfälle pro Jahr verhindern könnte. Von diesen 1,5 Millionen Menschen erhalten nur etwa 5% die heilende Hornhauttransplantation. Den übrigen bleibt diese Therapie verwehrt. Das noch in der Entwicklung befindliche bioadhäsive Hydrogel GelCORE kann oberflächliche Hornhautverletzungen sicher versiegeln und könnte daher einem Teil der Patienten die Hornhauttransplantation ersparen. Sollte das neu entwickelte bioadhäsive Hydrogel halten, was es verspricht, so wäre das ein enormer Schritt im Kampf gegen die globale Erblindung.1

Kleben statt Nähen

Generell lassen sich Gewebeklebstoffe in zwei Gruppen einteilen: In die synthetischen und diejenigen "natürlichen" Ursprungs. Klebstoffe, die auf Cyanoacrylat und Polyethylenglycol (PEG) basieren, zählen zu den synthetischen Gewebeklebstoffen. Zu den "natürlichen" adhäsiven Gewebeklebern gehört der Fibrinkleber, der Polysaccharid-Kleber sowie Kollagen-basierte Klebstoffe.3 GelCORE (gel for corneal regeneration) ist so ein Kollagen-basierter Klebstoff.

Der Sekundenkleber kann die Enukleationsrate reduzieren

Verletzungen und Entzündungen der Hornhaut können zu Vernarbungen führen und dadurch mit einer Visusminderung einhergehen. Gehen die pathologischen Prozesse soweit, dass es zu einem Zusammenbruch des Hornhautstromas kommt, so ist die Integrität des Auges gefährdet.1 Bisherige Therapieversuche mit synthetisch hergestellten Gewebeklebstoffen - wie dem uns bekannten Sekundenkleber - bringen viele Nachteile für den Visusverlauf mit sich. Dennoch zeigt eine Studie aus dem Jahr 2000, dass der Wundverschluss kleinerer Perforationen (unter 3mm im Durchmesser) mit Cyanoacrylat - dem Inhaltsstoff des Sekundenklebers - die Enukleationsrate von 19% auf 6% senken konnte. Ebenfalls konnte die Operationsnotwendigkeit einer perforierenden Keratoplastik in diesen Fällen verringert werden. Zu einer Reepithelialisierung des geklebten Wundareals kam es bei der Anwendung des Sekundenklebers nicht.2 Bereits in den 80ern war die bakterizide Wirkung des Sekundenklebers bekannt. Der Sekundenkleber wurde sogar bei der Therapie von Sickerkissenfisteln und auch bei Netzhautrissen bei Kindern eingesetzt. In vitro konnte jedoch die Toxizität des Sekundenklebers nachgewiesen werden, sodass der Wunsch nach einem biokompatiblen und vor allem sicheren Gewebeklebstoff die letzten Jahre immer weitergewachsen ist.3

Fibrinkleber, der Dinosaurier unter den Gewebeklebstoffen

Die Forschungsgruppe um Sharma A. verglich in einer Studie den Verschluss kleinerer Hornhautperforationen durch Sekundenkleber und durch Fibrinkleber miteinander. Der Sekundenkleber härtete schneller aus als der Fibrinkleber. Mit dem Fibrinkleber kam es jedoch seltener zu Neovaskularisationen der Hornhaut, was ein großer Pluspunkt für diesen darstellt.4 Bei Anwendung nach Pterygiumexzision zeigte sich eine geringere Rezidivrate und eine kürzere Operationsdauer. Eine Kombination des Fibrinklebers mit einer Amniontransplantation konnte die Heilungsrate nach Hornhauttrauma deutlich verbessern. Die Forschungsgruppe um Tyagi kombinierte in der Behandlung von 5 Patientinnen und Patienten mit rhegmatogener Ablatio retinae die Pars-plana-Vitrektomie mit einer Endolaserphotokoagulationstherapie und verschloss anschließend die Netzhautrisse mit Fibrinkleber. Auf eine Gas- oder Silikonöltamponade wurde in dieser Studie verzichtet. Sie nannten ihre neue Technik GuARD. Bisher sind keine Komplikationen aufgetreten. Zu Bedenken ist jedoch, dass der Fibrinkleber eine epiretinale Zellproliferation begünstigen kann. Auch besteht die Möglichkeit, dass sich im Verlauf Veränderungen im Sinne einer proliferativen Vitreoretinopathie ausbilden können.5-8

Der Fibrinkleber ist nicht das Nonplusultra

Der Fibrinkleber, der seit Anfang des 19. Jahrhunderts Anwendung in der Medizin findet, kann den ophthalmochirurgischen Ansprüche nicht zu 100% Genüge tun. Er ist anfällig gegenüber Feuchtigkeit, kann proteolytisch abgebaut werden und besitzt keine besonders hohe Haftungskraft. Auch birgt der teure Fibrinkleber das Risiko der Übertragung von Viren des Spenderorganismus. Das in ihm enthaltende Fibrinogen kann in der Akuten-Phase-Reaktion Neutrophile aktivieren und so Prozesse wie die Phagozytose und die zellvermittelte Zytotoxizität einleiten. Stammt das Thrombin des Fibrinklebers aus Tieren, so kann der menschliche Organismus allergisch hierauf reagieren. Fibrinkleber ist nicht das Nonplusultra in der Augenheilkunde, doch er ist momentan noch alles was wir haben. Doch wenn GelCORE die geplanten Studien am Menschen erfolgreich bestehen sollte, dann wird sich einiges in der Ophthalmochirurgie ändern.3

Sichtbares Licht leitet die Verhärtungsphase ein

Letztes Mal haben wir erfahren, dass GelCORE mittels Photocrosslinking verhärtet wird. GelCORE basiert auf einer Mischung aus Gelatine und Methacrylsäureanhydrid, wobei der letztere Inhaltstoff die lichtreagible Komponente darstellt. Die üblichen Crosslinking-Verfahren benötigen UV-A-Licht, welches jedoch schädlich für die Netzhaut ist. Die Forschungsgruppe hat es geschafft, ein bioadhäsives Hydrogel herzustellen, welches bereits bei sichtbarem Licht verhärtet. Dies ist ein weiterer Pluspunkt für GelCORE. Jetzt fehlt nur noch der Nachweis über eine hohe Haftungskraft.1

GelCORE wird auf die Zerreißprobe gestellt

In Kompressions- und Zerreißprüfungen wurde die Stabilität von GelCORE getestet. Durch Anpassung der Crosslinkingdauer sowie der Konzentration der Präpolymere konnte die Forschungsgruppe die biomechanischen Eigenschaften der Hornhaut imitieren. Nach den Vorgaben der ASTM (American Society for Testing and Materials)-Testmethoden für biologische Klebstoffe wurde GelCORE auf die Zerreißprobe gestellt. In vitro wurden die Haftungskraft sowie die Versiegelungseigenschaften von GelCORE an Schweinehautpräparaten geprüft. Die Ergebnisse waren vergleichbar mit den Substanzen CoSEAL und Evicel. CoSEAL (Coseal Surgical Sealant) ist ein vollsynthetischer Versiegeler, der sich aus zwei Polyethylenglykollösungen zusammensetzt. Evicel ist ein Fibrinkleber, der -wenn die Nähte nicht mehr greifen- in der Gefäßchirurgie zur Hämostase eingesetzt wird.1

Nächstes Mal erfahren wir, ob es der Forschungsgruppe gelungen ist, auch positive Ergebnisse in den ex vivo Versuchen mit den Kaninchenaugen zu erzielen. Außerdem lernen wir die Nutzung von weiteren Biodendrimeren in der Augenheilkunde kennen.

Referenzen:
1.) Sani S.E. et al. (2019). Sutureless repair of corneal injuries using naturally derived bioadhesive hydrogels. Sci Adv. 2019 Mar 20;5(3):eaav1281.
2.) Vote B. J. et al. (2000). Cyanoacrylate glue for corneal perforations: a description of a surgical technique and a review of the literature. Clin Exp Ophthalmol. 2000 Dec;28(6):437-42.
3.) Park H. C. et al. (2011).Tissue adhesives in ocular surgery. Expert Rev. Ophthalmol. 6, 631655.
4.) Sharma A. et al. (2003). Fibrin glue versus N-butyl-2-cyanoacrylate in corneal perforations. Ophthalmology. 2003 Feb;110(2):291-8.
5.) Tyagi M. et al. (2019). Glue-assisted retinopexy for rhegmatogenous retinal detachments (GuARD): A novel surgical technique for closing retinal breaks. Indian J Ophthalmol. 2019;67:677–80. 
6.) Gilbert C. E. (1991). Adhesives in retinal detachment surgery. Br J Ophthalmol. 1991;75:309–10.
7.) Guhan S. et al. (2017). Surgical adhesives in ophthalmology: history and current trends. BMJ,Vol. 102, Issue 10.
8.) Panda A. et al. (2009). Fibrin glue in ophthalmology. Indian J Ophthalmol. 2009 Sep-Oct; 57(5): 371–379. 
9.) Anshuman K. et al. (2019). Commentary: Fibrin glue in rhegmatogenous retinal detachment repair—Are we there yet? Indian J Ophthalmol. 2019 May; 67(5): 683–684.