Früherkennung des Morbus Parkinson mittels OCT-Diagnostik

Bereits 20 Jahre vor der Manifestation der typischen Symptomatik setzt Morbus Parkinson ein. Es besteht daher großes Interesse an einer frühen Diagnosestellung vor Einsatz der Symptomatik. Wird die optische Kohärenztomographie (OCT) das Mittel der Wahl?

Bisher erheblich verzögerte Erkennung des Morbus Parkinson 

Der Morbus Parkinson befindet sich nach dem Morbus Alzheimer an zweiter Stelle der neurodegenerativen Erkrankungen. Die Krankheit setzt bereits 20 Jahre vor der klinischen Präsentation der typischen Symptomatik ein. Es besteht daher großes Interesse an einer frühen Diagnosestellung vor Einsatz der Symptomatik bei den betroffenen Personen.

Vor über einem Jahr veröffentlichte die Forschungsgruppe um Annika Kluge ihre Studienergebnisse, die Hoffnung auf einen lang ersehnten Bluttest für die Parkinson-Krankheit geben. Bislang kann die Parkinson-Krankheit nur durch einen postmortalen Nachweis von fehlgefaltetem α-Synuclein bestätigt werden. Der Nachweis des fehlgefalteten α-Synuclein als strukturelle Komponente von Lewy-Körpern in den dopaminergen Neuronen der Substantia nigra ist aktuell noch Goldstandard. Die Diagnosestellung basiert auf der typischen Symptomatik in Kombination mit den Ergebnissen der bildgebenden Verfahren. Dadurch ergibt sich eine erheblich verzögerte Erkennung des Morbus Parkinson: Die motorische Symptomatik tritt erst auf, wenn bereits über die Hälfte der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra zugrunde gegangen sind.2

Früherkennung des Morbus Parkinson mittels Blutplasma

Wäre eine Früherkennung des Morbus Parkinson möglich, so könnte anhand der gewonnenen Erkenntnisse der Weg für die Entwicklung und Anwendung krankheitsmodifizierender Therapien bereitet werden. Eine Erkennung von Parkinson vor Einsatz motorischer Symptome in der Prodromalphase ist daher Ziel verschiedener Forschungsgruppen. Zu diesen gehört auch die Forschungsgruppen um Kluge.

Die Forschenden nutzten hierfür die in Blutplasmaproben von Parkinson-Patienten und Nicht-Parkinson-Patienten vorhandenen extrazelluläre Vesikel, die aus Neuronen stammten. Sie isolierten diese extrazellulären Vesikel, um sie anschließend in Immunoblot-Analysen zu untersuchen. Mit dieser Methodik konnten sie das aus extrazellulären Vesikeln stammende α-Synuclein nachweisen. Verglichen mit der gesunden Kontrollgruppe zeigte sich bei Patienten mit Morbus Parkinson ein signifikant erhöhter Anteil an pathologischen α-Synuclein-Formen. Die Ergebnisse der Studiengruppe geben Hoffnung auf die Realisierung eines Bluttests für die Parkinson-Krankheit.2

Früherkennung des Morbus Parkinson mittels optischer Kohärenztomographie (OCT)

Die Rolle der OCT-Diagnostik in der Früherkennung neurodegenerativer Erkrankungen wird bereits intensiv erforscht. Wir wissen, dass Veränderungen der Dicke der retinalen Nervenfaserschicht auf einen frühen Beginn der Alzheimer-Krankheit hindeuten können. 

Das Forschungsteam aus London führte die bisher größte Querschnittsanalyse zur Netzhautbildgebung bei Patienten mit Parkinson-Krankheit durch. Sie untersuchten die innere Netzhautanatomie mittels optischer Kohärenztomographie (OCT) bei prävalenter Parkinson-Krankheit. Sie konnten Marker identifizieren, die das Vorhandensein der Parkinson-Krankheit bereits sieben Jahre (im Durchschnitt) vor der klinischen Präsentation möglichen machen könnte. Die Forschungsgruppe zog hierfür die Hilfe der Künstlichen Intelligenz hinzu. Sie werteten die Datensätze der UK Biobank sowie des AlzEye-Datensatzes aus. Mithilfe der digitalen Unterstützung wurden Augenscans der beiden Datensätze untersucht. Die so gewonnenen Daten der inneren Netzhautschichten lieferten die gewünschten Marker. Diese wurden anschließend hinsichtlich der Entwicklung der Parkinson-Krankheit anhand einer prospektiven Forschungskohorte bewertet.1

Die innere Netzhautanatomie im Fokus der Parkinson-Forschung

Der AlzEye-Datensatz stellt eine retrospektive Kohorte von insgesamt 154.830 Patienten im Alter von ≥ 40 Jahren dar. Bei 700 Personen lag eine prävalente Parkinson-Krankheit vor. Die Kontrollgruppe umfasste 105.770 Personen. Das Durchschnittsalter betrug 65,5 ± 13,5 Jahre. Das weibliche Geschlecht überwog mit 51,7 %. Bei der UK Biobank handelt es sich um eine prospektive bevölkerungsbasierte Kohorte. 53 der 50.405 Teilnehmer (Durchschnittsalter 56,1 ± 8,2 Jahre, 54,7 % weiblich) erkrankten nach durchschnittlich 2653 ± 851 Tagen an der Parkinson-Krankheit.

Die Datensätze dieser beiden Studien wurden für die Querschnittsanalyse herangezogen. Untersucht wurden die Dicken der makulären retinalen Nervenfaserschicht (mRNFL), der Ganglienzell-inneren plexiformen Schicht (GCIPL) sowie der inneren Kernschicht (INL). Besonderes Augenmerk lag auf einem Zusammenhang zwischen prävalenter Parkinson-Erkrankung und Netzhautdicke.2

Netzhautbildgebung liefert eindeutige Ergebnisse bei Morbus Parkinson

Die Analyse des AlzEye-Datensatzes mittels Künstlicher Intelligenz konnte zeigen, dass Personen mit prävalentem Morbus Parkinson über eine dünnere GCIPL und INL verfügten (verglichen mit der Kontrollgruppe). Eine dünnere GCIPL und INL war nach Analyse des Datensatzes der UK Biobank ebenso mit dem Auftreten von Morbus Parkinson assoziiert gewesen.2

Parkinson: Fazit für die ophthalmologische Praxis

Referenzen:
  1. Wagner S.K. et al. (2023). Retinal Optical Coherence Tomography Features Associated With Incident and Prevalent Parkinson Disease, Neurology.
  2. Kluge A. et al. (2022). Detection of neuron-derived pathological α-synuclein in blood, Brain, Volume 145, Issue 9, September 2022, Pages 3058–3071.