Pathomechanismen retinaler Venenverschlüsse

Arteriovenöse Kreuzungsstellen sind aus anatomischen Gründen prädestiniert für retinale Venenverschlüsse. Arteriosklerotisch veränderte Arterien können an den arteriovenösen Kreuzungsstellen die tiefer gelegenen Venen mechanisch komprimieren.

Arteriovenöse Kreuzungsstellen sind aus anatomischen Gründen prädestiniert für retinale Venenverschlüsse. Arteriosklerotisch veränderte Arterien können an den arteriovenösen Kreuzungsstellen die tiefer gelegenen Venen mechanisch komprimieren.

Bestehen kardiovaskuläre Risikofaktoren aufgrund systemischer Erkrankungen, so besteht ein um das 3-5-fache erhöhtes Risiko für einen retinalen Venenverschluss. Die besagten systemischen Erkrankungen betreffen meist die rheologischen Eigenschaften des Bluts oder die Wandstruktur und begünstigen so die Thrombosebildung.1

Abnorme Vasoaktivität und hämodynamischer Stress

Eine biochemisch veränderte Umgebung kann ebenfalls dazu führen, dass sich die Vene aktiv konstringiert. Morphologisch ist beim ZVV eine Tortuositas der Venen funduskopisch und mittels OCT erkennbar. Venöse Einkerbungen sind auch außerhalb des Bereichs einer arteriovenösen Kreuzung möglich. Diese beruhen höchstwahrscheinlich auf einer abnormen Vasoaktivität der Venen.1

Zentralvenenverschluss (ZVV) und Lamina cribrosa

Die Anatomie spielt beim ZVV eine wichtige Rolle. Die Verschlussstellen liegen meist in direkter Nähe zur Lamina cribrosa. Im posterioren Bereich der Lamina cribrosa hat das venöse Endothel Ähnlichkeit mit dem arteriellen Endothel. In diesem Areal wirken die stärksten Druckkräfte auf die Vene. Dieser hämodynamische Stress führt zu einem sehr schmalen venösen Lumen.1

Risikofaktoren für die Entstehung eines retinalen Venenverschlusses

Ein erhöhter Hämatokrit, eine Erythrozytenaggregation oder eine morphologisch abnorme Erythrozytenstruktur stellen rheologische Risikofaktoren dar. Zu den kardiovaskulären Risikofaktoren gehören die arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Dislipidämie, Nikotinabusus und die koronare Herzerkrankung. Liegen diese vor, so ist auch mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko nach retinalem Venenverschluss zu rechnen.

Die okulären Risikofaktoren

Zu den okulären Risikofaktoren für einen Zentralvenenverschluss gehören das Glaukom, die Drusenpapille, die retinale Vaskulitis und arteriovenöse Malformationen. Auch Erkrankungen, die mit einer Hyperviskosität (z.B. Leukämie, Polyzythämia vera) einhergehen können erhöhen das Risiko für einen retinalen Venenverschluss. Wichtig ist es auch, eine Blutgerinnungsstörung auszuschließen.2

Endothelin-1 unter physiologischen Bedingungen

Die Therapie mit Anti-VEGF-Präparaten führt in den meisten Fällen zu einer rapiden Abnahme des Makulaödems und einer Visusverbesserung. Es gibt jedoch auch Ausnahmen. Bei einigen Patienten stellt sich keine Verbesserung der Sehschärfe trotz reduziertem Makulaödem ein. In diesen Fällen könnte ein vasokonstriktiver Faktor, wie Endothelin-1, den ausbleibenden Therapieerfolg bedingen. Endothelin-1 besitzt verschiedene wichtige Funktionen. Er stimuliert u.a. das Zellwachstum und die Zellmigration und reguliert den axoplasmatischen Transport. Das Peptidhormon steuert den Blutfluss und die Blut-Retina-Schranke.1

Endothelin-1 unter pathologischen Bedingungen

Unter physiologischen Bedingungen wird Endothelin-1 größtenteils von Endothelzellen produziert. Hypoxie und Inflammation können dazu führen, dass auch andere Zellen Endothelin-1 ausschütten. Hypoxische Zellen oxidieren weniger HIF ("hypoxia-inducible factor-1- alpha"). Dies führt zu einer vermehrten Gentranskription und Produktion von VEGF, Endothelin-1 und Erythropoetin.1,3

Endothelin-1, Optikusneuropathie und Mikroangiopathie

Verschiedene Studien weisen auf die Beteiligung von Endothelin-1 an den Krankheitsbildern Optikusneuropathie und Diabetes mellitus. Bei Diabetes mellitus Typ 2 zeigte sich eine positive Korrelation zwischen der Endothelin-1-Konzentration im Plasma und der Entstehung einer Mikroangiopathie. Durch Hemmung der NO-Effekte kann Endothelin-1 zu einer endothelialen Dysfunktion führen. Ist der Sehnerv chronisch erhöhten Endothelin-1-Konzentrationen ausgesetzt, so resultiert eine neuronale Schädigung, eine Aktivierung von Astrozyten und eine vermehrte Expression von Endothelin-B-Rezeptoren.1,3

Der Effekt von Bevacizumab-Injektionen auf Endothelin-1

Kida et al. haben den Effekt von intravitrealem Bevacizumab auf die Plasmalevel von Endothelin-1 in einer prospektiven Studie untersucht. Bei den meisten Patienten mit Makulaödem nach Venenastverschluss führte die Bevacizumab-Injektion zu einer Visusbesserung sowie zu einer Abnahme der Endothelin-1-Konzentration. Bei einigen Patienten zeigte sich jedoch trotz Injektion eine Zunahme des Endothelin-1-Levels sowie eine Visusminderung.1

Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass sowohl eine VEGF- als auch eine Endothelin-1-Überexpression für die Entstehung des Makulaödems nach retinalem Venenverschluss pathogenetisch relevant sind. Denkbar ist auch, dass eine Dysbalance zwischen VEGF, NO und Endothelin-1 zum retinalen Venenverschluss führen kann.1

Therapeutisch relevant wäre neben der Anti-VEGF-Therapie eine Behandlung mit Endothelin-1-Blockern. Experimentell bereits im Einsatz führten Endothelin-1-Blocker zu verbesserten retinalen Perfusionsverhältnissen. Auch eine Therapie mit Calziumkanalblockern zeigte Erfolg. Durch Reduktion des Vasospasmus nahm auch der venöse Druck ab.1

Referenzen:
1. Kida T. et al. (2017). Mystery of Retinal Vein Occlusion: Vasoactivity of the Vein and Possible Involvement of Endothelin-1. Biomed Res Int. 4816527. 
2. Stellungnahme von DOG, BVA und Retinologischen Gesellschaft zur Therapie des Makulaödems beim retinalem Venenverschluss (30.04.2010).
3. Salvatore S. et al. (2010). Endothelin-1 Role in Human Eye: A Review. Journal of Ophthalmology.Article ID 354645, 10 pages.